Anatomie der Staatssicherheit Geschichte, Struktur und Methoden — MfS-Handbuch — Bitte zitieren Sie diese Online-Publikation wie folgt: Helmut Müller-Enbergs: Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen (MfS-Handbuch). Hg. BStU. Berlin 2011. http://www.nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0292-97839421301580 Mehr Informationen zur Nutzung von URNs erhalten Sie unter http://www.persistent-identifier.de/ einem Portal der Deutschen Nationalbibliothek. Vorbemerkung Das Handbuchprojekt »Anatomie der Staatssicherheit« ist eines der ältesten Vorhaben des Forschungsbereiches der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU). Es wurde bereits im Jahr 1993 begonnen – wenige Monate nach der Gründung der Abteilung »Bil dung und Forschung« und stellt dem wissenschaftlichen Fachpublikum wie auch anderen interessierten Nutzern von Stasi-Akten in kontinuierlich erscheinenden Teillieferungen umfassendes Grundwissen zum MfS zur Verfügung: die Entwicklung der Gesamtinstituti on MfS in ihrem historischen Kontext, die Geschichte seiner wichtigsten Arbeitsbereiche, grundlegende Darlegungen zu den hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern sowie verschiedene Übersichten und Materialien zur Struktur des MfS und ihrer Entwicklung, Kurzbiographien des Leitungspersonals und eine Edition der wichtigsten Grundsatzdoku mente. Das »MfS-Handbuch« folgt der Verpflichtung der BStU zur »Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes durch Unterrichtung der Öffentlichkeit über Struk tur, Methoden und Wirkungsweise des Staatssicherheitsdienstes« (§ 37 Abs. 1 Nr. 5 Stasi- Unterlagen-Gesetz) und ist ein wichtiger Baustein und zugleich ein unerlässliches Hilfs mittel für die MfS-Forschung. Inzwischen sind 20 Teillieferungen publiziert, das Projekt tritt damit in seine Endphase, und es ist an der Zeit, die Struktur des Vorhabens im Hinblick auf die Fertigstellung einer Neujustierung zu unterziehen. Das Projekt hat den Forschungsbereich der BStU wesent lich länger beschäftigt als ursprünglich gedacht, was insbesondere einer unvermutet schwierigen Quellen- und Erschließungslage geschuldet ist. Das Konzept aus dem Jahr 1993 erwies sich im Laufe der Zeit an mehreren Stellen als überholungsbedürftig. Daher wurde Veränderungen an der Gliederung des Gesamtwerkes vorgenommen, die sich in der neu gefassten Gliederung widerspiegeln (siehe Übersicht): Einige Kapitel, die in ihrem wesentlichen Inhalt durch andere Handbuchteile oder andere Publikationen abgedeckt sind, wurden gestrichen. Das betraf vor allem den ursprünglichen Baustein II »Arbeits- und Strukturprinzipien«, der zum größeren Teil im Kapitel »Geschichte der Staatssicher heit« aufgeht. Es betraf auch einige nicht oder überwiegend nicht operative Diensteinhei ten (AGM, Abt. XII, HA KuSch), die sich als insgesamt weniger bedeutsam erwiesen ha ben als zunächst angenommen und bei denen einige wesentliche Aspekte ihrer Tätigkeit von anderen, bereits erschienenen BStU-Publikationen beleuchtet werden. Die »auftrag nehmenden« Diensteinheiten (HA III, HA VIII, Abt. M, Abt. 26) werden dagegen nicht in einem zusammenfassenden Kapitel, sondern – ausführlicher als in der ursprünglichen Pla nung – in einzelnen Handbuchteilen behandelt. Hierdurch haben sich die inhaltlichen Schwerpunkte geringfügig zugunsten von Darlegungen zur »operativen« Tätigkeit ver schoben. Die einzelnen Handbuchteile erscheinen jeweils unmittelbar nach ihrer Fertigstellung als Broschüre und als Pdf-Datei im Internet. Kostenlose Downloads werden bereitgestellt auf der Website: http://www.bstu.bund.de