QD 911 OSTWALD'S KLASSIKER S48 R EXAKTEN WISSENSCHAFTEN. Nr.155. UC-NRLF $B 182 537 ABHANDLUNGEN ZUR KRISTALLOGRAPHIE VON QUINTINO SELLA S E A WILHELM ENGELMANN IN LEIPZIG . Abhandlungen zur Kristallographie. Von Quintino Sella. Herausgegeben von F. Zambonini in Neapel. DIAHAR Mit 8 Figuren im Text. Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1906. WXXXXXXXXXX V [45] Über das Verknüpfungsgesetz der Kristallformen einer Substanz.") 1. Die Beziehung der verschiedenen Kristallformen, die eine Substanz zeigen kann, wenn man die Polymorphiefälle nicht berücksichtigt, wurde bis jetzt entweder durch die Achsen, auf die jede Fläche bezogen wird, oder durch die Zonen des Kristallsystems ausgedrückt. Der Zweck dieser Abhandlung ist, einen neuen Ausdruck dieses Gesetzes bekannt zu machen, sowie die Herleitung einiger für die theoretische und praktische Kristallographie wichtigen Schlüsse, aus den neuen oder aus den alten Ausdrücken durch Methoden, die von anderen nicht erforscht wurden2). 2. Das Gesetz der Achsen kann man wie folgt zusammen fassen: Es seien alle Kristallformen einer Substanz in geeigneter Weise geordnet, und seien die Durch schnittslinien drei oder mehrerer beliebiger Flächen als Achsen angenommen, so werden zwei andere be liebige Flächen die Achsen in solchen Entfernungen von ihrem gemeinsamen Anfang schneiden, daß ihr Quotient zu den Quotienten der analogen, auf jede der anderen Achsen gemessenen Entfernungen in rationalem Verhältnisse steht. Nehmen wir die Durchschnittslinien dreier gegebenerFlächen als Achsen und die Entfernungen der Punkte, in denen solche Achsen von einer vierten beliebigen Fläche durchschnitten werden, vom Koordinatenanfang, alsParameteran, so genügt es, um dieses Gesetz in aller Allgemeinheit experimentell zu be weisen, zu untersuchen, ob jede andere Fläche des Kristall systems in bezug auf sie das oben erwähnte Gesetz befriedigt. Ist das der Fall, so kann man geometrisch beweisen, daß das 1* 4 Quintino Sella. Gesetz auch gültig sein wird, wenn man die Durchschnittslinien anderer beliebiger Flächen als Achsen und die Entfernungen der Punkte, in denen eine andere beliebige Fläche solche Achsen schneidet, vom Anfangspunkte als Parameter annimmt. 3. AlsBeobachtungstatsache setzen wir voraus, daß eine Kristallfläche in irgend einem Punkte des Raumes verschoben werden kann, ohne daß ihre kristallographische Lage beein flußt wird, sobald sie sich selbst parallel bleibt. Seien X, Y, Z drei recht- oder schiefwinklige Achsen, aus dem Zusammentreffen dreier gegebener Flächen entstanden; die Gleichung einer vierten, auf sie bezogenen Fläche kann X Y + + 1 a b с sein, wo a, b, c irrational sein können. Die Gleichung jeder anderen Fläche, die wir, dem im 2. Art. ausgedrückten Gesetze gehorchend, annehmen, müßte von der Form ( )+ (%) + (*) = h e sein, wo h, k, l rationale Zahlen bedeuten, während ebeliebig irrational sein kann. [46] Setzen wir in der vorstehenden Gleichung a'; y = y'; = z', a b с d. h. nehmen wir a als Maßstab auf der X-, b auf der Y-, c auf der Z -Achse an, so wird sie (A) hu' + ky' + 1x' = e. Für eine gegebene Fläche des Kristallsystems sind h, k, 1 Zahlen, deren Verhältnisse bestimmt und rational sind; e ist unbestimmt und kann rational, irrational und gleich Null sein. Nach Whewell und Miller bezeichnen wir mit dem Symbol hkl die Fläche, deren Gleichung (A) ist. 4. Seien nun hkl, h'k'l' zwei Flächen, deren Durchschnitts linie AB ist; diese Kante sei in A durch die Fläche mnp, in B durch die Fläche m 'n'p' begrenzt und in 1 von der Fläche m "n"p" geschnitten. Es wird AM Om ' -- Oa' AB OV- Oa' Über dasVerknüpfungsgesetzder Kristallformen einer Substanz. 