Alles elektrisch! Ein Wegweiser für Haus und Gewerbe Preisgekrönte Bearbeitung von H. Zipp Ingenieur in Cöthen Neue, durchgesepene Auflage 81.-100. Tausend Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1912 ISBN 978-3-662-38747-4 ISBN 978-3-662-39634-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-39634-6 Spamersche lluchdruckerei in Leipzig Inhaltsübersicht. Seite I. Verbreitung und Wesen der Elektrizität 5-12 I. Der Elektrizität gehört die Gegenwart . 5 2. Was ist Elektrizität 1 . . . . . . • . . 7 3. Wie mißt und verrechnet man Elektrizität? 9 4. Die Gefahren des elektrischen Stromes 10 IJ. Die wichtigsten Verwendungsarten der Elektrizität und deren Kosten . . . . 13-23 1. Die elektrische Beleuchtung . . . . . 13 2. Der Elektromotor als vollkommenste An- triebsmaschine . . . . . . . . . . . I 6 3. Der Elektromotor als wirtRchnftlichsteKraft quelle . . . . . . . . . . . . . . . . 19 4. Das Kochen und Heizen mit Elektrizität . 20 111. Die Elektrizität ln der biirgerlfchen '\Voh nung . . . . . . . . . . . . . . . . 23-26 a} Beleuchtung, deren Betriebs- und Anlage- kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Die elektrische Küche und sonstige Heizvor richtungen . . . . . . . . . . . . . . . 25 c) Der Kraftbetrieb in Küche und Wohnung :.W IV. Die Elektrizität In Geschäftshäusern, Restaurants und Botels . . 26-30 a) Beleuchtung; Lichtreklame . . 26 b} Kraftbetrieb; Kraftwagen , 28 V. Elektrizität und Handwerk 30-35 a.) Bäckerei . . 31 b) Fleischerei • 32 o) Schreinerei . . 33 I• 4 Inhaltsü hersieht. Seite d) Schlosserei und Schmiede . . . . . . . 33 e) Andere Anwendungsmöglichkeiten des Mo- tors im Gewerbe . . . . . . . . . . . . 34 f) Betriebsvergrößerungen . . . . . . . . . 35 VI. Die Elektrizität in der Landwirtschaft, deren Wirtschaftlichkeit und Kosten 35-40 VII. Einige Ratschläge für Hausbesitzer und Bauunternehmer 40-41 Sn eh verzeichnis 42-43 I. Verbreitung und Wesen der Eie ktrizität. 1. Der Elektrizität gehört die Gegenwart. Unser heutiges Weltbild wird durch die Elektrizität wesentlich mitbestimmt; mit ungezählten Fasern und Fäserchen durchdringt sie unser privates, öffentliches und gewerbliches Leben, und ihre beispiellose Ent wicklung zeigt dem unbefangenen Beobachter die Grund· losigkeit der häufig gegen sie gerichteten Anfeindungen. Unser Zcit.alter ist gewohnt, alles von der wirt schaftlichen Seite zu betrachten; wenn aber die Ver wendung der Elektrizität nicht wirtschaftlich wäre, wie kommt es dann, daß in Stadt und Land die Zahl der Elektrizitätsverbraucher mit Riesen ichritten wächst? Unsere nach wirtschaftlichen Grundsätzen geleitete und deshalb hochstehende Industrie wäre ohne die aus gedehnte Verwendung elektrischer Beleuchtung und Kraftübertragung nicht denkbar; ja, erst durch die einfache Meßbarkeit der elektrischen Energie sind die Grundlagen für eine wirtschaftliche Kraftversorgung gegeben worden. Das Straßenbild unserer Städte hat durch die groß zügige Anlage elektrischer Beleuchtung und den Glanz im elektrischen Lichte erstrahlender Schaufenster ein vollkommen verändertes Aussehen erhalten. VIele Kleingewerbetreibende, die im Wettstreit mit den billiger arbeitenden