Berlin, Januar 2008 Ü B E R S I C H T Ü B E R D A S G E S A M T W E R K ANATOMIE DER STAATSSICHERHEIT – MfS-Handbuch – Überblick • Die Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt der DDR Wichtige Dienstbereiche • Hauptabteilung I: NVA und Grenztruppen • Hauptabteilung II: Spionageabwehr • Hauptabteilung III: Funkaufklärung und -abwehr • Hauptabteilung VI: Grenzkontrollen, Reise- und Touristenverkehr • Hauptabteilung VII: Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei • Hauptabteilung VIII: Beobachtung, Ermittlung, Durchsuchung, Festnahme Hauptabteilung IX: Untersuchungsorgan • Abteilung XIV: Haftvollzug • Hauptabteilung XVIII: Volkswirtschaft • Hauptabteilung XX: Staatsapparat, Blockparteien, Kirchen, Kultur, »politischer Untergrund« • Hauptabteilung XXII: »Terrorabwehr« • Hauptverwaltung A (HV A): Aufgaben – Strukturen – Quellen • Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG): Flucht, Übersiedlung • Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK) • Abteilung M: Postkontrolle • Abteilung 26: Telefonkontrolle, Abhörmaßnahmen und Videoüberwachung • Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) • Rechtsstelle • Hochschule des MfS (JHS) • Parteiorganisation der SED im MfS • Objektdienststellen Mitarbeiter • Die hauptamtlichen Mitarbeiter • Die inoffiziellen Mitarbeiter Anhang • Organisationsstruktur des Ministeriums für Staatssicherheit 1989 Übersicht zur Entwicklung der Diensteinheiten 1950–1989 • Kurzbiographien • Grundsatzdokumente Die mit • versehenen Bände sind bereits erschienen. Der vorliegende Band ist in der Glie derung fett hervorgehoben. Helmut Müller-Enbergs Hauptverwaltung A (HV A) Aufgaben – Strukturen – Quellen Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Abteilung Bildung und Forschung 10106 Berlin E-Mail: [email protected] Die Meinungen, die in dieser Schriftenreihe geäußert werden, geben ausschließlich die Auffas sungen der Autoren wieder. Abdruck und publizistische Nutzung sind nur mit Angabe des Verfas sers und der Quelle sowie unter Beachtung des Urheberrechtsgesetzes gestattet. Schutzgebühr für diese Lieferung: 5,00 € Berlin 2011 ISBN 978-3-942130-15-8 urn:nbn:de:0292-97839421301580 INHALT Methodische Vorbemerkungen 11 1 Überblick (1951–1990) 20 2 Institut für Wirtschafts-wissenschaftliche Forschung (1951–1953) 23 3 Hauptabteilung XV (1953–1956) 33 4 Hauptverwaltung A (1956–1990) 41 5 Abteilungen XV der MfS-Bezirksverwaltungen 269 6 SED-Parteiorganisation in der HV A 317 7 Glossar 318 Abkürzungsverzeichnis 325 Personenregister 331 Detailliertes Inhaltsverzeichnis 345 Organigramm der HV A 1989 siehe hintere Umschlagklappe 11 Methodische Vorbemerkungen Im Zentrum des Handbuchkapitels zur Hauptverwaltung A (HV A) steht die Rekonstruk tion der Aufgaben, Strukturen und Quellen sowie ihrer informationsbeschaffenden Tätig keit, sowohl der Diensteinheiten der Zentrale in Berlin als auch deren Filialen in den Be zirksverwaltungen des MfS. Angesichts dieses Profils ist das vorliegende Kapitel des MfS-Handbuchs vornehmlich ein erstes Nachschlagewerk und Grundlage für weiterge hende Forschungen. Die Akten und Karteien der HV A sind im Zeitraum von Dezember 1989 bis Juni 1990 vernichtet worden, vom Archiv der HV A ist – mit geringen Ausnahmen – nichts übrig geblieben. Die hier vorgelegte Rekonstruktion erfolgt wesentlich auf Basis einzelner, fragmentiert vorliegender Daten, die sich in beim MfS archivierten Akten, auf elektroni schen Datenträgern und in verfilmten Karteien auffinden lassen, ergänzt um Angaben aus der Literatur, aus Interviews mit inoffiziellen und hauptamtlichen