5 sein, und die Werte von Oa', Om ', Ob' könnte man aus den X-Werten ableiten, die die zwei ersten Gleichungen befriedigen; wir schreiben sie so hin, daß wir sie mit den drei letzten nach und nach gleichzeitig bestehend annehmen. hat'+ky' + Iz' =l, Z h'x' + k'y' + 1x = ', mac'+ ny' + px' = f, m 'x'+n'y'+p'x' = f', m "d'+ n'y'+ p"z' = f". B. Aber auch ohne diese Glei chungen aufzulösen, bemerkt Ola man, daß wir die berücksich tigten Flächen sich selbst par allel verschieben können, so daß e, e', f, f', f" rational werden: AM wir schließen, daß in sol AB chemFall einrationalerQuotient Fig. 1. sein wird. AM' Ebenso rational wäre das Verhältnis der Segmente, AB' die von denselben Flächen m ' n'p', m " n" p" auf einer zweiten durch A gehenden Kante AB' des Kristallsystems bestimmt sind. Und umsomehr wird AM AM' rational sein; dieses AB'AB' Verhältnis wird auch rational bleiben, wenn man die Flächen m'n'p',m "n"p”parallel zu sich selbst beliebig verschiebt, was zu beweisen war. B Dㅌ 5. Man kann dasselbe elementar beweisen, unter Anwendung einiger Eigen 6 schaften des Dreiecks, die zumTheorem des Ptolemäus gehören. Wird ein Dreieck ABC Fig. 2. durch eine Sekante ge schnitten, so sind die Segmente, die sie auf den Seiten bildet, in Involution, nämlich aB bC CA ac*LAA ccB = 1 6 Quintino Sella. [47] und daher, wenn die Verhältnisse der Segmente auf zwei Seiten rational sind, muß auch das Verhältnis der Segmente der dritten Seite rational sein. Auch ist es leicht einzusehen, daß, wenn zwei gerade Linien Aa, Bb von zwei Ecken eines Dreiecks gezogen werden, so daß die gegenüberliegenden Seiten in Segmente geteilt werden, deren B aB bA a Verhältnisse und rational ac bc Oa 06 .C sind, auch dieVerhältnisse ОА? ОВ A b der Teile rational sein müssen, in Fig. 3. denen die gezogenen Linien sich gegenseitig teilen. Sei nun MNPeine Fläche, die die drei Achsen in den Punkten M, N, P durchschneidet, und M'N'P eine zweite Fläche, die durch denselben Punkt P geht, wie die erste. Die Z OM' ON' Verhältnisse und OM ON P werden rational sein, und pul MQ daher auch MN Wenn wir durch N eine dritte Fläche M "NP" gehen lassen, die den Durchschnitt der zwei vorstehenden PQ in R berührt, so wird auch N " MO' rational sein. Hieraus MP PR ergibt sich weiter, daß PQ ebenso rational ist. Man ziehe nun durch N Fig. 4. eine andere Fläche, die PQ in R' berührt, so wäre auch PR PR' rational und daher auch W. z. b. w. PQ PR ' 6. Bei Kristallzeichnungen und bei Anfertigung der Kristall modelle muß man auch die absolute Entfernung berücksichtigen, in denen die Flächen die Achsen durchschneiden müssen. In diesem Falle handelt es sich nicht nur um den Bau von Über das Verknüpfungsgesetz der Kristallformen einer Substanz. 7 Polyedern, deren Kantenwinkel die des Kristalls, den man darstellen will, sind,sondern auch um die Tatsache, daß man ihnen eine Form geben muß, die sich soviel als möglich der des Kristalls selbst nähert. Naumann hat in seiner sehr vollständigen Kristallographie*) diese Aufgabe durch eine Reihe Auflösungen behandelt, die jedem Kristalltypus und jeder seiner einfachen Formen eigen sind. Er sucht die absoluten Längen der geschnittenen Kanten und der Segmente, die auf ihnen gemacht werden, aber die Auflösung der Aufgabe ist dadurch wegen der oft sehr kom plizierten Wurzeln , die am Ende der Rechnung immer ver schwinden, erschwert. Nach dem 4. Art. hat man eine sehr einfache Auflösung dieser Aufgabe, die von jeder Wurzel frei, allen Kristalltypen gemeinsam ist und sich nicht nur auf die ein fachenholoedrischen,hemiëdrischenodertetartoedrischenFormen, sondernauch auf alle denkbarenFlächenkombinationen ausdehnt. 7. Man habe wie im 4. Art. die Kante AB, die den zwei Flächen hkl, i'k'l' gebildet und in A durch die Fläche mnp, in B durch die andere Fläche m'n'p' begrenzt und in M von m "" p" geschnitten wird. [48] Schreiben wir von neuem Z die Gleichungen dieser Ebenen hin: hx' + ky' + 1x = e , hz + k y + z = eº, mx'+ny' + pz' = f, A m 'x'+n'y' +p'x' = f', m "x'+ n"y'+ p"z' = f". Setzt man nun х h k l P = kl -kl x h' k'I' h'k'I' P = k'p - nl Х тпр тпр Y P " = nl –kop Х Fig. 5. h k l und bedeuten P, P" und P1,P die zu P' und P ' analogen Zahlen, die man durch Einsetzen von m'n'p' und m"n"p" für *) Naumann, Lehrbuch derKristallographie. Leipzig 1830. 