Andreas Weinberger A 312 317 1. Studienrichtung Geschichte ABRAHAM VON FREISING PILGRIM VON PASSAU WOLFGANG VON REGENSBURG – Drei bayerische Bischöfe des 10. Jahrhunderts im Vergleich Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie aus der Studienrichtung Geschichte eingereicht an der Universität Wien Pottenbrunn, 2008 - 2 - - 3 - Inhaltsverzeichnis Einleitung (S. 5) I) Kindheit und Herkunft (Familie) (S. 7 – 21) II) Ausbildung und Leben bis zur Bischofsweihe (Wie wird der jeweilige zum Bischof?) (S. 23 – 49) III) Tätigkeiten als Bischof (S. 51 – 228) 1) Wie ist das Verhältnis des jeweiligen Bischofs zu weltlichen Würdenträgern und dem Staat? Welchen politischen Einfluss hat er? (S. 51 – 57) 2) Wie verhält sich jeder der drei Bischöfe bei den Aufständen Herzog Heinrichs des Zänkers von Bayern gegen Kaiser Otto II.? (S. 59 – 69) 3) Bischöfliche „Repräsentation“ und ihre materiellen Grundlagen (S. 71 – 135) Bischöfliche Eigenklöster bzw. andere Diözesanklöster und deren eventuelle Reform (S. 71 – 84) Urkunden, Privilegien, Schenkungen, Tauschgeschäfte (S. 85 – 111) Wie rege war der jeweilige Bischof in der Bautätigkeit? (S. 112 – 118) Wie war das Verhältnis des jeweiligen Bischofs zu Erzbischof Friedrich von Salzburg (R: 958-991)? (S. 119 – 125) Wie wichtig waren dem jeweiligen Bischof die Bildung bzw. deren eventuelle Reform sowie die Anschaffung von Handschriften? (S. 126 – 135) - 4 - 4) Seelsorge (S. 137 – 154) Existieren Quellen, die über die Seelsorgetätigkeit des jeweiligen Bischofs informieren? (S. 137 – 141) Welche Reform- bzw. Aufbauarbeit hat der jeweilige Bischof geleistet? (S. 142 – 145) Hat der jeweilige Bischof Missionsarbeit innerhalb bzw. außerhalb seiner Besitzungen geleistet? (S. 146 – 150) Hat der jeweilige Bischof an Synoden, Reichs- oder Gerichtstagen teilgenommen? Wenn ja, an welchen und wie ist er dabei aufgefallen? (S. 151 – 154) 5) Individuelles (S. 155 – 187) 6) Tod und Bedeutung darüber hinaus (Legende, kultische Verehrung, Heiligsprechung) (S. 189 – 228) IV) Abschließender Vergleich der Bischöfe Abraham, Pilgrim und Wolfgang (S. 229 – 237) V) Exkurs: Arnold und Otloh von St. Emmeram – Die zwei wesentlichsten Verfasser von Wolfgangsviten (S. 239 – 251) VI) Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 253 – 255) Zusammenfassung (S. 257 – 258) Lebenslauf (S. 259) - 5 - Einleitung In meiner Diplomarbeit möchte ich versuchen, einen Vergleich zwischen drei Bischöfen des Mittelalters anzustellen, deren augenfälligste Gemeinsamkeit ist, dass sie ungefähr zur selben Zeit in derselben Region – nämlich in Bayern – regiert haben: Abraham von Freising (R: 957-993/994), Pilgrim von Passau (R: 971-991), und Wolfgang von Regensburg (R: 972-994). Grundsätzlich möchte ich in meiner Arbeit so vorgehen, dass ich einen bestimmten Aspekt herausgreife, ihn dann nacheinander bei Abraham, Pilgrim und Wolfgang beschreibe und am Schluss des jeweiligen Teilkapitels oder Unterpunktes einen Vergleich der drei Bischöfe unter dem jeweiligen Aspekt versuche. Um Gemeinsamkeiten und Unterschiede optimal herauszuarbeiten, habe ich mir einen Raster von Aspekten zurechtgelegt, den man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann. Obwohl ich mich um eine genaue Abtrennung der Kapitel und Unterkapitel bemüht habe, waren einzelne Überschneidungen nicht zu vermeiden, da es immer wieder gegenseitige Verbindungen gibt. Eines sollte an dieser Stelle ebenfalls noch vorausgeschickt