Großbetrieben besonders vor sichtig in der Wahl ihrer Betriebsmittel sein müssen, 6 Schnelle Zunahme des Elektrizitätaverbrauches. haben ihre Dampfmaschinen und Gasmotoren durch Elektromotoren ersetzt. Sicherlich nicht aus kindlicher Freude am Elektromotor I In den kleinsten Städtchen und Dörfern, gewinnen die Glühlampe und der Elektromotor neue Freunde, dagPgen verliert die Petroleumbeleuchtung ständig an Boden, zum Vorteil unseres Volksvermögens. denn jährlich fließenaus Deutschland 83 Millionen 1\la.rk in die Ta3chen der ausländischen Be he rrscher des Petroleum mar ktes. Allenthalben in unserm Vaterland wird in länd lichen Kreisen der lebhafte Wunsch nach der Hilfe der Elektrizität laut und führt immer wieder zur Gründung neuer Elektrizitäts-Verwertungs Genossenschaften mit tatkräftiger Unterstützung durch Staat und Großkapital, zweier Helfer, deren Vorsicht und kühles Urteil niemand in Zweifel stellen wird. Außerordentliche Steigerung des Elek tri zi tä tsver brauch es. Die Zahl der öffentlichen Elektrizitätswerke ist in den Jahren 1894-1910 auf den achtzehnfachen Betrag, nämlich auf über 2700 gestiegen; die Zahl der Elektro motoren, die von öffentlichen Zentralen gespeist wer den. iRt in dPr gleichen Zeit mehr als 180 ma] größer geworden; sie Rtellt heute eine Gesamtleistung von etwa 1,2 Million Pferdestärken dar. Hierzu kommen noch die Triebmotoren der elektrischen Straßenbahnen mit über 400 000 Pferdestärken. Ein bekannter Gas fachmann schätzt die Zahl der in ganz Deutschland von öffent]ichen Gasanstalten gespeisten Gasmotoren auf 3-! 000 mit zusammen 175 000 Pferdestärken; dagegen Statistik des Elektrizitätsverbra.uches. 7 werden allein von den Berliner Elektrizitätswerken 30 000 Motoren mit einer Gesamtleistung von llO 000 Pferdestärken gespeist. Die Zahl der in Berlin vor handenen Gasmotoren ist in der Zeit von 1901 bis 1908 zurückgegangen von ca. ll60 auf 4 75 und deren Leistung von ca. 8700 Pferdestärken auf 7500 Pferde stärken. In den Jahren 1894-1910 ist die Zahl der von öffentlichen Werken gespeisten elektrischen Glüh lampen auf das zweiunddreißigfache (16 Millionen) und die Z~thl der Bogenlampen auf 271 000 gestiegen. Die Statistik lehrt ferner, daß die relative Zu nahme der Elektrizitätsversorgung in den letzten Jahren etwa viermal größer ist als d:e der Gasver sorgung. 2. Was ist Elektrizität? Elektrizität ist wahrscheinlich ein Stoff, allerdings in so feiner Verteilung, daß wir ihn mit unsern der grobsinnlichen Materie angepaßten Sinnen nicht e-r kennen können. Er ist infolge seiner Feinheit be fähigt, die meisten der uns bekannten Stoffe, also z. B. auch einen Kupferdraht zu durchdringen. Demnach ist der elektrische Strom als die Strömungserscheinur.g von Elektrizitätsmengen zu bezeichnen, die aus der Dynamomaschine, mit einem bestimmten Arbeits vermögen begabt, hinauswandern, den Leitungsdrähten folgen und durch die Fäden der Glühlampen oder die Wicklungen der Motoren sich hindurchzwängen. In der.. dünnen Fäden der Lampen stellt sich ihnen ein ver hältnismäßig großer Bewegungswiderstand entgegen, den sie überwinden müssen. Dabei erlahmt ihre Kraft mehr und mehr, und nachdem sie ihr ursprüngliches