Torsions- Biege-Versuche an Stahlbetonbalken von Dipl. lng. Paul Lampert Prof. Dr. Bruno Thürlimann Institut für Baustatik Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Zürich Januar 1969 ISBN 978-3-7643-0620-5 ISBN 978-3-0348-6816-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-6816-7 INHALTSVERZEICHNIS Seite 1. Versuchsprogramm 2 2. Versuchsbalken 3 2.1. Beschreibung 3 2.2. Baustoffe 4 2.3. Rechnerische Werte 5 3. Versuchsdurchführung 11 4. Versuchsresultate 12 4.1. Trag- und Bruchverhalten 12 4.2. Beanspruchung der Armierung 18 4.3. Beanspruchung des Betons 20 4.4. Verformungen 23 4.5. Risseverhalten 29 5. Zusammenfassung 32 Summary 34 Verdankungen 36 Literaturverzeichnis 37 Bezeichnungen 38 Tabellen 1 t 10 43 Bilder 1 t 69 50 Anhang A: Fliess- und Bruchmomente für reine Biegung 111 Anhang B: Räumliches Fachwerk-Modell für Torsion und Biegung 113 Bilder 70 und 71 zu Anhang A und B 116 2 1. VERSUCHSPROGRAMM Das bisher durchgeführte experimentelle Forschungsprogramm ist in Bild 1 zu sammengestellt. Allgemeine Betrachtungen zur Problemstellung und Zielsetzung sowie zur Auswahl der Versuchsvariablen sind im Bericht "Torsionsversuche an Stahlbetonbalken" [1] enthalten. Dort sind auch die Versuchsresultate der Serie "Reine Torsion" (T0 t T4) beschrieben. Im folgenden wird über die Serie "Torsion und Biegung" (TB0 t TB6) berich tet. Erste Teilergebnisse sind bereits in [2] veröffentlicht worden. Für alle Versuchsbalken wurde der quadratische Hohlkasten als Grundquer schnitt gewählt. Balken, deren Armierung dem unter reiner Torsion geprüf ten biegearmierten Versuchskörper T3 entsprach, wurden für verschiedene Ver hältnisse von Torsions- zu Biegemoment untersucht (TB1, TB2, TB3). Für die sen speziellen Querschnitt ergaben sich so einige Punkte der Interaktions kurve Torsion-Biegung. Zum Vergleich wurde auch ein Vollquerschnitt (TB4) geprüft. Zur Ermittlung von Interaktionspunkten anders armierter Querschnit te wurde ein T1 entsprechender torsionsarmierter Querschnitt (TB0) auf Tor sion und Biegung beansprucht. Der Einfluss einer geringeren Bügelarmierung wurde mit zwei weiteren, identisch armierten Balken untersucht (TB5, TB6). Der Balken TB6 wurde zuerst auf reine Biegung bis nahe an die Fliessgrenze der Stahleinlagen beansprucht, um seine Biegesteifigkeit zu ermitteln, und dann wieder entlastet. Dieser Teilversuch wird im folgenden mit TB6B be zeichnet. Anschliessend wurde dieser Träger wie TB5 belastet, um den even tuellen Einfluss der im vorhergehenden Biegeversuch erzeugten Biegerisse auf die Tragfähigkeit festzustellen. 3 2. VERSUCHSBALKEN 2.1. Beschreibung 2.1.1. Abmessungen und Armierung Abmessungen und Armierung der Versuchsbalken TB0 bis TB6 sind aus Bild 2 ersichtlich. Bügel- und Längsarmierung bestanden aus naturhartem profiliertem Stahl (normaler Box-Stahl). Die gesamte Bewehrung ~ 12 mm der Balken TB0 ~ TB4 wurde der gleichen Walzserie entnommen. Die geschlossenen Bügel wurden mit einem Radius von 1,5·d gebogen und oben stumpf verschweisst. Die verlangte Abbiegetoleranz der Bügelbreite von ± 2 mm wurde eingehalten. Bei den Krafteinleitungsstellen