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Zur Konstruktion sozialer Ordnungen des Alter(n)s PDF

233 Pages·2001·9.07 MB·German
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Zur Konstruktion sozialer Ordnungen des Alter(n)s Reihe Alter(n) und Gesellschaft Herausgegeben von Gertrud M. Backes Wolfgang Clemens BandS Gertrud M. Backes Wolfgang Clemens Klaus R. Schroeter (Hrsg.) Zur Konstruktion sozialer Ordnungen des Alter(n)s Leske + Budrich, Opladen 2001 Gedruckt auf säurefreiem und alters beständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. ISBN 978-3-8100-3276-8 ISBN 978-3-322-97547-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97547-8 © 2001 Lcske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vcrvielfaltigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung lind Verarheitung in elektronischen Systemen. Inhaltsverzeichnis Gertrud M. Backes, Wolfgang Clemens und Klaus R. Schroeter Zur Konstruktion sozialer Ordnungen des Alter(n)s ................ ...................... 7 Klaus R. Schroeter Lebenslagen, sozialer Wille, praktischer Sinn .................. ................ ........... 31 Udo Kelle Gesellschaftliche Probleme des Alter(n)s zwischen Mikro-und Makroebene - Zur Methodologie alter(n)ssoziologischer Erklärungen ...... 65 Peter Schimany Alter und Altern aus bevölkerungs soziologischer Perspektive - Anmerkungen zur Konzeptualisierung einer Soziologie des Alter(n)s ..... 81 Laszlo A. Vaskovics Alter(n) aus der Perspektive der Familiensoziologie ................................... 97 Ursula Dallinger Die Konstruktion des "guten" Generationenverhältnisses - Semantiken und Akzeptanzgrundlagen des Rentensystems .............. ...... 119 Shingo Shimada, Stefan Blüher, Manfred Stosberg und Christian Tagsold Öffentlichkeit im Wandel: Die Einführung der Pflegeversicherung in Japan und Deutschland .......................................................................... 143 Olafvon dem Knesebeck und Volker Hüjken Soziale Ungleichheit, soziale Kontakte und soziale Partizipation im Alter ..................................................................................................... 169 6 Inhaltsverzeichnis Andreas Motel-Klingebiel Lebensqualität und Ungleichheit im Alter ................................................. 187 Heidrun Mollenkopj Technik - ein "knappes Gut"? Neue soziale Ungleichheit durch unterschiedliche Zugangs-und Nutzungschancen im Alter ..... ....... ... ..... ... 223 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren .... ....... ......... ....... ...... ... ........ ...... 239 Zur Konstruktion sozialer Ordnungen des Alter(n)s Gertrud M. Backes, Wolfgang Clemens und Klaus R. Schroeter 1. Einleitung "Die Soziologie folgt in ihrer Thematik den Einwirkungen des sozialen Strukturumbruchs, sie folgt den Problematisierungen und Verunsicherungen, die aktuell werden in der Entste hung der neuen epochalen Sozialstruktur, .... Hierin ist die intensive Entwicklung sowohl einer Alterswissenschaft überhaupt als auch einer speziellen Soziologie des Alters begrün det." (Schelsky [1959] 1965, S. 200) " ... die ständig steigernde Intensität der struktursoziologischen Altersforschung - die den konkreten praktischen Problemen dabei durchaus nicht aus dem Wege geht -, deutet be reits darauf hin, daß die allgemeine Altersproblematik, wie sie zu allen Zeiten bestanden hat, in der Gegenwart eine besondere Artikulation in der Struktur der Gesamtgesellschaft erfahren hat und zu einem allgemeinen sozialen Problem geworden ist ..... Diese Lage der soziologischen Altersforschung scheint es uns erforderlich zu machen, einmal unabhängig von daseinsfürsorgerischen