werden: Die Tatsache, dass über Abraham wenig, über Pilgrim viel und über Wolfgang sehr viel Material vorhanden ist, wird sich in den einzelnen Teil- und Unterkapiteln immer wieder bemerkbar machen, das heißt, dass die einzelnen Schilderungen zu Pilgrim und Wolfgang aufgrund der größeren Fülle an Material zumeist um einiges ausführlicher ausfallen werden als zu Abraham. Die vorhandenen Informationen über Abraham sollten jedoch in den meisten Fällen für einen Vergleich mit den beiden anderen Bischöfen reichen. Selbst wenn der Fall eintritt, dass auf einem gewissen Teilgebiet keine Informationen über diesbezügliche Aktivitäten des jeweiligen Bischofs vorhanden sind, so besitzt diese Tatsache, wenn man einen Vergleich anstellen will, zumindest einige Aussagekraft. - 6 - - 7 - I) Kindheit und Herkunft (Familie) Bevor auf die einzelnen Bischöfe näher eingegangen wird, seien noch einige kurze Bemerkungen zur Kirchengeschichte des 10. Jahrhunderts gestattet: Zinnhobler schreibt in seinem Buch über den heiligen Wolfgang, dass das 10. Jahrhundert in der Kirchengeschichte keinen guten Klang hat. Von Kardinal Caesar Baronius (+1607), dem Verfasser der „Kirchlichen Annalen“ (12 Bände, 1588-1607), wurde es erstmals als „dunkles Jahrhundert“ bezeichnet. Der Wittenberger Professor Valentin Ernst Löscher (+1749) hat seiner Darstellung dieser Zeit sogar den Titel „Historie des römischen Huren-Regimentes“ gegeben und knüpfte damit an zeitgenössische Quellen an, in denen von einer „Pornokratie“ die Rede ist.1 „Die Situation der Kirche war tatsächlich triste. Der Verfall der Klosterzucht, vor allem aber die ‚Abhängigkeit des Papsttums von weltlicher Gewalt, sei es nun der römischen Kaiser, des römischen Adels oder gar übel beleumundeter adeliger Damen’, führten zu vielen Missständen.“2 Auch eine Darstellung von Harald Zimmermann aus dem Jahre 1971, die eine positivere Wertung des 10. Jahrhunderts versucht, behält den Titel „Das dunkle Jahrhundert“ bei.3 Außerdem hinterließen in den deutschsprachigen Ländern damals die Einfälle der Ungarn eine Spur der Verwüstung und des Leides.4 Aber wie immer findet man wo viel Schatten ist, auch viel Licht. Im gleichen Jahrhundert bemühte man sich etwa sehr um die Verbreitung des Glaubens und erschloss nahezu alle Völker Europas dem Christentum. Außerdem brachte dieses Jahrhundert auch helle Gestalten, wie etwa den heiligen Wolfgang, hervor.5 1 Rudolf Zinnhobler: Der heilige Wolfgang. Leben, Legende, Kult. Linz: 1975, S. 9. (Im Folgenden zitiert mit „Zinnhobler, Hl. Wolfgang“.) 2 Zinnhobler, Hl. Wolfgang, S. 9. 3 Zinnhobler, Hl. Wolfgang, S. 9. 4 Zinnhobler, Hl. Wolfgang, S. 9. 5 Zinnhobler, Hl. Wolfgang, S. 9. - 8 - Abraham Über Abrahams Herkunft und Familienbeziehungen weiß man nichts. Wahrscheinlich vermutet J. Sturm richtig, wenn er meint, „dass Abraham zu einer im bayerischen Isengau ansässigen Familie gehört, die eine besondere Vorliebe für biblische Namen hat: Jakob, Joseph und Jusip, David, Salomon, Daniel, Aaron, Israel, Symon, Adam, und schließlich auch ein um 940 beurkundeter Graf Abraham.“6 Sollte diese Vermutung stimmen, dann bekommt Rathers Mitteilung über Abrahams Verwandtschaft mit den ersten Familien Bayerns und mit dem Herzog selbst noch größeres Gewicht.7 Über den oben genannten Graf Abraham berichtet Josef Maß, dass „am 29. Mai 940 (…) in einer Königsurkunde Ottos I. (des Großen; R:8 936-973) ein Graf des Sundergaus mit dem seltenen alttestamentlichen Namen Abraham“9 erscheint, „zu dessen Herrschaftsbereich der Ort Neuching zählte.