8 Quintino Sella. mnp erhält, so erhalten wir für die Abszissen der Punkte A, B und M fP + ep + eP" X = mP + hP' + h'P" ? fP'+ 'P' + e'P", X'= m'P+hP; + h' P" ? f"P+eP, + e'P. X ": m "P + hP:, + h'P.. und endlich AM X " X AB X' – X haben. Manchmal ist X = X'= X ". In diesem Falle wird man AM Y" – Y Z" - Z AB Y' Y Z' - Z nehmen, wo fQ + eQ' + e'Q" Y = nQ + kQ' + k'Q" usw. fR + eR ' + ' R " Z pR + IR' + l'R" usw. h k 1 h ih' l'h usw. XХ h' k' l'h' h k l R = hk' — h'k usw. X h'ר: ןי' 8. Die Formeln des vorstehenden Artikels liefern eine sehr leichte Auflösung folgender Aufgaben: 1) Auf einergegebenen Zeichnung oder einem Kristallmodell einen einer neuen Fläche entsprechenden Schnitt zu bestimmen. In diesem Falle sind die Zahlen e, e, f, f' von der schon vorliegenden Konstruktion des Modells oder der Zeichnung ge geben: f" ist willkürlich, und man kann der Einfachheit wegen f" = 1 setzen. [49] 2 Die reziproken Entfernungen der verschiedenen Flächen des Modells so zu ordnen, daß die entstehende Form als passendste erscheine. In diesem Falle bestimmt man die Zahlen ee'ff'f" usw. durch so viel Bedingungen, als die Figur, die das Modell zeigen soll, fordert. Häufig laufen verschiedene Über das Verknüpfungsgesetz der Kristallformen einer Substanz. 9 Flächen in einem Punkt zusammen, daß mehrere Kanten gleich weit voneinander abstehen, und ähnliches: wenden wir auf diese Fälle die Formel des 7. Art. an, so können wir die wieder holten und lästigen Versuche vermeiden, auf die man bei der Zeichnung und bei der Konstruktion von Modellen sehr kom plizierter Kristalle stößt. 3) Wenn das Symbol einer Fläche in bezug auf drei Achsen gegeben ist, das in bezug auf drei oder mehrere neue Achsen zu finden, als Durchschnitte dreier oder mehrerer gegebener Flächen*). Die Auflösung dieser Aufgabe kann als Spezial fall der ersten betrachtet werden3). 9. Das Zonengesetz ist folgendes: Jede Kristallfläche ist zu zwei oder mehreren Kanten parallel, die im Kristall schon vorhanden oder möglich sind. Sind vier Flächen gegeben4), so schneiden sie sich in sechs Zonen, die auf Grund des in Rede stehenden Gesetzes drei neue mögliche Flächen liefern. Der Durchschnitt jeder dieser neuen Flächen mit den schon vorhandenen gibt zu einer neuen Reihe möglicher Flächen Veranlassung, und wenn wir dies ohne Ende fortsetzen, entstehen aus den vier gegebenen Flächen alle möglichen Formen des Kristallsystems. Übrigens ist die Identität dieses Gesetzes mit dem des 2. Art. leicht einzusehen. Seien hkl, i'l'l' zwei mögliche Flächen des Kristallsystems, so werden die Gleichungen ihres Durchschnitts, den wir als durch den Koordinatenanfang gehend, annehmen, 7 x y' z hki hki XXX kl – k'i il' — l'h hk' - hl h'k'l' h'k'l' sein und daher mit allen Koeffizienten rational. Man schließt daraus, daß die Gleichungen der möglichen Kanten oder Zonen eines Kristallsystems rationale Koeffizienten besitzen. *) Die Aufgabe der Transformation der Achsen wurde von Herrn de Sénarmont in einer Autographie seiner Vorlesungen an der Bergschule Paris sehr elegant behandelt. Démonstration de quelques formules d'une application fréquente dans les calculs cristallographiques. 1 Février. Dort werden nicht nur, wie bier, die Symbole der Flächen in bezug auf die neuen Achsen betrachtet, sondern auch die Winkel, die letztere unter sich bilden, und die Länge der angenommenen Parameter. 10 Quintino Sella. Seien nun x' %' r S t x' y' - t' S die Gleichungen von zwei beliebigen möglichen Kanten oder Zonen, die wir nach Miller durch die Symbole [rst], [r's't'] darstellen: die Gleichung der ihnen parallelen Ebene wird rst post (sť — s't)z'+ (tr' — t'r)y'+ (rs'— o's)z' = 0 XXX r's't' r's't' z sein können und wird daher einer möglichen Fläche ent sprechen, da rstr's't' sämtlich rational sind. Р (50)10. DieWichtigkeitdes Zonengesetzesundseine außer ordentliche Nützlichkeit in der praktischen Kristallographieist von allen modernen Kristallo X graphenhervorgehobenworden. Wir werden nur bemerken, daß NO man mit der elementarstenGeo metrie die Bedingung aus drücken kann, die die Flächen N" derselbenZone verbindet. Las Y sen wir durch einen Punkt P, Fig. 6. der so gewählt ist, das OP=1 ist, drei Flächen gehen, und nehmen wir an, daß sie die Zone PQ gemeinsam haben, so wird man z. B. OM= p ON = P m n p' p' OM' ON'= m' n OM " = p" ; ON" p" m ' n" haben. Die Geraden MN, M'N', M " N " müssen sich nun in