Z E I T S C H R I F T D E R B . B R A U N M E L S U N G E N A G AMBULANTES OPERIEREN II 6 Zukunft sichern: Hier gehts um Blut: 1 Der Weg zum modernen Gesundheits- Patient Blood Management / 1 unternehmen 0 Nicht nach Schema F behandeln: Noch Modellcharakter: Knorpeldefekte Die „Besondere Versorgung“ Nicht schon wieder was Neues: Der Patient dankt: Hygienemanagement Update Moderne postoperative Schmerztherapie Anzeige VERSORGUNGSQUALITÄT UND WIRTSCHAFTLICHKEIT ANDERS DENKEN SYSTEMLÖSUNGEN VON B. BRAUN Herausragende Gesundheitsversorgung ist mehr als moderne Medizin: Nur wenn der wirtschaftliche Betrieb der Versorger gesichert ist, können wir die Gesundheit von Menschen schützen und verbessern. Gemeinsam erarbeiten wir mit Ihnen Ihre maßgeschneiderte Lösung, die sowohl die Behandlungsqualität und Patientensicherheit erhöht als auch das Verhältnis von Kosten und Erlösen optimiert. So verstehen wir unser Versprechen Sharing Expertise. Sprechen Sie uns an! B. Braun Melsungen AG www.bbraun.de E-Mail: [email protected] Tel.: +49 5661 71-3300 IMPRESSUM HealthCare Journal – Zeitschrift für Fachkreise Herausgeber B. Braun Melsungen AG | Carl-Braun-Straße 1 | 34212 Melsungen Fotografie B. Braun Melsungen AG | Nachweise zu Bildquellen Redaktion Verantwortlich: Andrea Thöne (ath) finden Sie auch unter www.healthcare-journal.bbraun.de Telefon (0 56 61) 71-35 41 | Telefax (0 56 61) 75-35 41 Hinweis Alle Angaben erfolgen nach bestem Wissen, jedoch ohne E-Mail: [email protected] | www.healthcare-journal.bbraun.de Gewähr. Eine Haftung wird nicht übernommen. Die mit einem Autoren- Wissenschaftlicher Beirat Prof. Dr. med. Alexander Schachtrupp namen gezeichneten Artikel geben die Meinung des jeweiligen Layout/Satz Verantwortlich: Lisa Hassenpflug | B. Braun Melsungen AG Autoren wieder, die nicht mit der Meinung der B. Braun Melsungen AG Umsetzung: Polymotion Werbeagentur identisch sein muss. AMBULANTES OPERIEREN 3 Liebe Leserinnen und Leser, ich habe heute in meiner neuen Funktion als Geschäftsbereichsleiter Ambulant & Nephrologie die Ehre, Ihnen die neue Ausgabe unseres seit fast 20 Jahren in Fach- kreisen geschätzten Magazins HealthCare Journal vorstellen zu dürfen. Längst ist der Bereich des ambulanten Operierens fester Bestandteil der medizini- schen Grund- und Regelversorgung. Er erhält mit den Diskussionen um die Sekto- rengrenzen zunehmend mehr Brisanz. Es bewegt sich was im Gesundheitssystem. An der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung hat es schon lange nicht mehr so viele Chancen und Herausforderungen gegeben wie es aktuell der Fall ist. Im Jahr der Fußball-Europameisterschaft gilt es auch hier „auf Ballhöhe“ zu bleiben. Hierfür finden Sie in der aktuellen Ausgabe Beiträge zu gesundheitspolitischen wie Dr. Thilo Brinkmann auch medizinischen Themen. Geschäftsbereichsleiter Ambulant & Nephrologie Wir wollen Ihnen mit dieser Ausgabe Möglichkeiten aufzeigen, Ihr Angebot weiter- zuentwickeln. Unsere Autoren berichten über sektorenübergreifende Versorgungs- formen, neue Praxismodelle, Hygiene-, Wund- und Blutmanagement. Freuen Sie sich auf eine neue, spannende Ausgabe. Übrigens finden Sie uns im Internet mit einem extra Newsbereich unter www.bbraun.de/healthcare-journal Ihr Das HealthCare Journal gibt es auch als App zum Download für Android- und Apple-Geräte. AMBULANTES OPERIEREN II INHALT 03 Z ukunftssicherung: Von ambulanter Praxis zum 20 P atient Blood Management hilft Blut sparen modernen Gesundheitsunternehmen 24 Knorpeldefekte: Erst Ursachenforschung, 08 E -Health-Gesetz: Sichere Kommunikation ohne dann stadiengerechte Therapie Grenzen? 