Mitarbeitern sowie aus einer eigens in der Stasi-Unterlagen-Behörde erstellten Datenbank mit der Bezeichnung »HHO«1. Angesichts dieser Gemengelage ergeben sich zahlreiche methodische Probleme, die mitunter die Aussagekraft einzelner Feststellungen einschränken, was nachfolgend anhand der Überlieferungslage und am Aufbau der einzelnen Kapitel beschrieben wird. I Quellenlage I.1 Akten Im Archiv der Zentralstelle der Stasi-Unterlagen-Behörde sind 1 675 Akteneinheiten der HV A mit einem Umfang von 47 laufenden Metern erschlossen.2 Darunter befinden sich die von der HV A erstellten »Informationen« mit einem Umfang von 17 laufenden Metern (250 Akteneinheiten).3 Bei diesen Informationen, auch als »Ausgangsinformationen« bezeichnet, handelt es sich um Berichte, die die HV A zu den verschiedensten Themen erstellt und an hohe SED-Funktionäre, DDR-Regierungsmitglieder sowie den KGB über geben hat. Grundlage für diese Berichte sind Informationen, die die HV A von ihren welt weit tätigen inoffiziellen Mitarbeitern (IM) erhielt. Diese Informationen tragen eine durch laufende Nummerierung, die sich in vielen Fällen in den Ausgangsinformationen (SA) der – weiter unten vorgestellten – SIRA-Teildatenbank 12 wiederfindet. In der SIRA-Teil datenbank 12 ist zumeist auch vermerkt, aus welchen Quellen sich eine solche Ausgangs information speist. Im Regelfall wird die Quelle mit einer oder mehreren Registriernum mern angegeben, was wiederum im günstigsten Fall in »Rosenholz« die namentliche Iden tifizierung des beschaffenden IM erlaubt. Zur Überlieferung gehören auch Rückführungen an die Behörde, wie die Stasi- Unterlagen, die der Überläufer Werner Stiller bei sich geführt hatte und die der BND an 1 HHO: Recherchedatenbank mit Personen- und Vorgangsdaten aus dem Bereich der HV A sowie zu Hauptamtlichen IM (HIM) und Offizieren im besonderen Einsatz (OibE) des gesamten MfS. 2 Vgl. Sonntag, Elke: Aktenverzeichnis zum Teilbestand Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Berlin 2008. 3 Stand vom Dezember 2006. Eine Einzelaufstellung dieser »Informationen« befindet sich in dem »Teilbe stand MfS HV A«. Dabei handelt es sich um Belegexemplare der von der HV A seit 1959 erstellten, an die Partei- und Staatsführung übergebenen Informationen. Sie wurden von der HV A nach ihrer Selbstauflö sung im Juni 1990 an das Archiv übergeben. Vgl. Übergabeprotokoll, 4.1.1990; BStU, MfS, ZAIG, Nr. 14389. Weiter wurden 123 Ordner und sieben Kübel Karteien zu Geheimdiensten, 262 Ordner zur poli tisch-militärischen Aufklärung in den Jahren 1959 bis 1989, zu den USA 33 Aktenordner, 11 Klemm- Mappen, 61 Schnellhefter, 21 Broschüren und 14 Bündel der Jahre 1970 bis 1989 übergeben. Aus der Wissenschaftsaufklärung der Jahre 1986 bis 1990 verblieben 7 Ordner und 5 Registrierbücher. Vgl. HV A in Auflösung: Archiv der ehemaligen HV A, 28.5.1990; BStU, MfS, HV A 821, Bl. 1–5. 12 die BStU übergab,4 oder die gegenwärtig in der VS-Stelle eingestellten Unterlagen der Abteilung IX (Gegenspionage).5 Schließlich sind noch Materialien der Abteilung VII zur Organisation der Auswertung, der Abteilung X (Desinformation), der EDV-Abteilung und Korrespondenzen aus dem Dienstbetrieb der HV A zu nennen. Insgesamt gesehen liegt demnach nur ein bescheidener Rest der HV A-Bestände vor. Doch wirklich aufschlussrei che Dokumente befinden sich nur mit wenigen Ausnahmen darunter. Darüber hinaus archivierte die HV A rund 13 400 Akten von inoffiziellen Mitarbeitern im Archiv des MfS, die weithin erhalten sind. Allerdings befolgten die operativen Mit arbeiter in der Regel die Vorgabe, Informationen, die