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Thomas Ahrend Zu Anton Weberns George-Vertonung PDF

21 Pages·2012·4.32 MB·German
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Thomas Ahrend Zu Anton Weberns George-Vertonung »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschosse« Eine Spurensuche rwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« gehört zu Anton Weberns unbe- E kannteren und musikwissenschaftlich selten behandelten Kompositionen .  Dies hat sicherlich einen Grund darin, dass es (wie die Lieder Kunfttag I,  Trauer I und »Das lockere Saatgefilde«) von seinem Komponisten nicht in die  beiden – zum Teil über zehn Jahre nach ihrer Entstehung – veröffentlichten  George-Lieder-Zyklen opp . 3 und 4 aufgenommen wurde .1 Das Lied liegt erst mit  der postumen Edition der vier nachgelassenen George-Lieder durch Peter Wes- tergaard von 1970 gedruckt vor .2 Seit 2004 existiert eine weitere, von Matthew  R . Shaftel besorgte Edition im Rahmen einer Sammlung aller Klavierlieder We- berns bis 1909 .3 »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« ist im Kontext  aller Klavierlieder Weberns auf Gedichte Georges von besonderem Interesse, da  es als einziges eine Tonartvorzeichnung aufweist (die mit vier Kreuzen und dem  Anfangs- und Schlussbasston Cis auf cis-Moll deutet) . Zumindest rein äußerlich  liegt also eine chronologische Einordnung des Liedes vor einem – allerdings  wohl fließend zu verstehenden – Übergang zur Atonalität nahe und steht das  Lied damit dem – gleichfalls eine George-Vorlage vertonenden – Chor »Entflieht  auf leichten Kähnen«4 sowie den fünf zwischen 1906 und 1908 komponierten  1 Fünf Lieder aus »Der siebente Ring« von Stefan George op. 3, Wien 1919 (Verlag des Vereins für musikalische Privataufführungen, 1921 aufgenommen in das Programm der Universal Edition); Fünf Lieder nach Gedichten von Stefan George op. 4, Wien 1923 (Universal Edition). Das Lied »Ihr tratet zu dem Herde« (in der Ausgabe von 1923: op. 4 Nr. 5) wurde bereits im Mai 1912 im Almanach Der blaue Reiter abgedruckt. Zu den Unterschieden zwischen Kompositions- und Druckfassungen siehe Reinhold Brinkmann: »Die George-Lieder 1908/9 und 1919/23. Ein Kapitel Webern-Philologie«, in: Webern-Kongress, hrsg. v. der Österreichischen Gesellschaft für Musik, Kassel 1973 (Beiträge 1972/73), S. 40–50. 2 Four Stefan George Songs, hrsg. v. Peter Westergaard, New York 1970 (Carl Fischer). 3 The Anton Webern Collection. Early Vocal Music, hrsg. v. Matthew R. Shaftel, New York 2004 (Carl Fischer). 4 Vermutlich im Herbst 1908 komponiert und 1921 als op. 2 gedruckt. Siehe Hans und Rosaleen Moldenhauer: Anton von Webern. Chronik seines Lebens und Werkes, Zürich 1980, S. 86 u. 645. 54 Thomas Ahrend Dehmel-Liedern5 näher als den anderen George-Liedern, von denen insbeson- dere die als opp . 3 und 4 veröffentlichten als »endgültig« atonal gelten .6 In der  Literatur werden jedoch die tonalen Elemente (und insbesondere die Vorzeich- nung einer Tonart) dieser vermutlich frühesten George-Vertonung Weberns zu- weilen in den Hintergrund gerückt .7 Im Folgenden sollen verschiedene Spuren des entstehungsgeschichtlichen  Kontexts des Liedes beschrieben und dabei die Vermutung, dass es sich bei  »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« tatsächlich um Weberns frühes- tes Klavierlied auf ein George-Gedicht handelt, durch weitere Beobachtungen  bestärkt, jedoch