28 Nadelstichverletzungen: Was tun, wenn es 11 N och Modellcharakter: Die Integrierte Versorgung passiert ist? ist jetzt die Besondere Versorgung 32 D ekolonisierung chronischer Wunden ist machbar 15 R eportage Schmerztherapie: Schmerzen 36 Tipps und Tricks: Neues zum Hygienemanagement müssen nicht sein 18 Interview: Der Patient muss nichts mehr tun Abonnieren Sie Ihr HealthCare Journal unter www.bbraun.de/healthcare-journal 01/16 AMBULANTES 4 OPERIEREN Zukunft sichern: Die Kunst liegt im Vernetzen und Spezialisieren Von Volker Heuzeroth Es gibt viele Möglichkeiten und Chancen, sich als operative Arztpraxen weiterzuent- wickeln. Vertikale und horizontale Expansion – das ist die Frage, die sich viele Praxis- inhaber stellen. Das Netzwerk der Fachärzte Rhein-Main zeigt, wie es gelingt durch Kooperation, Spezialisierung und Zusammenarbeit auch über die Sektorengrenzen hinaus langfristig im Markt erfolgreich zu sein. Die Fachärzte Rhein-Main entstanden auf Die Einführung der integrierten Versor- Gesellschafter und Krankenhäuser als Basis einer chirurgischen Gemeinschafts- gung erlaubte weitere Fortschritte in der Kooperationspartner nahmen die Praxis praxis mit angeschlossener Privatklinik Unternehmensentwicklung. Damit war es anders wahr. am Standort Seligenstadt. Diese Pra- möglich, neben den ambulanten Leistun- xis erkannte und nutzte schon früh die gen auch stationäre Behandlungen für Im nächsten Schritt folgte der Anschluss Möglichkeiten der überörtlichen Berufs- gesetzlich krankenversicherte Patienten von überwiegend stationär tätigen Ärzten. ausübung. In der Gründungszeit sowie zu erbringen. Im Rahmen der Verträge Parallel zur Ausweitung des Leistungsspek- den darauf folgenden Jahren wurde der mit verschiedenen Kassenarten etablierte trums stieg auch die Erwartungshaltung Fokus der Unternehmensentwicklung auf sich so neben den ambulanten Operatio- der Patienten, worauf die Gemeinschafts- den lokalen Gesundheitsmarkt des Land- nen ein weiterer großer Schwerpunkt im praxis mit ihrer Unternehmensentwicklung kreises Offenbach und der angrenzenden Bereich der stationären Behandlung. Um bis zum heutigen Tage erfolgreich reagiert, Städte gelegt. Darüber hinaus verfeinerte den Nachteil der integrierten Versorgung indem sie beispielsweise das konservati- die Praxisleitung das Leistungsangebot mit ihrem Geltungsbereich für bestimmte ve Angebot im Bereich Orthopädie weiter entsprechend der Spezialisierung der tä- Kassenarten zu begegnen und Patienten, ausgebaut und artverwandte Fachärzte tigen Ärzte. die aufgrund ihrer Erkrankung einer stati- in die Praxis integriert hat. Durch diese onären Behandlung bedürfen, aufnehmen konsequente Weiterentwicklung des Leis- Im Zuge der Spezialisierung auf ambulan- zu können, hat die Gemeinschaftspraxis tungsangebotes bis hin zum heutigen in- te Operationen am Standort erfolgte – in mit mehreren Krankenhäusern Verträge terdisziplinären Fachärzte-Netzwerk ist Zusammenarbeit mit der angeschlossenen zur honorarärztlichen Tätigkeit abge- aus der einstigen chirurgischen Gemein- Anästhesiepraxis Anästhesie Rhein-Main schlossen. schaftspraxis eine eigenständige Marke – auch eine Optimierung der Behandlungs- geworden, die bei Patienten wie Zuweisern abläufe inner- und außerhalb der Operati- Dieser wichtige Entwicklungsschritt hat- überregional bekannt ist. Ihre Alleinstel- onssäle. Die verbesserten Abläufe zeigten te gleich mehrere positive Auswirkungen. lungsmerkmale werden von kaum einem schnell Wirkung. Dank der stetig wach- Die Wahrnehmung der Praxis änderte sich anderen Wettbewerber in dieser Form senden Zahl operativer Eingriffe konnte in Bezug auf die verschiedenen Zielgrup- abgebildet. Generell kann von einer noch die Praxis ihre Bekanntheit in der Region pen: Mögliche Patienten, interessierte weiter steigenden Patientennachfrage in ausbauen. Ärzte als zukünftige Angestellte sowie diesem Segment ausgegangen werden. 