Algebraische Topologie — WS 19/20 Sebastian Goette Inhaltsverzeichnis Einfu¨hrung 1 Kapitel 1. Kapitel 1 — Grundbegriffe 3 1.a. Metrische R¨aume 3 1.b. Topologische R¨aume 5 1.c. Trennungseigenschaften 8 1.d. Basen und Abz¨ahlbarkeitseigenschaften 10 1.e. Konstruktionen topologischer R¨aume 13 1.f. Kompaktheit 18 1.g. Zusammenhang 23 1.h. Quotienten und Verklebung 24 1.i. CW-Komplexe und topologische Mannigfaltigkeiten 27 1.j. U¨bungen zu Kapitel 1 36 Kapitel 2. Fundamentalgruppe und U¨berlagerungen 43 2.a. Homotopien und Homotopie¨aquivalenz 43 2.b. Die Fundamentalgruppe 46 2.c. Die Fundamentalgruppe der S1 50 2.d. Der Satz von Seifert-van Kampen 54 2.e. Die Fundamentalgruppe eines CW-Komplexes 62 2.f. U¨berlagerungen 66 2.g. Die universelle U¨berlagerung 71 2.h. U¨bungen zu Kapitel 2 74 Kapitel 3. Homotopiegruppen 79 3.a. H¨ohere Homotopiegruppen 79 3.b. Die lange exakte Homotopiesequenz eines Paares 84 3.c. Faserungen 88 3.d. Der Ausschneidungssatz 93 3.e. Der Satz von Brouwer und Hopf 97 3.f. Kofaserungen und Quotienten 102 3.g. Der Freudenthalsche Einh¨angungssatz 107 3.h. Stabile Homotopiegruppen 109 3.i. Gerahmter Bordismus 114 3.j. Die erste stabile Homotopiegruppe der Sph¨aren 121 3.k. U¨bungen zu Kapitel 3 125 Kapitel 4. Elementare Homotopietheorie 131 4.a. Adjungierte Funktoren, Limiten und Kolimiten 131 4.b. Eine angenehme Kategorie topologischer R¨aume 136 4.c. Das Exponentialgesetz 140 i 4.d. CW-Komplexe und der Satz von Whitehead 145 4.e. Modellkategorien 155 4.f. Faser- und Kofaser-Sequenzen 159 4.g. U¨bungen zu Kapitel 4 164 Kapitel 5. Homologie 169 5.a. Die Eilenberg-Steenrod-Axiome 169 5.b. Zellul¨are Homologie 176 5.c. Homologiefunktoren und Spektra 188 5.d. Das Eilenberg-Mac Lane-Spektrum 193 5.e. Die abgeleiteten Funktoren Tor und Ext 198 5.f. Das Moore-Spektrum und ein universelles Koffizienten-Theorem 205 5.g. Produktr¨aume und die Ku¨nneth-Formel 209 5.h. U¨bungen zu Kapitel 5 215 Kapitel 6. Kohomologie 221 6.a. Axiome fu¨r Kohomologiefunktoren 221 6.b. Der abgeleitete inverse Limes 223 6.c. Zellul¨are Kohomologie und ein universelles Koeffiziententheorem 226 6.d. Produkte 232 6.e. Spektren und Kohomologiefunktoren 237 6.f. Vektor- und Prinzipalbu¨ndel 240 6.g. Klassifikation von Prinzipalbu¨ndeln 245 6.h. Topologische K-Theorie 250 6.i. Bordismus 256 6.j. U¨bungen zu Kapitel 6 265 Kapitel 7. Ringspektra und Multiplikative Kohomologiefunktoren 269 7.a. Die stabile CW-Kategorie 269 7.b. Eigenschaften der stabilen Homotopiekategorie 274 7.c. Das reduzierte Produkt von Spektren 279 7.d. Ringspektren und Produkte 290 7.e. Allgemeine singul¨are Homologie und Kohomologie 295 7.f. U¨bungen zu Kapitel 7 298 Kapitel 8. Dualit¨at 303 8.a. Spanier-Whitehead-Dualit¨at 303 8.b. Orientierungen und Thom-Isomorphismen 308 8.c. Poincar´e-Dualit¨at 312 8.d. Eulerklasse und Gysin-Sequenz 317 8.e. Euler- und Lefschetzzahl 320 8.f. U¨bungen zu Kapitel 8 328 Literatur 331 Stichwortverzeichnis 333 ii Einfu¨hrung Bevor wir mit dem eigentlichen Stoff der Vorlesung beginnen, m¨ochte ich Ihnen ein paar Bei- spiele geben, zum einen Aussagen, die sich in der Sprache der Topologie formulieren lassen, zum anderenAussagenausanderenGebietenderMathematik,diesichabertopologischbeweisenlassen. NichtalledieseBeispielewerdeninderVorlesungtats¨achlichauftreten,weilsiezumTeiletwasmehr Hintergrundwissen brauchen — sei es topologisch, sei es aus einem anderen Gebiet der Mathematik — als wir in dieser Vorlesung lernen k¨onnen. 