Aufschluss über die Arbeitsweise der HV A geben, zu entfernen, indem die entsprechenden Seiten herausgenommen, ge schwärzt oder Einzelangaben zu bundesdeutschen IM, darunter selbst Decknamen, ausge schnitten wurden. Solche Akten wie auch verstreut überlieferte Unterlagen bei Abwehr diensteinheiten des MfS wurden gezielt nach Strukturbezeichnungen und Hinweisen auf Leitungspersonen gesichtet. I.2 Datenbank HHO In der Recherchedatenbank HHO (HV A/HIM/OibE) hat die Archivabteilung der Stasi Unterlagen-Behörde Personen- und Vorgangsdaten aus dem Bereich der HV A sowie zu Hauptamtlichen Inoffiziellen Mitarbeitern (HIM) und Offizieren im besonderen Einsatz (OibE) des gesamten MfS verzeichnet. Insgesamt enthält die HHO-Datenbank 196 637 Datensätze.6 Davon weisen 133 014 einen Bezug zur HV A auf, darunter 4 778 zu haupt amtlichen und 1 549 zu inoffiziellen Mitarbeitern sowie 115 490 zu anderen Personen, die aus verschiedenen Gründen in das Blickfeld der HV A geraten waren.7 In diese Datenbank werden auch die Angaben der »Löschkartei« der HV A überführt,8 was langfristig die Möglichkeit bietet, festzustellen, welche Personen in »Rosenholz« zu einem früheren Zeitpunkt einmal erfasst waren und später in der Kartei wieder gelöscht wurden. Die HHO ist ein wichtiges Findhilfsmittel, weil in der Behörde aufgefundene Erkenntnisse zu Re gistriernummern, Personennamen und Archivsignaturen in dieser Datenbank vereint sind.9 I.3 Abteilungen XV Hinsichtlich der Abteilungen XV, den Bezirksstellen der HV A, sind in den Außenstellen der Behörde in Berlin, Gera, Neubrandenburg und Magdeburg nennenswerte Mengen an Unterlagen, in Leipzig und Frankfurt (Oder) größere Bestände nachgewiesen. Aus dem Bestand der Abteilung XV der Bezirksverwaltung Dresden ist verfilmtes Aktenmaterial überliefert. Die Filme enthalten Auskunftsberichte und vergleichbare Dokumente zu ihrem 4 Der BND übergab 2,5 lfm Unterlagen des Arbeitsbereichs Sektor Wissenschaft und Technik der HV A, die der HV A-Offizier Werner Stiller bei seinem Übertritt in die Bundesrepublik mitgenommen hatte. Vgl. Dritter Tätigkeitsbericht. Hg. BStU. Berlin 1997, S. 37, sowie Stiller, Werner: Im Zentrum der Spionage. Mainz 1986. 5 Über die Tätigkeit der HV A-Abteilung IX berichtet ausschnittsweise ihr früherer stellvertretender Abtei lungsleiter Klaus Eichner (gemeinsam mit Andreas Dobbert): Headquarters Germany. Die USA- Geheimdienste in Deutschland. Berlin 1997. 6 Sechster Tätigkeitsbericht. Hg. BStU. Berlin 2003, S. 17; darin wird die Zahl der Datensätze in der HHO- Datenbank irrtümlich mit 1 794 497 angegeben, was das Zehnfache des damals tatsächlich vorhandenen Datenbestandes war. 7 Auskunft des Referates AR 2 der BStU vom 26.2.2007. 8 Dritter Tätigkeitsbericht. Hg. BStU. Berlin 1997, S. 59. 9 Vgl. Hecht, Jochen; Sündram, Birgit: Überlieferungslage beim Bundesbeauftragten. In: Knabe, Hubertus (Hg.): West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von »Aufklärung« und »Abwehr«. Berlin 1999, S. 38–55. 13 zuletzt aktiven IM-Netz. Soweit möglich, wurden Unterlagen der HV A in den Außenstel len gesichtet. In der Außenstelle Frankfurt (Oder) finden sich beispielsweise einige Unter lagen zur IM-Statistik10 und Informationsbegleitlisten11 sowie in Potsdam ebenfalls zur IM-Statistik.12 Insgesamt liegen inzwischen 6 223 Akteneinheiten vor (die Erschließung ist fast abgeschlossen). I.4 »Rosenholz« »Rosenholz« lautet die Aktionsbezeichnung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (»Aktion Rosenholz«), in deren Rahmen in Washington eine vom Januar 1988 stammende Sicherungsverfilmung