01/16 AMBULANTES OPERIEREN 5 n ai M n- ei h R e zt är h c a er: F d Bil Bis zum heutigen Tag sind bereits 28 Ärz- administrativen Herausforderungen der die administrativen Abläufe im OP so weit tinnen und Ärzte mit insgesamt mehr als Sprechstundenplanung. Diese konnten je- optimiert wurden, dass auch geringer ver- 23 Kassenarztsitzen in dem Netzwerk tä- doch durch die klar strukturierten Abläufe gütete Eingriffe im Einheitlichen Bewer- tig. Man kann heute schon absehen, dass innerhalb der Praxis und während der Ope- tungsmaßstab (EBM) einen positiven De- es auch in den Jahren 2016 und 2017 ein rationen aus wirtschaftlicher Sicht aus- ckungsbeitrag abwerfen. weiteres Wachstum in den unterschiedli- geglichen werden. Darüber hinaus führte chen Bereichen geben wird. das klar definierte Behandlungsspektrum Überörtliche Berufsausübung dazu, dass in Zusammenarbeit mit der Setzt man die Spezialisierung konsequent Betrachtet man die Entwicklung der angeschlossenen Anästhesie Rhein-Main um, so besteht mit großer Sicherheit die Fachärzte Rhein-Main aus wirtschaft- licher Sicht so lassen sich mehrere Er- folgsfaktoren oder besondere Ereignisse identifizieren, die die Unternehmensent- SPEZIALISIERUNG UND VERNETZUNG ALS ERFOLGSFAKTOREN wicklung gefördert haben. Darüber hinaus Das interdisziplinäre Fachärzte-Netzwerk besteht aus aktuell zwölf Praxis- und findet man bei einer kritischen Betrach- neun OP-Standorten im Rhein-Main-Gebiet. Seit 2006 haben sich dem Netzwerk tung jedoch auch Optimierungspotenziale ausschließlich Fachärzte angeschlossen. Jeder Arzt hat sich auf einen bestimmten und Risiken, die es in Zukunft zu berück- Teilbereich der Medizin spezialisiert und behandelt ausschließlich auf diesem Gebiet. sichtigen gilt. Grundprinzip dieser Spezialisierung ist, dass die Fachärzte an den Praxisstandorten für Sprechstunden zu ihrem speziellen Fachgebiet zur Verfügung stehen, wodurch Spezialisierung beispielsweise Patienten aus Seligenstadt von Experten aus Hanau profitieren. Die Aus meiner Sicht ist die strikte Speziali- drei zentralen Säulen bilden die übergreifenden Fachbereiche der Chirurgie, Orthopä- sierung der operierenden Ärzte auf eine die und Gynäkologie. Patienten werden von der Diagnose über die Operation bis hin begrenzte Zahl von Indikationen der wich- zur Nachsorge von demselben erfahrenen Experten beraten und behandelt. Pro Jahr tigste und für den Erfolg ausschlaggebende führen die Fachärzte der Gemeinschaftspraxis rund 9 000 Eingriffe durch. Das Netz Faktor für die Unternehmensentwicklung. kooperiert auch sehr eng mit anderen Kliniken der Region. Dies führte bei den Fachärzten Rhein-Main in der Anfangszeit zu logistischen und 01/16 AMBULANTES 6 OPERIEREN Notwendigkeit, die Leistungen an mehr Krankenhaus überwiesen werden, sondern als einem Ort anzubieten. Je spezialisier- vielmehr dem Wunsch des Patienten nach ter das Fachgebiet des einzelnen Arztes einer stationären Behandlung durch den ist, desto mehr Standorte benötigt er, um behandelnden Arzt