0.1. Beispiel. Sei Bn = (cid:8)x ∈ Rn (cid:12)(cid:12) |x| < 1(cid:9) die (offene) Einheitskreisscheibe, und sei Dn = (cid:8)x ∈ Rn (cid:12)(cid:12) |x| ≤ 1(cid:9) ihr Abschluss. Der Brouwersche Fixpunktsatz besagt: 0.2. Satz (Brouwer). Jede stetige Abbildung f: Dn → Dn der abgeschlossenen Einheitskreis- scheibe auf sich selbst hat mindestens einen Fixpunkt. Das heißt, es existiert x ∈ Dn mit 0 f(x ) = x . 0 0 Hierbei bedeutet stetig das gleiche wie in der Analysis. Vergleichen Sie diesen Satz mit dem Fixpunktsatz von Banach: 0.3. Satz (Banach). Sei X ein vollst¨andiger normierter Vektorraum, und sei F: X → X eine Abbildung zu der ein λ < 1 existiert, so dass (cid:107)F(x)−F(y)(cid:107) ≤ λ (cid:107)x−y(cid:107) (*) fu¨r alle x, y ∈ X. Dann hat F einen eindeutigen Fixpunkt. Wir vergleichen die S¨atze von Banach und Brouwer. (1) DerSatzvonBanachistinsofernallgemeiner,alsdaserfu¨rmehrR¨aumefunktioniert,denn derSatzvonBrouwergiltnurfu¨rgewisseTeilmengendesRn.Eristsch¨arfer,dennerliefert eineneindeutigen Fixpunkt.AußerdemliefertderBeweiseinVerfahrenzurapproximativen Bestimmung des Fixpunkts. (2) Der Satz von Brouwer ist insofern allgemeiner, als er mehr Abbildungen zul¨asst. Wir k¨onnten n¨amlich den Satz von Brouwer auch fu¨r Abbildungen F: Rn → Rn formulie- ren, so dass F(Dn) ⊂ Dn. Aus dem Banachschen Satz folgt ja unter anderem, dass der Einheitskreis um den Fixpunkt in sich abgebildet wird. Auf der anderen Seite kann eine Abbildung den Einheitskreis in sich abbilden, ohne dass sie die Lipschitz-Bedingung (*) erfu¨llt.DerBeweisdesBrouwerschenFixpunktsatzessagtunsallerdingsnicht,wiewirden Fixpunkt auffinden k¨onnen. 1 Die S¨atze sind also verschieden. Der Banachsche Fixpunktsatz ist ein metrischer“ Satz, w¨ahrend ” der Brouwersche Fixpunktsatz ein topologischer“ Satz ist. ” 0.4. Beispiel. Unter der n-dimensionale Einheitssph¨are verstehen wir die Menge Sn = (cid:8)x ∈ Rn+1 (cid:12)(cid:12) |x| = 1(cid:9) . Ein Einheitsvektorfeld auf der Sn ist eine stetige Abbildung V : Sn → Rn, so dass |V(x)| = 1 und V(x) ⊥ x . 0.5. Satz (vom Igel). Sei n gerade, dann existiert kein stetiges Einheitsvektorfeld auf Sn. Mit anderen Worten: ein gerade-dimensionaler Igel ohne Glatzpunkt l¨asst sich nicht k¨ammen (Igel lassen sich sowieso nicht k¨ammen — sie stellen ihre Stacheln auf, wenn man’s versucht). Auf der anderen Seite existiert solch ein Vektorfeld immer, wenn n ungerade ist. In diesem Fall identifizieren wir Rn+1 ∼= Cn+21 und setzen einfach V(x) = ix. 0.6.Beispiel. DasfolgendeBeispielistmitdemzweitenverwandt,auchwennmandasnichtauf den ersten Blick erkennen kann. Sei A eine Algebra u¨ber R, d.h., A ist ein reeller Vektorraum, und es existiert eine