wurden zusätzliche Stahleinlagen angeord net, um einen Bruch in diesem Bereich zu vermeiden. Der eigentliche Prüfbe reich der Balken war somit rund 140 cm lang und entsprach somit etwa der dreifachen Höhe. Die Versuche unter "Reiner Torsion" hatten gezeigt, dass diese Länge zur vollen Ausbildung eines Bruches genügt. Ebenso erwiesen sich die in diesen Versuchskörpern vorhandenen Querträger als unnötig. Sie wurden daher bei den Versuchsbalken TB0 bis TB6 weggelassen. Dadurch wurde die Beobachtung des Balkeninnern erleichtert. Die Betonüberdeckung der Bügel betrug ungefähr 11 mm, diejenige der Längs eisen dementsprechend etwa 23 mm bei TB0 ~ TB4 resp. 19 mm bei TB5 und TB6. 2.1.2. Herstellung Wie in der Serie "Reine Torsion" wurde eine Holzschalung verwendet; ein Ueberzug aus Kunststoff (Kelco) verhinderte ein Verziehen derselben. Der Betoniervorgang entsprach demjenigen der Versuchskörper in "Reiner Torsion" [1]. Der Beton wurde in einem 500 lt-Zwangsmischer hergestellt und mit Na delvibratoren ~ 20 mm resp. ~ 40 mm verdichtet. Für einen Hohlquerschnitt wurden 2 Mischchargen a 500 lt benötigt, für den Vollquerschnitt 4 Misch chargen a 475 lt. Nach erfolgtem Glattstrich wurden die Balken mit feuch ten Säcken zugedeckt. Sie wurden zusammen mit der Schalung nach 2 Tagen entfernt. Bis zum Versuch lagerten die Balken bei ungefähr 20° C Raumtem peratur. 4 2.2. Baustoffe 2.2.1. Stahl Die Festigkeitswerte der verwendeten Armierungsstähle (normaler Box-Stahl) gehen aus Tabelle 1 hervor. Sie wurden in 3 Gruppen zusammengefasst: a) Bügel und Längseisen der Balken TB0 ~ TB4, alle Durchmesser d = 12 mm. Sie stammten aus der gleichen Walzserie. Entsprechend weisen die Resul tate der 10 Probestäbe nur kleine Streuungen auf. b) Längseisen der Balken TB5, TB6 mit Durchmesser d = 12 mm aus einer anderen Walzserie. Es wurden 6 Probestäbe geprüft. c) Bügel der Balken TB5, TB6 mit Durchmesser d 8 mm. Es wurden ebenfalls 6 Probestäbe geprüft. Ein typisches, auf einer mechanischen Prüfmaschine aufgenommenes Spannungs Dehnungs-Diagramm ist in Bild 3 dargestellt. Für die Auswertung wurden die gemittelten idealisierten Diagramme der 3 obigen Gruppen verwendet (Bild 4). Da die dynamischen Festigkeitswerte von der Dehngeschwindigkeit ~ = dE/dt abhängig sind, wurden die sog. statischen Werte (~ = O) der Auswertung zu grunde gelegt. Sie wurden durch kurze Dehnungshalte beim Fliessplateau und bei der Bruchgrenze ermittelt. Einzelheiten dieses Verfahrens sind in [3] enthalten. Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm wurde so dem Ablauf der Balken versuche angepasst. 2.2.2. Beton Die Zusammensetzung des Frischbetons ist in Tabelle 2 angegeben. Als Zu schlagstoff wurde gut gewaschenes und getrocknetes, rolliges Material 0 ~ 18 mm resp. 0 ~ 15 mm, getrennt nach 3 Komponenten, verwendet. Die Sieblinie lag für TB0 ~ TB4 zwischen der Fuller- und der EMPA-Kurve (Bild 5(a)), für TB5 und TB6 verlief sie infolge Verwendung einer anderen Grobkomponente (8 t 15 mm) etwas ausserhalb dieser Kurven (Bild 5(b)). Als Zement wurde normalerweise schweizerischer Portlandzement verwendet. Seine