nachgekommen wird. die wirtschaftlich notwendige Zahl von Hierzu war es notwendig, Honorararztver- Patienten behandeln zu können. Dieser im träge abzuschließen. Diese Verträge sind ersten Augenblick gefühlte Mehraufwand, aus wirtschaftlicher Sicht aus drei Grün- durch zum Beispiel eine erhöhte Fahrtätig- den sinnvoll: Die stationären Behandlungs- ain M keit, wird durch die Wahrnehmung bei den möglichkeiten erweitern das Spektrum der n- ei Patienten mehr als aufgewogen. Im Falle Praxis, werden bei verhältnismäßig gerin- Rh e der Fachärzte Rhein-Main erstreckt sich gen Kosten – sofern das „Weiterlaufen“ der ärzt h das Einsatzgebiet der Sprechstunden vom Praxis sichergestellt ist – relativ gut vergü- ac Kernbereich des Rhein-Main-Gebiets bis in tet und machen die Praxis schließlich auch er: F d ländliche Regionen, wodurch den Patien- unabhängig von Verträgen zur integrierten Bil ten lange Fahrtzeiten erspart bleiben. Aus- Versorgung. wertungen zeigen, dass der wirtschaftliche Outcome am Praxisstandort mit eher länd- Zusammenfassend kann man feststellen, Stationäre Behandlungsmöglichkeiten stel- licher Prägung teilweise weit höher liegt dass das Wachstum und der Erfolg der len in großen Praxisstrukturen auch hohe als bei den städtischen Standorten. Fachärzte Rhein-Main auf dem hochspezi- Anforderungen an die Administration. So alisierten und wohnortnahen Angebot von müssen sich beispielsweise die ansonsten Verträge zur integrierten Versorgung ambulanten und stationären Behandlungs- selbstständigen Ärzte in OP-Organisatio- Die Verträge zur integrierten Versorgung möglichkeiten für Patienten – unabhängig nen und Strukturen der Krankenhäuser ein- sind gerade in der Anfangszeit der Un- von ihrem Versicherungsstatus – gründet. gliedern. Dies hat zur Folge, dass sich die ternehmensentwicklung ein wichtiger Sprechstundentage an den Ablauf im Kran- Erfolgsfaktor. Diese trugen, wegen der Optimierungspotenziale und Risiken kenhaus anpassen müssen. Darüber hinaus damit einhergehenden Erweiterung des Trotz der positiven Entwicklung des Unter- entsteht im Falle der Fachärzte Rhein- Behandlungsspektrums und der in vie- nehmens in den vergangenen Jahren be- Main durch die begrenzten Ressourcen in len Verträgen vereinbarten Mehrleistun- stehen auch bei diesem Geschäftsmodell den kooperierenden Krankenhäusern die gen für Patienten, zum Wachstum der Herausforderungen, die es zu kennen und Situation, dass es für stationäre Behand- Fachärzte Rhein-Main bei. zu bewältigen gilt. So muss beispielswei- lungen im Gegensatz zu ambulanten Ope- se die interdisziplinäre Ausdehnung stän- rationen unterschiedlich lange Wartelisten Honorararztverträge dig aufs Neue kritisch betrachtet werden. gibt. Im Extremfall kann dies dazu führen, Verfolgt man das Prinzip der Spezialisie- Durch die Ausweitung der stationären Be- dass trotz bestehender Wartelisten für ei- rung, so wird sich im Laufe der Zeit eine handlung etwa ist es notwendig, dass auch nen Fachbereich Operationstage aus einem immer größere Anzahl von Patienten in der an ambulanten oder stationären Opera- anderen Bereich komplett oder teilweise Praxis vorstellen, die aufgrund ihrer Er- tionstagen die weiteren Ärzte der Praxis ausfallen müssen. Zur Vermeidung solcher krankungen und/oder Begleiterkrankungen den Betrieb vor Ort sicherstellen. Diese Ausfälle sowie zur effektiven Planung der einer stationären Behandlung bedürfen. In Herausforderungen lassen sich durch die OP-Instrumente an den unterschiedlichen den Praxen wird heute