R-bilineare Multiplikationsabbildung ∗: A×A → A. Diese muss weder assoziativ noch kommutativ sein. Wir nennen A eine Divisionsalgebra, wenn zu jedem a ∈ A\0 ein a(cid:48) ∈ A existiert, so dass a(cid:48)∗(a∗b) = (b∗a)∗a(cid:48) = b fu¨r alle b ∈ A gilt. 0.7. Satz (Kervaire, Milnor). Die einzigen endlich-dimensionalen Divisionsalgebren u¨ber R sind R, C, H (die Quaternionen) und Ca (die Oktaven). Diesen Satz werden wir in der Vorlesung sicherlich nicht beweisen. Genau wie beim Fundamen- talsatz der Algebra handelt es sich hier um einen rein algebraischen Satz, der sich aber nur mit analytischen / topologischen Methoden beweisen l¨asst. Die Liste der algebraischen Resultate, die mit topologischen Methoden bewiesen werden, wird immer l¨anger. 2 KAPITEL 1 Kapitel 1 — Grundbegriffe Wir lernen in diesem Kapitel den Begriff des topologischen Raumes und der stetigen Abbildun- genkennen.AußerdemdefinierenwirnochzahlreicheEigenschaftenvontopologischenR¨aumenund Abbildungen, und beweisen ein paar kleine S¨atze, die wir in sp¨ateren Kapiteln ben¨otigen werden. Einiges sollte aus Analysis bekannt sein — zumindest im metrischen Fall. 1.a. Metrische R¨aume Wir erinnern uns kurz an die Definition von metrischen R¨aumen und stetigen Abbildungen im Sinne der Analysis. Wenn wir von einer Definition im Sinne der Analysis“ sprechen, meinen wir ” damit eine Definition, die mit fu¨r alle ε > 0 existiert ...“ beginnt. ” 1.1. Definition. Ein metrischer Raum ist ein Paar (X,d) aus einer Menge X und einer Ab- bildung d: X ×X → [0,∞], die (1) positiv ist, das heißt, d(x,y) = 0 genau dann, wenn x = y, (2) symmetrisch ist, das heißt, d(x,y) = d(y,x), und (3) die Dreiecksungleichung d(x,y)+d(y,z) ≥ d(x,z) erfu¨llt, jeweils fu¨r alle x, y, z ∈ X. 1.2. Beispiel. Es folgen einige einfache Beispiele von Metriken. (1) Z, Q, R und C, jeweils mit d(x,y) = |y−x|. (2) Jeder normierte Vektorraum (V,(cid:107)·(cid:107)) ist metrisch mit d(x,y) = (cid:107)y−x(cid:107). (3) Jede Menge M tr¨agt eine Metrik (cid:40) 0 falls x = y, und d(x,y) = 1 sonst. (4) Jede Teilmenge Y eines metrischen Raumes (X,d) ist wieder ein metrischer Raum mit der induzierten Metrik d| = d| . Y Y×Y Weitere Beispiele folgen in den U¨bungen 1.95 und 1.97. Sei (X,d) ein metrischer Raum, ε > 0 und x ∈ X. Der ε-Ball um x ist die Menge B (x) = {x(cid:48) ∈ X | d(x,x(cid:48)) < ε} . ε 1.3. Definition. Seien (X,d), (Y,d(cid:48)) metrische R¨aume. Eine Abbildung F: (X,d) → (Y,d(cid:48)) heißt stetig am Punkt x ∈ X, falls fu¨r alle ε > 0 ein δ > 0 existiert, so dass (cid:0) (cid:1) (cid:0) (cid:1) F B (x) ⊂ B F(x) . δ ε F heißt stetig, wenn F an allen Punkten x ∈ X stetig ist. Das ist genau die Definition, die Sie aus Analysis kennen. Wir erinnern uns an eine weitere Definition. Im folgenden bezeichne PX die Potenzmenge von X. Da wir es in der Topologie h¨aufig mit Mengen von Mengen — wie der Potenzmenge — zu tun haben, verwenden wir fu¨r solche Mengen kalligraphische Buchstaben, um sie zum Beispiel von Punktmengen zu unterscheiden. 