Arbeits- 8 Das Wesen der Elektrizität. verm5gen fast vollkommen verloren haben, verlassen sie den durch diesen Vorgang bis zur Weißglut sich erhitzenden und infolgedessen leuchtenden Faden. um durch den Rückleitungsdraht zu ihrer Ursprungsstelle, der Dynamomaschine. zurückzuwandern. Hier werden sie durch den geheimnisvollen Vorgang der Induktion mit neuem Leben und Arbeitsvermögen begabt. Ganz ähnlich spielt sich der Vorgang im Lichtbogen der Bogenlampen und in den Heizkörpern der Koch töpfe usw. ab. Wie bringt aber der elektrische Strom einen Motor zur Drehung? Jeder Motor stellt eine Anordnung von zwei Elektro magneten dar, von denen der eine feststeht, während der anderP, der sog. Anker, sich drehen kann. Wenn nun der Strom durch die Wicklungen der beiden Elektro magnete fließt, so werden beide magnetisch und unter der Wirkung der magnetischen Kräfte dreht sich der Anker. Hier wird also das Arbeitsvermögen der strömen· den Elektrizität durch ihre magnetische Kraftwir kung verbraucht. In allen Fällen ist für dieses Arbeitsvermögen neben der Strömung selbst maßgebend die sog. elektrische Spannung zwischen den Leitungen. Der Vo rgleich mit einer Dampfmaschine liegt nahe; im Kessel wird den kleinsten Wasserteilchen durch das Verdampfen ein bestimmtes Arbeitsvermögen erteilt, das sich in der Dampfspannung zu erkennen gibt und das in der Dampfmaschine und im Kondensator ab gegeben wird. Das kondem!ierte Wasser kann dem Kessel wieder zugeführt werden, um von neuem he ]e bt. zu werden. Die Messung der Elektrizität. 9 3. Wie mißt und verrechnet man Elektrizität1 Jede Arbeit muß bezahlt werden. so auch die Arbeit des Dampfes, die sich im Kohlenverbrauch zeigt, und die elektrischt> Arbeit. Wenn eine Dampfmaschine 10 Pferdestärken (PS) während 6 Stunden leistet, so hat sie eine Arbeit von 60 Pferdekraftstunden erzeugt. Der ihr während dieser Zeit zuströmende Dampf war mit dieser Arbeit begabt. Am richtigsten wäre es da her, die durch Vermittlung des Dampfes übertragene Arbeit von 60 PS-Stunde-n der Verrechnung zugrunde zu legen. Das ist aber schwierig, weil man keme einfachen Meßvorricbtungen hierfiir besitzt. Dap;egen besitzt die Elektrotechnik in den Elektrizitätszählern höchst voll kommene Arbeitsmesser, welche die den Stromver brauchern zugeführte elektrische Arbeit aufzeichnen. Aber das Maß der PS-Stunde eignet sich nicht hc sondf'rs für elektrische Arbeit, da diese nicht allein zu Kraftzwecken, sondern auch zur Lichterzeugung verwendet wird. l\Ian hat deshalb eine für elektro technische Berechnungen zweckmäßigere Einheit ge wählt. die Wattstunde, die der 736. Teil der PS Stunde ist. 1000 Wattstunden ergeben die J{llowatt stunde, fälschlich oft als ,.Das Kilowatt" bezeichnet. Ebenso hat man für die elektrische Spannung und für die Stärke der Strömung Maße eingeführt, nämlich das Volt und das Ampere, und es besteht der Zusam menhang, daß wenn ein Strom von 1 Ampere, unter dem Einfluß der Spannung von 1 Volt in irgendeinem Stromerzeuger zustande kommt, dieser Strom die Lei stung von 1 Watt (1 Kilowatt= 1 KW. = 1000 Watt) erzeugt. Und dieses Watt erzt•ugt, eine Stunde lang wir kend, die oben abgeleitete Arbeit einer Wattstunde.