und damit sozialpolitisch praktischen Zielen Ort und Rolle des Alters im Gefüge der modemen Gesellschaft zu bestimmen." (Tartler 1961, S. 15f.) Was Helmut ScheZsky vor über 40 Jahren nach Konfrontation mit den For schungsergebnissen seines damaligen Mitarbeiters Rudolf TartZer (1961) als Teil der "neuen epochalen Sozialstruktur" identifiziert und ihn zur Begrün dung einer speziellen "Soziologie des Alters" führt, ist im Vergleich zur heu tigen und prognostizierten Entwicklung einer gesellschaftlichen Alterung und eines Wandels gesellschaftlicher Strukturen lediglich als schwacher "Vor bote" zu sehen. Demografischer Wandel und Veränderungen der Alters struktur - schon damals von Franz-Xaver Kaufmann (1960) sozialpolitisch als "Überalterung" (!) gefasst - haben sowohl die Sozialstruktur der Gesell schaft als auch die Binnenstrukturen des sog. ,,Alters" seit diesem Zeitraum nachhaltig verändert. Seit längerer Zeit wird deutlich: Der gesellschaftliche Strukturwandel hat zu einem radikal gewandelten Verhältnis zwischen Alter(n) und Gesellschaft geführt. Alter wird zunehmend sozial bestimmt, ist zur sozialen Konstruktion geworden. Unsere Gesellschaft steht vor der Herausforderung, neue soziale Ordnungen und Vergesellschaftungs weisen des Alter(n)s zu entwickeln (Ba? ?c kes 1997). Die Lebensphase Alter ist sozial strukturell kein eindeutig konturierter und von den anderen Lebensphasen abgegrenzter Bereich mehr. 8 Gertrud M. Backes, Wolfgang Clemens und Klaus R. Schroeter Thre Binnenstrukturierung ist vielfach klarer konturiert als ihre Differenz nach außen gegenüber dem mittleren Lebensalter. Einfache gesellschaftliche Kon struktionen des ,,Alters" (etwa Alter gleich Ruhestand) dienen zwar weiterhin als grobe Orientierung. Die empirische und theoretische Gestalt des Alters und des Alterns (auch im sog. Alter) hat sich jedoch derart ausdifferenziert, dass die Suche nach neuen Konstruktionen des Alters - im Kontext neuer Konstruktionen des Altems - nicht nur unablässig postuliert wird, sondern individuell wie gesellschaftlich, privat wie politisch längst begonnen hat. Deshalb muss generell gefragt werden, welchen Beitrag die Soziologie - als Wissenschaft von der Vergesellschaftung des Menschen und der Entstehung, Entwicklung und Bedeutung wie Wirkung sozialer Konstruktionen - zur Beschreibung, Erklärung und Strukturierung dieses Prozesses leisten kann. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob eine neue Vergesellschaftungskon struktion des Alters ansteht, sinnvoll und möglich sein wird oder ob sich eher mehrere, variable Vergesellschaftungsmodelle herauskristallisieren werden und der heutigen und absehbaren Empirie der Lebenslagen und Lebensweisen des Alter(n)s eher entsprechen werden. 2. Alter(n) im Kontext gesellschaftlichen Wandels Soziale Ordnungen des Alter(n)s sind in zunehmendem Maße im Kontext der Entwicklung des Zusammenhangs von ,,Alter(n) und Gesellschaft" zu fassen (Backes 1997; Clemens, Backes 1998). Alter und Altern selbst stellen ein zentrales Element des modernen Strukturwandels der Gesellschaft dar und werden als solche wiederum von der Modernisierung der Gesellschaft ent scheidend geprägt. Insofern sind die im Zusammenhang mit dem demografi schen Wandel der Gesellschaft häufig beschriebenen kritischen Entwicklun gen nicht primär Folge des gesellschaftlichen Alter(n)s, sondern im übergrei fenden Kontext gesellschaftlicher Modernisierung und sozialen Wandels zu sehen. Diese sozialen Wandlungsprozesse tangieren alle sozialen Systeme und fordern alle zu neuen Bewältigungsformen heraus. Betroffen sind Wirt schaft, Arbeitsmarkt, Kultur, (Sozial-)Politik, Betriebe, Familien und andere