3 1.4.Definition. Sei(X,d)einmetrischerRaum.EineTeilmengeU ⊂ X heißtoffenin X,wenn zu jedem x ∈ U ein ε > 0 existiert, so dass B (x) ⊂ U. Die Gesamtheit aller offenen Mengen O ⊂ ε d PX heißt die metrische Topologie. Sei x ∈ X, dann heißt eine beliebige Teilmenge V ⊂ X eine Umgebung von x, wenn es eine offene Menge U gibt mit x ∈ U ⊂ V. 1.5. Bemerkung. Die Offenheit einer Menge U h¨angt ab vom umgebenden Raum X und der gew¨ahlten Metrik d. So ist etwa die Menge [−π,π]∩Q offen in Q, aber nicht in R. 1.6. Bemerkung. Zu Definition 1.4 ¨aquivalent ist die folgende Charakterisierung offener und abgeschlossener Mengen in metrischen R¨aumen. Eine Teilmenge A ⊂ X ist genau dann abge- schlossen, wenn fu¨r jede Folge (a ) in A, die in (X,d) im Sinne der Analysis konvergiert, der i i Grenzwert lim a in A liegt. Eine Teilmenge U ⊂ X ist offen, wenn X \U abgeschlossen ist. i→∞ i Zur Erinnerung: zwei Normen (cid:107)·(cid:107) und (cid:107)·(cid:107)(cid:48) auf einem Vektorraum V heißen ¨aquivalent, wenn es Konstanten 0 < c, C < ∞ gibt, so dass c (cid:107)v(cid:107) ≤ (cid:107)v(cid:107)(cid:48) ≤ C (cid:107)v(cid:107) fu¨r alle v. Sei V ∼= Rn endlich dimensional, dann sind alle Normen ¨aquivalent. Auf unendlich- dimensionalen Vektorr¨aumen gibt es hingegen viele paarweise in¨aquivalente Normen, und entspre- chend viele verschiedene Topologien. 1.7. Bemerkung. Zwei Normen auf einem R- oder C-Vektorraum induzieren genau dann die gleiche Topologie, wenn sie ¨aquivalent sind. Begru¨ndung. Seien (cid:107)·(cid:107) und (cid:107)·(cid:107)(cid:48) ¨aquivalent. Aus 1 1 d(x,y) = (cid:107)y−x(cid:107) ≤ (cid:107)y−x(cid:107)(cid:48) = d(cid:48)(x,y) c c folgt B(cid:48) (x) ⊂ B (x), wobei B(cid:48) (x) einen Ball bezu¨glich d(cid:48) bezeichne. Somit enth¨alt jeder metrische cε ε cε Ballbezu¨glichd(cid:48)einenmetrischenBallbezu¨glichd(cid:48).DieumgekehrteBehauptungzeigtmangenauso. Hieraus folgt die Gleichheit der Topologien. Wir nehmen jetzt an, dass (cid:107)·(cid:107) und (cid:107)·(cid:107)(cid:48) die gleiche Topologie induzieren. B¨alle B (x) ⊂ V sind r offen, denn fu¨r jeden Punkt y ∈ B (x) folgt B (y) ⊂ B (x) aus der Dreiecksungleichung. r r−(cid:107)x−y(cid:107) r Insbesondere ist B (0) ⊂ V offen. Da (cid:107)·(cid:107)(cid:48) die gleiche Topologie induziert, existiert r > 0, so dass 1 der (cid:107)·(cid:107)(cid:48)-Ball B(cid:48)(0) vom Radius r um 0 in B (0) enthalten ist. Aus (cid:107)x(cid:107)(cid:48) < r folgt also (cid:107)x(cid:107) < 1, r 1 und mit c = 1 erhalten wir daraus r c (cid:107)v(cid:107) ≤ (cid:107)v(cid:107)(cid:48) fu¨r alle v ∈ V. Die andere Ungleichung folgt entsprechend. (cid:3) Wir wollen jetzt zeigen, wie man Stetigkeit auch definieren kann, wenn man nicht die Metrik kennt, sondern nur ihre offenen Mengen. 