Mörtelfestigkeit nach 28 Tagen gernäss SIA-Norm 115 betrug 578 kg/cm2 für die Balken TB0 ~ TB4. Die Mörtelfestigkeit des Zementes für die Balken TB5 und TB6 wurden nicht bestimmt. Zur Ermittlung der Betonfestigkeit wurden gleichzeitig mit den Balken je 6 rrismen (12 x 12 x 36 cm) aus der ersten, sowie je 2 Prismen aus jeder weiteren Mischcharge hergestellt. Nach 7 Tagen erfolgte eine Kontrollprü fung an einem Prisma pro Mischcharge. Im Versuchsalter von 5 Wochen wurden an 2 Prismen die Prismendruckfestigkeit und an den restlichen Prismen die Biegezug- und Würfeldruckfestigkeit ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tabel le 3 festgehalten. Entsprechend den Unterschieden hinsichtlich Sieblinie 5 und Zement wurden für die Auswertung 2 Gruppen gebildet: d) Betonfestigkeiten der Balken TB bis TB 0 4 e) Betonfestigkeiten der Balken TB und TB 5 6 Zur Mittelbildung für e) wurden die Prismen der Balken TB und TB (Versu 7 8 che unter Torsion und Querkraft, welche in diesem Bericht nicht behandelt sind)ebenfalls berücksichtigt, da ihr Frischbeton in seiner Zusammensetzung demjenigen von TB und TB entsprach. 5 6 Die Festigkeitswerte des Betons sind ebenfalls von der Dehngeschwindigkeit ~ abhängig. Infolge Kriechen ist der statische Festigkeitswert (; = 0) stark von der Wartezeit beim Dehnungshalt abhängig. Zur Aufnahme dehnungs gesteuerter Spannungs-Dehungs-Diagramme wurde eine mechanisch-elektrische Messeinrichtung speziell konstruiert. Sie ist in [1] beschrieben. Die Ergeb nisse der Prismenversuche sind in Tabelle 4 zusammengestellt. Nach Errei chen der Prismendruckfestigkeit wurde wie bei der Versuchsserie "Reine Tor sion" ein zusätzlicher Dehnungshalt von 30 min Dauer eingeschaltet. Der Verlauf des aufsteigenden Astes des Diagrammes wurde durch die kubische Parabel oßbp p (E~bu) [1 - (2 - ~p )(EEbu ) + (1 - -p2 ) (EE-ub ) 2] (l) EbO mit p Eu (2) ßp angenähert (Bild 6). Damit wurde auch das Spannungs-Dehnungs-Diagramm des Betons dem Ablauf der Balkenversuche angepasst, so dass der Einfluss des Kriechens während der Dehnungshalte annähernd berücksichtigt ist. Zur Auswertung der in den Torsions-Biege-Versuchen beobachteten Betondehnun gen wurden die mit den Mittelwerten für ß , Eb und E nach Gl. (1) berech- ps u neten Parabeln verwendet. In Bild 7 sind diese Kurven für die beiden Beton- sorten d) (TB0 + TB4) und e) (TB5 + TB6) dargestellt. 2.3. Rechnerische Werte 2.3.1. Querschnittsgrössen Die am Querschnitt eingeführten Bezeichnungen sind in Bild 8 erläutert. Die numerischen Werte für die Versuchsträger sind in Tabelle 5 zusammengestellt. Für die Lage und Querschnittsfläche der Armierung wurden die tatsächlich vorhandenen Werte verwendet. 6 Zur rechnerischen Erfassung wurden die Querschnitte in der in Bild 8 ange gebenen Weise idealisiert. Die Längseisen wurden zu Fachwerkgurtungen, die Bügel zu Fachwerkpfosten konzentriert gedacht. 