bereits vermehrt Integration konservativer Ärzte meistern, Standorten (ambulant und stationär) und festgestellt, dass Patienten gezielt danach die an OP-Tagen den Praxisbetrieb über- den ebenfalls mit den stationären Behand- fragen. Aus Sicht einer Gemeinschafts- nehmen. Mit einem weiteren Ausbau der lungen zusammenhängenden Tätigkeiten, praxis ist klar, dass diese Patienten zur operativen Tätigkeit besteht kontinuierlich erhöhen sich im Vergleich zur ambulanten Behandlung nicht an ein kooperierendes Handlungsbedarf in diesem Bereich. Tätigkeit die administrativen Aufgaben um 01/16 AMBULANTES OPERIEREN 7 ein Vielfaches. Diese Anforderung wurde hierdurch noch weiter wachsen und die Hilfeleistungen anderer Personen“ (siehe durch die Praxis bereits früh erkannt und angestellten Klinikärzte könnten ebenfalls auch Seite 12), zu erweitern. Die Planung neben den klassischen administrativen an allen Praxisstandorten hochspeziali- dieses Bereichs ist zurzeit nur eine theo- Aufgaben einer Arztpraxis, wie zum Bei- sierte Sprechstunden anbieten. Neben den retische Überlegung und kann ausführlich spiel Qualitätsmanagement, Dienstplanung, positiven wirtschaftlichen Effekten hätte noch nicht dargestellt werden, passt aber Abrechnung von GOÄ-Leistungen, ein se- dies vor allem auch einen großen Einfluss in das Konzept der durchgehenden, inter- parater Bereich für die Planung, Koopera- auf die spezialisierte Versorgung von Pati- disziplinären, über die Sektorengrenzen hi- tion und Abrechnung mit Krankenhäusern enten durch Fachärzte in eher ländlichen nausgehenden, wohnortnahen Versorgung. und Krankenkassen etabliert. Hierbei ist Gebieten. man wie im medizinischen Bereich der Li- nie gefolgt, Spezialisten für die Aufgaben- Hausärztlicher Bereich gebiete zu etablieren und diese auch ggf. Der nächste Entwicklungsschritt bezieht schon frühzeitig für eine Mitarbeit in der sich auf den hausärztlichen Bereich – mit Praxis zu gewinnen. dem Ziel, auch in den ländlichen Ein- zugsgebieten eine umfassende ärztliche Auch in Zukunft wird der Fokus der Versorgung sicherzustellen, beginnen die Fachärzte Rhein-Main weiter zum Wohle Fachärzte Rhein-Main im Jahr 2016 mit der Patienten in Richtung der wohnort- der Implementierung von Fachärzten für nahen Versorgung gerichtet sein, die eine Allgemeinmedizin in der Praxis. Ziel dieser Verzahnung der unterschiedlichsten Sekto- Ausdehnung ist die dann umfassende Ver- ren noch weiter vorantreiben wird. Denk- sorgung der Patienten vor Ort. Als weiterer bar ist außerdem, hochspezialisierte Ärzte Schritt ist es vorstellbar, das Einzugsgebiet Kontakt aus dem stationären Bereich in der Ge- der Praxis durch den Einsatz von Telemedi- Volker Heuzeroth meinschaftspraxis fest anzustellen sowie zinanwendungen, zum Beispiel im Bereich Geschäftsführer Praxis-Ärzte im Krankenhaus mit einem der Diabetestherapie oder der Umsetzung Fachärzte Rhein-Main Arbeitsvertrag zu versehen. Das Leistungs- der Regelungen des Abschnittes 3.2.1.2 des E-Mail: [email protected] spektrum des Fachärzte-Netzwerks würde EBMs „GOP 03062 Ärztlich angeordnete Internet: www.fachärzte-rhein-main.de 01/16 GESUNDHEITSPOLITIK 8 Neues E-Health-Gesetz: Sichere Kommunikation ohne Grenzen? Von Lutz Reum Die digitale Vernetzung im Gesundheitswesen zur Verbesserung der Patientenversorgung ist nicht mehr auf- zuhalten. Das zeigt spätestens das zum ersten Januar 2016 in Kraft getretene E-Health-Gesetz und seine An- reize. Im Mittelpunkt des Gesetzes steht die optimierte Verfügbarkeit von