der HV A eingesehen wurde. Verfilmt sind die Formblätter 16 (F 16) und 22 (F 22), wobei es sich um die Personenkartei der HV A mit 290 260 Kartei karten der F 16, um die Arbeitskartei zu hauptamtlichen Mitarbeitern der HV A mit 2 823 Karteikarten sowie um 57 498 F 22 der Vorgangskartei der HV A handelt, die Angaben zur Registriernummer, den Vorgangsführern und der Vorgangsart enthält. Darüber hinaus gehört zu »Rosenholz« eine Verfilmung von 2 038 Statistikbögen der HV A, die in etwa den Stand vom Dezember 1988 wiedergeben, und auf denen neben der Registriernummer – ohne die Angabe des bürgerlichen Namens – ein knappes Profil des IM bzw. der Kon taktperson enthalten ist. Die Angaben sind elektronisch recherchierbar, wobei nicht in jedem Fall die Einträge auf den Karteikarten lesbar sind.13 I.5 SIRA Die HV A hat einzelne Angaben zu operativ beschafften Informationen in einer Daten bank gespeichert, deren Name »System der Informationsrecherche der HV A« (SIRA) lautet.14 In Folge des Befehls Nr. 21/69 des MfS wurde sie eingerichtet und ihre Teilda tenbanken sukzessiv in Betrieb genommen. Mit der Entwicklung des Systems war die AG EDV der HV A befasst, aus der im Juli 1988 die HV A XX entstand. Zuerst arbeitete die HV A V ab 1974 mit der Teildatenbank (TDB) 11, der »Informationsrecherche wissen schaftlich-technischer Information«, in der die Daten des Sektors Wissenschaft und Tech nik der HV A eingingen. Sie enthält »Informationen über wissenschaftlich-technische und militärische Forschungsergebnisse, verfahrenstechnische und technologische Erkenntnisse aus Objekten des Operationsgebietes sowie die in diesem Zusammenhang beschafften Muster«.15 Im Februar 1975 nahm die HV A VII mit der Teildatenbank 12, der »Informa tionsrecherche der internen Information der Abteilung VII«, den Betrieb auf, in der Anga ben zu operativ beschafften Informationen zu außenpolitischen, innenpolitischen, wirt schaftspolitischen, militärpolitischen und militärischen Sachverhalten verzeichnet sind. Sie berücksichtigte darin die seit 1969 erfassten 34 000 Datensätze. Einen Monat später nahm die HV A VI die Teildatenbank 13, die »Informationsrecherche Regimeinformatio nen der Abteilung VI« der HV A in Betrieb, wobei zunächst auf bereits vorhandene 2 000 Datensätze zurückgegriffen werden konnte. Im Dezember 1976 kam die Teildatenbank 14 hinzu, in der die HV A IX/C Erkenntnisse zu Polizeien und Nachrichtendiensten speicherte. 10 BStU, MfS, BV Frankfurt/O. XV 104, XV 158, XV 159, XV 509, XV 707, XV 160 und XV 782. 11 BStU, MfS, BV Frankfurt/O. XV 212. 12 BStU, MfS, BV Potsdam XV 23. 13 Vgl. Müller-Enbergs, Helmut: »Rosenholz«. Eine Quellenkritik. Berlin 2007. 14 Zur SIRA grundsätzlich Konopatzky, Stephan: Möglichkeiten und Grenzen der SIRA-Datenbank. In: Herbstritt, Georg; Müller-Enbergs, Helmut (Hg.): Das Gesicht dem Westen zu. DDR-Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Bremen 2003, S. 112–132; ferner Ders.: Dokumentation; BStU, MfS, HV A/MD/1-6. SIRA. Berlin 2007. Im Weiteren wird darauf Bezug genommen. 15 Vgl. Dienstanweisung 1/88 der HV A; BStU, MfS, BV Frankfurt/O., Bdl. Nr. 2386. 