1.8. Satz. Seien (X,d) und (Y,d(cid:48)) metrische R¨aume. Eine Abbildung F: (X,d) → (Y,d(cid:48)) ist genau dann stetig, wenn die Urbilder aller offenen Teilmengen von Y in X wiederum offen sind. Zusammen mit Bemerkung 1.7 folgt, dass die Stetigkeit einer Abbildung F: (V,d) → (W,d(cid:48)) zwischen zwei normierten Vektorr¨aumen nur von den A¨quivalenzklassen der Normen d und d(cid:48) abh¨angt. Dieses Faktum ist aus Analysis bekannt. Beweis. Wir nehmen an, dass F stetig ist im Sinne von Definition 1.3. Sei V ⊂ Y offen, und sei x ∈ F−1(V) ⊂ X beliebig. Da V offen ist, existiert ein ε > 0, so dass B (F(x)) ⊂ V. Aufgrund ε der Stetigkeit von F existiert ein δ > 0, so dass F(B (x)) ⊂ B (F(x)) ⊂ V gilt, insbesondere δ ε folgt B (x) ⊂ F−1(V). Da x beliebig war, ist also F−1(V) offen in X. δ 4 Wir nehmen jetzt an, dass Urbilder offener Mengen offen sind. Seien jetzt x ∈ X und ε > 0 beliebig vorgegeben. Da der Ball B (F(x)) in Y offen ist, ist auch U = F−1(cid:0)B (F(x))(cid:1) offen in X, ε ε und natu¨rlich liegt x in U. Also existiert ein δ > 0, so dass B (x) ⊂ U gilt. Es folgt F(B (x)) ⊂ δ δ B (F(x)). Da x und ε beliebig waren, ist F also stetig im Sinne von Definition 1.3. (cid:3) ε 1.b. Topologische R¨aume Wir erinnern uns an die Defition topologischer R¨aume und stetiger Abbildungen aus der Ana- lysis. 1.9. Bemerkung. Sei (X,d) ein metrischer Raum, und sei O die von d definierte Topologie d auf X. (1) Die leere Menge ∅ und X selbst sind nach Definition 1.4 offen, geh¨oren also zu O. (2) seien U , ..., U offen, und sei x ∈ U ∩···∩U . Da die U offen sind, existieren ε > 0, so 1 k 1 k i i dass B (x) ⊂ U . Sei ε = min(ε ,...,ε ), dann ist ε > 0, und es gilt B (x) ⊂ U ∩···∩U . εi i 1 k ε 1 k Da x beliebig war, ist U ∩···∩U also wieder offen. 1 k (3) Sei U ⊂ O eine beliebig grosse Ansammlung offener Mengen. Sei d (cid:91) (cid:91) x ∈ U = U , U∈U dannexistiertalsoeinU ∈ U,sodassx ∈ U.DaU offenist,existiertε > 0,sodassB (x) ⊂ ε (cid:83) (cid:83) U ⊂ U. Da x beliebig war, ist U also wieder offen. Wir benutzen diese drei Beobachtungen u¨ber O , um den allgemeinen Begriff einer Topologie d zu definieren. 1.10. Definition. Sei X eine Menge. Eine Topologie auf X ist eine Teilmenge O der Potenz- menge PX mit folgenden Eigenschaften. (1) Die leere Menge ∅ und X selbst liegen in O. (2) Seien U , ..., U ∈ O, dann liegt auch U ∩···∩U ∈ O. 1 k 1 k (cid:83) (3) Sei U ⊂ O, dann liegt auch U in O. Ein topologischer Raum ist ein Paar (X,O) aus einer Menge X und einer Topologie O auf X. 1.11. Beispiel. Sei (X,d) ein metrischer Raum, dann definiert O nach Bemerkung 1.9 eine d Topologie auf X. Umgekehrt heißt eine Topologie O auf X metrisierbar, wenn es eine Metrik d auf X gibt, so dass O = O . Die meisten topologischen R¨aume, denen wir sp¨ater begegnen, wer- d den metrisierbar sein. Dennoch gibt es interessante und wichtige topologische R¨aume, die nicht metrisierbar sind. 1.12. Beispiel. Sei X eine beliebige Menge. Wir definieren zwei“triviale“ Topologien auf X. (1) Sei O = PX, dann ist jede Teilmenge von X offen bezu¨glich O . Wir nennen O die δ δ δ diskrete Topologie auf X. Die diskrete Topologie wird von der Metrik aus Beispiel 1.2 (3) induziert. (2) Das andere Extrem ist O = {∅,X} ⊂ PX. Diese Topologie heißt Klumpentopologie K (indiskreteTopologie).DieseTopologieistnurmetrisierbar,wennX h¨ochstenseinenPunkt enth¨alt, wie wir sp¨ater sehen werden. Die Topologie ist die Menge aller offenen Teilmengen. Wir