Patientendaten. Grundvoraussetzung dafür ist die Implementierung sicherer Informationssysteme sowie deren Kompatibilität untereinander. Der Umgang und die Anwendung digitaler Medien und Kommuni- tomaten und weiteren medizinischen Systemen liegen die Daten kationswege sind aus dem normalen Alltag nicht mehr wegzuden- bereits digital vor, aber der Ausdruck auf Papier macht diese oft ken. Informationen, wichtige und weniger wichtige, sind jederzeit erst zum Bestandteil der Patientenakte und erschwert somit die und ortsunabhängig stets verfügbar und ermöglichen situations- umgehende Weitergabe. Dabei ist die umfassende, lückenlose und bedingtes schnelles Reagieren und Handeln. Die allumfassende zeitgerechte Information über oft lebenswichtige Gesundheitsda- Vernetzung macht es möglich. ten für die am Behandlungsprozess beteiligten Akteure für eine erfolgreiche Behandlung des Patienten unerlässlich. Nicht so im Gesundheitswesen. Zwar ist die Digitalisierung von Daten im stationären und ambulanten Bereich schon weit fort- Der digital erzeugte Arzt- oder Entlassbrief wird wie eh und je geschritten, in diagnostischen Untersuchungsgeräten, Laborau- per Post oder Fax versandt, oder sensible, personenbezogene Pa- 01/16 GESUNDHEITSPOLITIK 9 Das, was weitläufig unter die Definition Telemedizin fällt, ist vielfältig. Zum einen ist es die Beurteilung und Überwachung von medizinischen Patientendaten der Patientinnen und Pa- tienten mittels Telekommunikation – zum Beispiel über das Internet. Patient und Arzt können dabei an unterschiedlichen Orten sein. Telemedizinische Anwendungen finden aber auch tientendaten erreichen unverschlüsselt den Empfänger. Haben wir zwischen Ärzten statt. Dies geschieht, um Befunde elektro- uns im Alltag daran gewöhnt, oft recht sorglos mit unseren Daten nisch auszutauschen oder eine Zweitmeinung einzuholen. umzugehen, sei es in sozialen Netzwerken, im privaten oder beruf- lichen Mailverkehr oder im Bereich der Telekommunikation, sind Telemedizin wird in zehn Jahren selbstverständlich sein – so gerade die Gesundheitsdaten die sensibelsten und schützenswer- wie auch Computer nach und nach in die Arbeit der Ärzte testen, die es für Arzt und Patienten gibt, nur vergleichbar mit den eingebunden wurden. Das erwartet Friedrich Köhler, der das persönlichen Bank-Kontodaten. Projekt TIM-HF II an der Charité leitet. Er betont, dass Tele- medizin aber nur ergänzend zum heute gewohnten Kontakt Elektronische Gesundheitskarte zwischen Arzt und Patient existieren werde. Sie nütze vor Für den sicheren und stets geschützten Austausch von medizini- allem Risikopatienten, die aufgrund ihres Krankheitsverlaufs schen Daten ist also in jedem Fall eine hochsichere, digitale Inf- oder nach einer Operation überwacht werden müssen. In rastruktur unerlässlich. Um den Aufbau dieser schon seit Jahren dem Charité-Projekt TIM-HF II messen Patientinnen und Pa- in der Planung befindlichen Telematik-Infrastruktur zu beschleu- tienten mit Herzschwäche zu Hause selbstständig ihre Werte nigen, soll das Ende Dezember 2015 vom Deutschen Bundestag und übermitteln diese Daten über einen kleinen Computer di- verabschiedete „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und rekt an eine Zentrale. In dieser sitzen rund um die Uhr Ärzte, Anwendungen im Gesundheitswesen“, kurz E-Health-Gesetz, ei- die die eingehenden Daten überwachen. Zeichnen sich ge- nen konkreten Fahrplan liefern. Ziel ist es, die unterschiedlichen sundheitliche Probleme ab, wird der Patient darauf aufmerk- IT-Systeme von niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern, Apo- sam gemacht. Ein mehrstufiges Notfallsystem tritt in Kraft. theken, Pflegeeinrichtungen und Krankenkassen sukzessive mitei- Bei Bedarf wird ein Notarzt alarmiert. Der Patient muss nicht nander zu vernetzen, um so einen sicheren Austausch medizinisch mehr auf eigenen Verdacht zum Arzt oder für eine Überwa- relevanter Daten zu gewährleisten und Informationen über Patien- chung ins Krankenhaus gehen. Der Bund fördert das Projekt ten schnell abfragen zu können. mit acht Millionen Euro. Insgesamt nehmen 1 500 Menschen an der Studie teil. Dem mündigen Patienten als „Herr seiner Daten“ soll es zudem immer möglich sein zu entscheiden, wer, wann und auf welche seiner Daten zugreifen darf. Für Bundesgesundheitsminister Her- mann Gröhe stehen mit dem E-Health-Gesetz „Patientennutzen Dann wäre die Verwandlung der eGK von einer reinen Verwal- und Datenschutz im Mittelpunkt.“ tungskarte zur echten elektronischen Gesundheitskarte gelungen. Der Schlüssel für den Zugang zu seinen Daten wird die seit Januar Patientenakte 2015 für alle Patienten verpflichtende elektronische Gesundheits- Um gesundheitsrelevante Daten digital zu bearbeiten, benötigt karte (eGK) sein. Derzeit dient die eGK nur als Versicherungsnach- der Arzt in Zukunft einen elektronischen Arzt- oder Heilbe- weis, ist beim Arzt oder Krankenhaus analog der früheren Kran- rufsausweis (eHBA). Mit diesem können z. B. Arztbriefe digital kenversicherungskarte (KVK) vorzulegen und ermöglicht so die signiert werden. Um diesen Prozess zu beschleunigen sieht das Kostenübernahme für Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. E-Health-Gesetz ab 2017 eine finanzielle Förderung des elek- Laut dem im E-Health-Gesetz vorgegebenen Zeitplan sollen bis tronischen Arztbriefs mit 55 Cent pro Brief vor, wenn dieser mit Mitte 2018 alle Arztpraxen und Krankenhäuser in Deutschland dem HBA qualifiziert elektronisch signiert und mittels sicherer flächendeckend an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein. elektronischer Verfahren versendet wurde. Ziel ist es, einen An- Werden im ersten Schritt nur die Versichertenstammdaten auf der reiz zu schaffen, damit sich Ärzte frühzeitig mit einem eHBA eGK über die Telematik-Infrastruktur aktualisiert, sollen im weite- ausstatten und gerüstet sind, wenn ab Januar 2018, die ersten ren Schritt Angaben über Medikamente und patientenspezifische oben genannten medizinischen Anwendungen auf der eGK ver- Notfalldaten auf der eGK gespeichert werden können. fügbar sein sollen. 01/16 GESUNDHEITSPOLITIK 10 Die elektronische Patientenakte wird das eigentliche Kernelement Datenschutz und Datensicherheit der Telematik-Infrastruktur sein, mit den Zugangselementen der Dem Datenschutz und der Datensicherheit kommen in Zukunft eGK auf Seiten der Patienten und eHBA auf Seiten der Ärzte, egal eine immer größere Bedeutung zu. Es muss verhindert werden, ob ambulant oder stationär tätig. Alle weiteren am Behandlungs- dass sich Schadprogramme einschleusen und wie jüngst gesche- prozess Beteiligten (Pflege, Apotheken, Rettungswesen etc.) wer- hen, Daten des direkt infizierten Computers und des angeschlos- den ebenfalls mit elektronischen Berufsausweisen ausgestattet senen Netzwerks hoch-verschlüsseln und diese Verschlüsselung werden, um die für diese Gruppe freigegebenen Daten in der digi- nur nach Zahlung eines „Lösegeldes“ wieder rückgängig gemacht talen Patientenakte einsehen und pflegen zu können. werden