soziale Netze bis hin zu Individuen in der Gestaltung ihrer Lebensläufe, Le bensstile und Lebenslagen und - aus subjektiver Sicht - ihrer Biografien. Soziale Ordnungen des Alter(n)s haben nicht nur zentrale Wirkungen auf das gesamte gesellschaftliche Gefüge; sie werden zudem durch sich weiter ausdifferenzierende Lebenslagen im Alter geprägt (Backes, Clemens 2000; Backes 2001): Sozialstrukturelle - und damit gesellschaftliche - wie biografi sche Bedingungen wirken auf die Lebenslagen verschiedener Gruppen älterer und alter Menschen zurück. Empirische Analysen zeigen, dass Lebenslagen im Alter sich gravierend verändern, zunehmend differenzieren und weiterhin Zur Konstruktion sozialer Ordnungen des Alter(n)s 9 wie auch erneut soziale Ungleichheiten und Unterschiede aufweisen, die zu einer erheblichen sozialstrukturellen Spannbreite der Lebensphase Alter füh ren. Soziale Ungleichheit und Unterschiede im Alter als zentrale Merkmale sozialer Ordnungen begründen sich in lebenszeitlicher Entwicklung. Die Lebenslagen älterer Menschen in Deutschland haben sich - durch Teilnahme an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung - im Durchschnitt kontinuierlich verbessert. Vor allem in Ostdeutschland hat nach der "Wende" eine nachho lende Entwicklung eingesetzt. Eine soziale Differenzierung im Alter ist nach Ergebnissen verschiedener Studien (z.B. der Berliner Altersstudie) vor allem durch die Position im System sozialer Ungleichheit am Ende des Erwerbs lebens geprägt: Soziale Unterschiede des mittleren Lebensalters wirken kon tinuierlich bis in das hohe Alter fort (vgl. Mayer, Wagner 1996, S. 272). Die materielle Lage im Alter ist dauerhaft mit der sozialen Schicht verbunden. Der materielle Aspekt der Lebenslage muss um weitere ergänzt werden: den der gesellschaftlichen Beteiligung, der sozialen Lebensformen und sozialen Versorgung sowie der körperlichen und seelisch-geistigen Gesundheit (vgl. Mayer, Wagner 1996, S. 253). Bei allen thematischen Schwerpunkten wurde und wird immer wieder deutlich, dass wir vor einer historischen Herausforderung der Entwicklung neuer Vergesellschajtungsweise(n) des Alter(n)s stehen bzw. im Begriff sind, diese zu entwickeln. Begonnen hat dieser Prozess insofern, als die alte gesell schaftlich in den Mittelpunkt gestellte und institutionalisierte Vergesellschaf tungsweise des - primär männlichen - Alters über Ruhestand und soziale Sicherung via lebensbegleitender und im Alter endender Erwerbsarbeit zu nehmend brüchig zu werden scheint. Sie wird zumindest von der selbstver ständlichen legitimatorischen Basis her in Frage gestellt und kann mittler weile bereits nicht mehr als - hinsichtlich der Gegenwart, vor allem aber der Zukunft - allgemein akzeptiert und unterstützt oder gar auf alle bzw. die Mehrzahl der Menschen übertragbar angesehen werden. Andere, bislang eher vernachlässigte Vergesellschaftungsweisen des Lebens(ver)laufs - somit auch die eher als weiblich konnotierten - fmden langsam mehr Beachtung. Wir haben uns bislang weniger mit der Frage befasst, wie denn nun genau dieser anstehende soziale Wandel der Vergesellschaftung des Alters und Alterns sich gestaltet bzw. zu gestalten scheint, ob als Re- oder Neukonstruk tion einer - vorgegebenen, nicht wählbaren, sondern zugeschriebenen und zwangs weisen - sozialen Ordnung des Alter(n)s oder als Neukonstruktion mehrerer - heterogener, pluraler, wählbarer - Ordnungen des Alter(n)s. Eine Rekonstruktion wäre dann möglich, wenn die bisher praktizierte Ordnung des Alter(n)s als theoretischer und empirischer Ansatz mit neuer Terminologie und/oder ergänzenden Beiträgen konzeptionell erweitert und präzisiert wer den könnte. Eine