14 Die zuletzt im Aufbau befindliche Teildatenbank 15, in der die HV A XVIII ihre Informa tionseingänge einspeiste, ist nicht überliefert. In der weiteren Teildatenbank 21 erfasste die HV A bestimmte Angaben der in »Rosenholz« verfilmten Formblätter 22 elektronisch. Diese zunächst als vernichtet geltenden Teildatenbanken rekonstruierte in der Stasi Unterlagen-Behörde wesentlich Stephan Konopatzky. Die in der für dieses Handbuchkapitel wichtigste TDB 12 mit 166 024 Informations eingängen – Eingang (SE) genannt – ist allein für den Zeitraum von 1969 bis 1987 der HV A vollständig, wenn von einer zu vernachlässigenden Lücke für den Zeitraum 1971/72 abgesehen wird. Von den vermutlich vorhanden gewesenen 25 000 Informationseingängen der Jahre 1988/89 sind lediglich 2 441 überliefert. Bei den Angaben zu den Ausarbeitun gen, die auf Basis der eingegangenen Informationen erstellt wurden – dem bereits erwähn ten Ausgang (SA) – verhält es sich ähnlich: Für den Zeitraum von 1969 bis 1987 sind 23 079 verzeichnet, für 1988/89 lediglich 671.16 Die einzelnen der 29 Merkmale innerhalb der TDB 12 sind allerdings unterschiedlich vollständig mit Werten belegt. Bei wichtigen Parametern wie der Diensteinheit, von der aus die Information an die Auswerter gesandt wurde (»Absender«), der Bewertung der Information (»Einschätzung«), Sachverhalt, Art der Information oder Angaben zum Empfänger der Information sind die Merkmale zu 96 bis 99 Prozent bestimmt, wodurch solide statistische Aussagen möglich sind. Andere Merkmale sind weniger vollständig mit Werten belegt wie die Quelle der Information (75 %), das Land, auf das die Information hinweist (84 %), oder die Institution, um die es geht – »Objekt-Hinweis« genannt – (54 %). Sie lassen nur eine bedingt zuverlässige Aus sage zu. Noch seltener sind Angaben zu Personen, über die Informationen vorliegen, mit lediglich 28 Prozent, auch wenn nicht jede Information zwingend einen Personenbezug enthalten musste. Die bei der TDB 12 insgesamt günstige Ausgangslage liegt für die TDB 11 nur einge schränkt vor. Es gibt zwar für den Zeitraum von 1969 bis Mai 1989 204 820 Eingangs- und 1 927 Ausgangsinformationen, doch enthält sie diverse Lücken, auch für das Jahr 1989. Mit den überlieferten Daten lassen sich zwar Aussagen über Umfang, Quellen, Zeit räume, Themen, Ziele und Informationsflüsse rekonstruieren, aber von 1969 bis 1975 ist nur selten die Registriernummer angegeben, in der Summe bei nur 82 Prozent der Eintra gungen. Insoweit sind Aussagen auf dieser Basis nur bedingt möglich. Die TDB 11 ver zeichnet überdies 9 614 Beschaffungsorientierungen (BO), die – über teils bereits be schaffte Informationen hinausgehende – Informationswünsche festhalten.17 In der von der HV A VI geführten TDB 13, die sich mit den Bedingungen im »Operati onsgebiet« befasst, liegen für den Zeitraum von 1969 bis 1989 38 301 Datensätze vor, die zwar bei einigen Parametern wie Länder- oder Objekthinweisen mit 100 bzw. 84 Prozent zuverlässige Aussagen ermöglichen, hingegen sind die Einzelangaben in lediglich 81 Pro zent der Fälle, bei denen die Registriernummern verzeichnet sind, einer konkreten Quelle zuzuordnen. Allerdings umfassen lediglich 3 Prozent der Datensätze den Zeitraum von 1979, sodass die TDB 13 im engeren Sinne lediglich für den Zeitraum danach aussage kräftig ist.18 Bei der TDB 14 der HV A IX/C entspricht die rekonstruierte Menge der Eingangsin formationen fast dem Original, nur nicht in den Jahren 1988/89. An Eingangsinformatio nen sind von 1980 an 46 479, an Ausgangsinformationen 45 (sic!) und an Personeninfor- 16 Vgl. Konopatzky: Dokumentation (Anm. 14), S. 109–114. Die Beauftragungsinformation trägt innerhalb der TDB 11 die Bezeichnung SB, wird von der HV A auch als Aufgabenstellung (ASt bzw. AGSa) be zeichnet. Beschaffungsorientierungen sind eigenständige Kommentare, die als Hinweise zur weiteren Be schaffung gegeben wurden. 17 Vgl. ebenda, S. 115–119. 18 Vgl. ebenda, S. 120. Für die Jahre 1979 liegen relativ wenige Datensätze vor.
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