kann. Wobei natürlich immer noch das Risiko besteht, ob wirklich alle Daten uneingeschränkt wiederhergestellt werden Erst mit der elektronischen Patientenakte in einem vernetzten Ge- können. Ohne eine zuverlässige Sicherungsstrategie ist diesem sundheitswesen wird es möglich sein, dass alle behandlungsrele- Problem nicht oder nur sehr schwer beizukommen. Es wird also in vanten Gesundheitsdaten jederzeit und ortsunabhängig allen am Zukunft mehr als nötig sein, sich mit dem Schutz der Praxis- und Behandlungsprozess Beteiligten zur bestmöglichen Versorgung Krankenhausdaten intensiv auseinanderzusetzen, gerade in ge- des Patienten zur Verfügung stehen. Die heute noch existieren- meinsam agierenden Ärzte- und Kliniknetzen. Diesen kann durch den und historisch gewachsenen sogenannten „Sektorengrenzen eine solche Schadsoftware sogar plötzlich die Existenzgrundlage im Gesundheitswesen“ werden dann hoffentlich zum Wohle des entzogen werden. Patienten immer durchlässiger und letztlich verschwinden. Die digitale Vernetzung im Gesundheitswesen zur Verbesserung Intersektorale Zusammenarbeit der Patientenversorgung ist nicht mehr aufzuhalten und wird Beispielhaft für eine solch intersektorale Zusammenarbeit sei hier kommen. Der optimale Weg dahin ist allerdings noch nicht ge- das Fußnetz Bayern mit dessen Wunddokumentationsprogramm funden. Vielleicht trägt hierzu der Innovationsfonds bei, der im genannt (www.fussnetz-bayern.de), welches bei der Versorgung Versorgungsstärkungsgesetz für die nächsten vier Jahre ein jährli- chronischer Wunden allen am Behandlungsprozess beteiligten ches Fördervolumen von 225 Mio. Euro vorsieht, um Versorgungs- Ärzten, Kliniken und Pflegediensten durch den Zugang zur ge- strukturen mittels bekannter digitaler Technologien zu verbessern. meinsamen Dokumentation nicht nur eine Optimierung der Wund- versorgung, sondern auch ein beschleunigtes Antragsverfahren bei den Kostenträgern ermöglicht. Zur Person Dr. Lutz Reum ist Spezialist in Sachen Telemedizin. Er Telemonitoring beschäftigt sich seit 2004 mit den Themen E-Health, Der Patient, im Mittelpunkt des Behandlungsprozesses, wird in Telemedizin, Telematik-Infrastruktur und ist Mit-Heraus- Zukunft verstärkt von einem Behandlungsteam betreut werden, geber von verschiedenen Publikationen. Darüber hin- eingebunden in eine auf seine medizinischen Bedürfnisse abge- aus organisiert er federführend deutsche Kongresse zum stimmte ambulante und/oder stationäre Versorgung. Hierbei wird Thema. Wohnhaft in Hessen, ist er auch als Sprecher des der ambulanten Versorgung einschließlich des ambulanten Ope- E-Health-Aktionskreises Hessen der Initiative Gesund- rierens eine zunehmende Bedeutung zukommen, wenn nach dem heitswirtschaft-Rhein-Main tätig. ambulanten Eingriff der Patient telemedizinisch zu Hause weiter betreut werden kann. Als Beispiel sei hier die postoperative Wund- versorgung genannt, welche schon heute mittels Bild- oder Video- übertragung vom Patienten zum behandelnden Arzt in Form von Kontakt Telemonitoring in einigen Bereichen eingesetzt wird. Dr. Lutz Reum Geschäftsführer Voraussetzungen für diese sich zukünftig entwickelnde Versor- Connovis GmbH – gungslandschaft sind zum einen die schon beschriebene sichere Connecting Healthpartner Telematik-Infrastruktur und eine flächendeckende Breitbandver- 63179 Obertshausen sorgung, damit auch neue telemedizinische Versorgungsformen E-Mail: [email protected] den Patienten erreichen können. 01/16
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