Neukonstruktion wird erforderlich, wenn sich bisherige Konzepte für einen angemessenen theoretisch-empirischen wie politischen 10 Gertrud M. Backes, Wolfgang Clemens und Klaus R. Schroeter und alltagspraktischen Umgang mit den gewandelten Strukturen und Lebens formen als unbrauchbar erweisen sollten. Diese Entscheidung steht aufg rund des empirisch fassbaren Strukturwan dels und entsprechender Diskussionen in Politik und Wissenschaft seit länge rer Zeit an. Sie kann weder in der politischen und alltäglichen Praxis noch in der wissenschaftlichen Bearbeitung en bloc angegangen werden. Stattdessen fordert sie die Auseinandersetzung mit verschiedenen politischen und alltags weltlichen wie thematischen Ansätzen und ist entsprechend aus diversen disziplinären Bezügen der Soziologie anzugehen. Dazu sind in diesem Band exemplarische Schwerpunkte ausgewählt worden: Familiensoziologie, Gene rationen und Sozialpolitik, Medizinsoziologie, Bevölkerungssoziologie und der Soziologie sozialer Ungleichheit sowie der Alterssoziologie im engeren Sinne. Nur durch Einbettung in solche diversen disziplinären Bezüge der Soziologie kann es gelingen, das vielschichtige Phänomen des sozialen Wan dels der Gesellschaft und in dessen Kontext des sozialen Wandels des Alters und Alterns und ihrer Vergesellschaftungsweisen in einen Gesamtkontext soziologischer - theoretischer wie empirischer - Betrachtung zu stellen, und so die Ausgangsfrage beantworten zu können. Die Herausforderung zur Entwicklung neuer Vergesellschaftungsformen des Alter(n)s begründet sich einerseits aus den interdependenten Wirkungen der Gruppe älterer und alter Menschen auf das gesamte System einer "altern den Gesellschaft". Diese sind u.a. getragen vom aktuell praktizierten System sozialer Sicherung, aber auch von übergreifenden politischen, ökonomischen, v.a. arbeitsmarktzentrierten Entwicklungen sowie von einem damit einherge henden Wandel von Normen und Werten. Gleichzeitig wirken die mit dem Altersstrukturwandel beschriebenen Entwicklungen: Tews (1993) hat sie mit den Konzepten Verjüngung, Entberuflichung, Singularisierung und Femi nisierung des Alters sowie Hochaltrigkeit beschrieben (vgl. dazu Clemens 1993; Schroeter 2000b). Deutlich wird, dass sich die Lebensphase Alter heute sozialstruktureIl nicht mehr klar konturiert und nur schwer vom mittleren Lebensalter abgrenzen lässt. Die ,,Lebensphase Alter" hat sich in den letzten Jahrzehnten ausgedehnt und ausdifferenziert (Backes, Clemens 1998). Dabei kann die Binnenstruktur der Gruppe älterer und alter Menschen nach dem kalendarischen und dem funktionalen Alter unterschieden werden (s. ,,Junge Alte" vs. ,,Hochbetagte"; ,,Aktives Alter" vs. ,,Pflegebedürftigkeit"). Gleichzeitig haben der Individua lisierungsprozess wie eine fortschreitende Pluralisierung der Lebensformen und damit der Lebenslagen nicht vor dem Alter halt gemacht. Die Folgen dokumentieren sich in einer ,,Entstrukturierung" der Altersphase, d.h. die vormals klareren sozialen Strukturen haben sich zu einer Vielzahl differenzi eller sozialer Formen des Alter(n)s entwickelt - ähnlich wie in der Jugend phase. Alter existiert nicht mehr nur als Strukturprinzip per se. Es ist als mehr oder weniger direktes Produkt einer bestimmten gesellschaftlichen Praxis

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Die Gestaltung und Ausgestaltung der Lebensphase Alter hat sich in den letzten Jahrzehnten durch den demografischen und strukturellen Wandel unserer Gesellschaft nachhaltig verändert. Einfache gesellschaftliche Konstruktionen des Alters (z.B. Alter gleich Ruhestand) dienen zwar weiterhin als grobe
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