“10 Daraus leitet Maß die Vermutung ab, dass Abrahams Familie dem Freisinger Bistumsbereich angehörte.11 Pilgrim Pilgrim von Passau ist eine der interessantesten Gestalten unter den frühmittelalterlichen Passauer Bischöfen. Über seine Geburt und Kindheit ist nichts bekannt, über seine Herkunft jedoch umso mehr. Er stammte aus einem bedeutenden bayerischen Adelsgeschlecht, nämlich aus der Familie der Sieghardinger, die wiederum ein Zweig der hochangesehenen und weitläufigen Sippe der Aribonen war12, „jener überaus bedeutsamen Dynastenfamilie, die das Salzburger Land 6 Natalia Daniel: Handschriften des zehnten Jahrhunderts aus der Freisinger Dombibliothek. Studien über Schriftcharakter und Herkunft der nachkarolingischen und ottonischen Handschriften einer bayerischen Bibliothek. Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung, Bd. 11. München: 1973, S. 82. 7 Daniel, S. 82. 8 Mit „R“ wird hier und auch im weiteren Verlauf der Arbeit das Wort „Regierungszeit“ abgekürzt. 9 Josef Maß: Das Bistum Freising im Mittelalter. Geschichte des Erzbistums München und Freising. 1. Bd. München: 1986, S. 113. 10 Maß, S. 113. 11 Maß, S. 113. 12 Franz-Reiner Erkens: Pilgrim, Bischof von Passau (971-991). Versuch einer Würdigung (anlässlich des 1000. Todestages). In: Ostbairische Grenzmarken, 1992, S. 25f. (Im Folgenden zitiert mit „Erkens, Pilgrim“.) Die Kenntnis von der Abspaltung der Sieghardinger von den Aribonen ist übrigens den beiden Forschern Kamillo Trotter und Franz Tyroller zu verdanken, die beide im 20. Jahrhundert lebten. - 9 - beherrschte und aus der mehrere Erzbischöfe und Bischöfe hervorgingen.“13 Der Name Pilgrim war laut Gertrud Diepolder14 bei den Aribonen ein beliebter „Geistlichennamen“. Die Sieghardinger waren Gründer beziehungsweise Erneuerer des Klosters Michaelbeuern und übten seit ca. 1035 die erbliche Hauptvogtei über das Erzstift Salzburg aus. Aus der Hauptlinie – den sich seit 1070 so nennenden Grafen von Tengling (bei Tittmoning) – gingen die Geschlechter der Grafen von Burghausen und Schala (Schallaburg in Niederösterreich; ausgestorben 1191/92) sowie die Grafen von Peilstein (bei St. Leonhard am Forst in Niederösterreich; ausgestorben 1218), Mörle und Kleeberg hervor.15 Pilgrims „Vater war Graf im Chiemgau und trug den Leitnamen der Familie: Sieghard.“16 Erzbischof Friedrich von Salzburg – von 958 bis 991 in diesem Amt17 und ebenfalls ein Sieghardinger – war allem Anschein nach Pilgrims Onkel und spielte bei dessen Erhebung zum Bischof von Passau eine wichtige Rolle.18 Die Zeitspanne, die zwischen der erstmaligen Nennung von Sieghards Sohn mit Namen Pilgrim bzw. Piligrim um das Jahr 965 und Pilgrims Erhebung zum Bischof von Passau 971 liegt, ist zwar recht kurz19, doch konnte sie, laut Fichtenau, „für einen mit adeliger Herkunft und Beziehungen gesegneten jungen Mann aber durchaus ausreichen (…), die Leiter der geistlichen Weihen zu erklimmen.“20 Sei es wie es sei, es genügt zu wissen, dass Pilgrim die Protektion seines Onkels Friedrich so sehr genoss, dass er durch ihn zur Bischofswürde kam.21 Auch Dopsch legt großen Wert darauf, dass die Sieghardinger mit den Aribonen zwar eng versippt, jedoch nicht stammesgleich waren. Siehe Heinz Dopsch: Geschichte Salzburgs 1. Vorgeschichte, Altertum, Mittelalter. Band 1. Salzburg: 1981, S. 363. (Im Folgenden zitiert mit „Dopsch 1“.) 