2.3.2. Ungerissener Zustand Solange der Träger keine Risse aufweist, gelten nach der Elastizitätstheorie (siehe z.B. [41) für reine Torsion und reine Biegung sowie für ihre Kombina tion folgende Beziehungen: Schiebung: y 1G- (3a) a Dehnung: e: E (3b) Aenderung der Verdrehung: d~ T ( 4a) dx GK d41 M Krümmung: (4b) dx TI T Schubspannung: T WT (Sa) M Normalspannung: a = W (Sb) Für den dünnwandigen quadratischen Kastenquerschnitt mit konstanter Wandstär ke sind: 4F 2 Torsionskonstante: K 0 a3 t (6a) cß ~s m 1 Trägheitsmoment: 1 TI [a~ - (a a - 2t) ,,] (6b) Torsionswiderstandsmoment: WT = 2FOt 2a2 • t (7a) m Widerstandsmoment: W = 21 (7b) aa Für den quadratischen Vollquerschnitt gilt: a" K 0,1406 • (Ba) a 1 1 TI (8b) WT = 0,208 (9a) 1 W "6 (9b) Die numerischen Werte dieser Querschnittskonstanten sind in Tabelle S ent hallen. 7 2.3.3. Fliessmoment für reine Torsion und reine Biegung Für den Lastfall "Reine Torsion" wird als Modell ein räumliches Fachwerk betrachtet, dessen Zugglieder durch den Bewehrungskorb und dessen Druckglie der durch die unter 45° geneigten Betondiagonalen gebildet werden (siehe z.B. [5]). Eine einfache Herleitung wurde in [1] (Anhang A) gegeben. Für den quadratischen Querschnitt ergab sich dort das durch die Bügel- resp. Längsarmierung bei gleichmässiger Verteilung der Stahleinlagen aufnehmbare Torsionsmoment zu: 2FOe 2ae2 T(B) s FB er e (B) = s FB er e (B) (10) 2FOe a e T(L) u l:FL cre(L) = 2 l:FL cre(L) (11) e Die theoretischen, statischen Torsionsfliessmomente Tfs ergeben sich, wenn in diese Gleichungen als Stahlspannung die gemessene statische Fliessspan nung eingesetzt wird. Sind die Stahleinlagen ungleichmässig über den Umfang verteilt, so wird ein gleichmässig armierter Ersatzquerschnitt betrachtet, dessen Armierung derjenigen der schwächsten Seite entspricht. Für den Lastfall "Reine Biegung" wird das gebräuchliche Modell mit Beton druckzone und gerissener Zugzone unter Annahme des Ebenbleibens der Quer schnitte verwendet. Die entsprechenden Beziehungen werden im Anhang A die ses Berichtes hergeleitet. Die Druckarmierung wird der Einfachheit halber vernachlässigt. Bis zum Fliessen kann die Zugarmierung folgendes Biegemo ment aufnehmen: I. M(L) C1 e nh (1 1 - ~) C1 e w1. e (12) Dabei ist h die Distanz zwischen unterster Eisenlage und Betondruckrand und n die Wertigkeit Ee/Eb. Die Ausdrücke für den dimensionslosen Neutral axenabstand ~ und das ideelle Trägheitsmoment Ii sind dem Anhang A zu ent nehmen. Das theoretische, statische Biegefliessmoment Mfs ergibt sich, wenn in Gl. (12) für cre die gemessene statische Fliessspannung eingesetzt wird. Alle rechnerischen Fliessmomente und die jeweils vorhandenen nominellen Spannungen sind in Tabelle 6 enthalten. Für ihre Berechnung wurden stets die tatsächlich festgestellten Materialfestigkeiten und Stahlquerschnitte eingesetzt. 2.3.4. Bruchmomente für reine Torsion und reine Biegung Für den Lastfall "Reine Torsion" fallen bei volumengleicher Bewehrung die Fliessmomente mit den Bruchmomenten zusammen (siehe [1]). Bei nicht volumen gleich armierten Balken liegen die Bruchmomente höher als die nach Kap. 2.3.3. berechneten Fliessmomente. Ihr Betrag hängt vom Verhältnis zwischen Bügeln und Längseisen und somit von der sich einstellenden Neigung a der Druckdiago nalen gegenüber der Balkenaxe auf der schwächsten Seite ab. Innerhalb be-