definieren entsprechend die Begriffe Umgebung“ und abgeschlossene Menge“ wie gehabt. ” ” 1.13. Definition. Sei (X,O) ein topologischer Raum. Eine Teilmenge U ⊂ X heißt offen bezu¨glich O, falls U ∈ O. Sei x ∈ X und V ⊂ X mit x ∈ V, dann heißt V eine Umgebung von x 5 bezu¨glich O, falls es eine offene Menge U ∈ O gibt, so dass x ∈ U ⊂ V gilt. Sei A ⊂ X, dann heißt A abgeschlossen bezu¨glich O, falls das Komplement X \A offen ist. 1.14. Definition. Sei (X,O) topologischer Raum, und sei Y ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Das Innere Y˚ von Y ist die gr¨oßte offene Teilmenge von X, die ganz in Y enthalten ist. Der Abschluss Y von Y ist die kleinste abgeschlossene Teilmenge von X, die Y enth¨alt. Der Rand von Y ist die Menge ∂Y = Y \Y˚. 1.15. Bemerkung. Sei (X,O) topologischer Raum, und sei Y ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Es gilt (cid:91) (cid:92) Y˚ = U und Y = A . U∈O X\A∈O U⊂Y A⊃Y Die erste Menge ist offen nach Definition 1.10 (3). Fu¨r die zweite zeigt man analog, dass das Komplement abgeschlossen ist. Ausserdem ist X \Y = X \Y˚ , (X \Y)◦ = X \Y , und ∂(X \Y) = ∂Y . 1.16. Beispiel. Das Innere und der Abschluss einer Menge h¨angen vom umgebenden Raum und seiner Topologie ab. Sei V = [−π,π]∩Q, dann gilt in Q : V˚ = V , V = V , ∂V = ∅ , und in R : V˚ = ∅ , V = [−π,π] , ∂V = [−π,π] . Falls es klar ist, von welcher Topologie O auf X wir reden, lassen wir den Zusatz bezu¨glich O“ ” in der Regel weg. Wir haben in Satz 1.8 ein topologisches“ Kriterium fu¨r die Stetigkeit von Abbil- ” dungen zwischen metrischen R¨aumen kennengelernt. Wir erheben dieses Kriterium zur Definition. 1.17. Definition. Eine Abbildung F: (X,O ) → (Y,O ) zwischen topologischen R¨aumen X Y heißt stetig genau dann, wenn Urbilder offener Mengen offen sind, wenn also F−1(U) ∈ O fu¨r X alle U ∈ O . Es bezeichne C(X,Y) die Menge aller stetigen Abbildungen von X nach Y. Y Wenn eine stetige Abbildung F: (X,O ) → (Y,O ) bijektiv ist und F−1: (Y,O ) → (X,O ) X Y Y X ebenfalls stetig ist, heißt F ein Hom¨oomorphismus. 1.18. Beispiel. (1) Nach Satz 1.8 sind Abbildungen zwischen metrischen R¨aumen genau dann im topologischen Sinne stetig, wenn sie im metrischen Sinne stetig sind. (2) Seien (X,O ), (Y,O ) topologische R¨aume, und sei y ein Punkt in Y. Die konstante X Y 0 Abbildung F: (X,O ) → (Y,O ) mit F(x) = y fu¨r alle x ∈ X ist immer stetig, denn X Y 0 fu¨r jede offene Menge U ⊂ Y gilt (cid:40) ∅ ∈ O falls y ∈/ U, und F−1(U) = X 0 X ∈ O falls y ∈ U. X 0 1.19. Bemerkung. Seien (X,O ), (Y,O ), (Z,O ) topologische R¨aume. X Y Z (1) Die Identit¨at id : (X,O ) → (X,O ) auf X mit id (x) = x fu¨r alle x ∈ X ist immer X X X X stetig, denn fu¨r alle U ∈ O gilt X id−1(U) = U ∈ O . X X (2) Seien F: (X,O ) → (Y,O ) und G: (Y,O ) → (Z,O ) stetige Abbildungen, dann ist X Y Y Z auchG◦F: (X,O ) → (Z,O )stetig.Sein¨amlichU ⊂ Z offeninZ,dannistG−1(U)offen X Z inY,undsomitistF−1(cid:0)G−1(U)(cid:1)offeninX.Daalso(G◦F)−1(U) = F−1(cid:0)G−1(U)(cid:1) ∈ O X fu¨r alle U ∈ O , ist G◦F stetig. Z 6
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