13 Heinrich Fichtenau: Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze. Zweiter Band: Urkundenforschung. Stuttgart: 1977, S. 158. (Im Folgenden zitiert mit „Fichtenau, Urkundenforschung“.) So stammten zum Beispiel Bischöfe Salzburgs, Brixens und Kölns aus diesem Haus. 14 Siehe Gertrud Diepolder: Die Herkunft der Aribonen. Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 27 (Festschrift Karl Alexander v. Müller), 1964, S. 74ff; zit. nach Fichtenau, Urkundenforschung, S. 158. 15 Dopsch 1, S. 363. 16 Erkens, Pilgrim, S. 26. 17 Dopsch 1, S. 211. 18 Erkens, Pilgrim, S. 26. 19 Fichtenau, Urkundenforschung, S. 160. 20 Fichtenau, Urkundenforschung, S. 160f. 21 Fichtenau, Urkundenforschung, S. 161. - 10 - Dass Graf Sieghard der Vater, dessen Bruder Erzbischof Friedrich der Onkel Bischof Pilgrims und dieser somit auch ein Urenkel des Salzburger Erzbischofs Odalbert22 (R: 915-935) war, nehmen etwa Wilhelm Störmer23 und Heinz Dopsch24 mit Sicherheit an. Dopsch hat auch dargelegt, dass Erzbischof Odalbert von Salzburg ebenfalls der Aribonensippe angehörte, die damals schon weit verzweigt und hochangesehenen war.25 Seine Frau wiederum scheint sowohl verwandtschaftliche Beziehungen zu den Luitpoldingern wie auch zu den Karolingern gehabt zu haben. „Damit ergibt sich für (…) Pilgrim eine besonders angesehene Herkunft mütterlicherseits.“26 Ähnliches kann man auch, was seine Herkunft väterlicherseits betrifft, behaupten, denn der „Stammvater“ der Sieghardinger-Ebersberger wird in Quellen einmal als „Blutsverwandter“ und ein anderes Mal als „naher Verwandter“ Kaiser Arnulfs bezeichnet.27 Die Sieghardinger-Ebersberger können aber im bayerischen Raum noch weiter auf das frühe 9. Jahrhundert zurückgeführt werden: Ein Adeliger und Gefährte namens Ratolt aus dem Raum München-Ebersberg erweist sich als ihr – vielleicht kognatischer28 – Vorfahre. Dieser Ratolt hat 853 zusammen mit Graf Kepolf in Allershausen (Landkreis Freising) am Sterbebett eines politisch-herrschaftlich überaus aktiven Adeligen namens Piligrim29 dessen Testament übernommen.30 „In der Stammtafel der Sieghardinger bei Tyroller scheint als Neffe des Erzbischofs Friedrich tatsächlich ein Pilgrim auf, aber mit dem Vermerk „gestorben als Kind“. Warum? Weil dieser Pilgrim nur ein einziges Mal im Zusammenhang mit Vater, Mutter und Bruder in einer Traditionsnotiz31 erwähnt wird.“32 Tyroller sieht Pilgrim überhaupt mehr „als Mitglied der Familie der Pilgrimiden“33 denn als Sieghardinger.34 22 Graf Sieghards Frau war nämlich eine Enkelin Odalberts. 23 Wilhelm Störmer: Früher Adel 2. Monographien zur Geschichte des Mittelalters VI 2, 1973, S. 495; zit. nach Fichtenau, Urkundenforschung , S. 159. 24 Heinz Dopsch: Die Aribonen. Ein führendes Adelsgeschlecht in Bayern und Kärnten während des Hochmittelalters. Staatsprüfungsarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Wien: 1968, S. 24ff. bzw. S. 133f.; zit. nach Wilhelm Störmer: Die Herkunft Bischof Pilgrims von Passau (971-991) und die Nibelungen-Überlieferung. In: Ostbairische Grenzmarken, 1974, S. 67. 25 Störmer, S. 62. 26 Störmer, S. 63. 27 Störmer, S. 63. 28 Blutsverwandt, jedoch nicht von der männlichen Linie. 29 Von ihm wird weiter unten nochmals ausführlicher die Rede sein. 30 Störmer, S. 63. 31 Aus Salzburg ! 32 Fichtenau, Urkundenforschung, S. 159. 33 Egon Boshof: Die Regesten der Bischöfe von Passau, Bd. 1, 731-1206. München: 1992, S. 61. 34 Boshof, S. 61.
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