die chronologische Einordnung des Liedes innerhalb der sich  entwickelnden Atonalität im Kreis um Schönberg differenziert und eine hypo- thetische Präzisierung der Datierung versucht werden .8 * * * Nicht alle Spuren führen zu einem Ziel . Manche verlieren sich, andere werden  falsch gedeutet oder führen ihren Leser im Kreis … Gleichwohl lohnt sich die  Verfolgung der erkennbaren Spuren, da sie in jedem Fall eine erweiterte Per- spektive, d . h . auch ein Bewusstsein für die Distanz zwischen den Spuren und  ihrem Urheber mit sich bringt . Und andere Spurensucher mögen sich vielleicht  durch einen solchen Versuch ermuntert fühlen, ihnen bekannte Spuren (existie- ren noch mehr?) gleichfalls mitzuteilen . 5 Die Lieder sind postum publiziert worden, zunächst als Five Songs after Poems by Richard Deh- mel, hrsg. v. Leonard Stein, New York 1966 (Carl Fischer), und später im Rahmen der Anton Webern Collection (wie Anm. 3). Zur Problematik der von Stein besorgten Edition siehe Reinhard Gerlach: »Die Handschriften der Dehmel-Lieder von Anton Webern. Textkritische Studien«, in: Archiv für Musikwissenschaft 29, 1972, S. 93–114. 6 Siehe z. B. Allen Forte: The Atonal Music of Anton Webern, New Haven 1998, S. 27 f. (unter der Überschrift »The Dehmel Lieder as Precursors«): »[T]here is a perceptible progression from the Dehmel Lieder to the radically atonal songs: for all their tonal features, the Dehmel Lieder contain atonal seeds, seeds that bore perhaps unexpected fruit in the Opus 3 and 4 songs, for the dates certify that Webern composed two types of music during the 1907–08 period, one of which he abandoned at some point.« 7 Siehe Moldenhauer: Anton von Webern (wie Anm. 4), S. 105: »Man möchte vermuten, daß Er- wachen aus dem tiefsten Traumesschoße als erstes [der vierzehn George-Lieder] entstanden ist, da es das einzige ist, das noch Vorzeichen verwendet. Allerdings sind die vier vorgezeichneten Kreuze […] kaum von Bedeutung.« Und eine der wenigen analytischen Untersuchungen zum Lied (eine kurze Diskussion von T. 8–9 in Allen Forte: »The Golden Threat: Octatonic Music in Anton Webern’s Early Songs, with Certain Historical Reflections«, in: Webern Studies, hrsg. v. Kathryn Bailey, Cambridge 1996, S. 74–110, hier S. 98 f.) betont die oktatonischen Strukturen der ausgewählten zweitaktigen Pas- sage gegenüber den darin auffällig präsenten übermäßigen Dreiklängen. 8 Moldenhauer: Anton von Webern (wie Anm. 4), S. 653, datiert sämtliche vier nachgelassenen George-Lieder – wohl in Analogie zu Weberns Datumsangabe in den gedruckten opp. 3 und 4 – mit »1908/09«. Zu Weberns George-Vertonung »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« 55 I. Ausgangspunkt der Spurensuche ist das Autograph des Liedes, das die einzige  bekannte zeitgenössische Quelle des Notentextes darstellt und hier zunächst  kurz beschrieben sei: Basel, Paul Sacher Stiftung, Sammlung Anton Webern .  1 Bogen (Bl . 1/2), Bl . 2v unbeschriftet . Notenpapier, Format: hoch 346 × 265 mm, Firmenzeichen: J. E. & Co. [diagonal an- steigend auf schildförmiger Papierrolle, rechts von einem Löwen gehalten] | Protokoll. Schutzmarke | No. 5 | 18linig. auf Bl . 1r, 2r unten links . Schreibstoff: schwarze Tinte, Korrekturen mit Bleistift .  Titel: op 5 No 2 auf Bl . 1r oben rechts mit Bleistift; Aus „Nachtwachen“ von Stefan George  auf Bl . 1r System 1 rechts mit Tinte . Inhalt:  Bl . 1r System 2–4 /7–9/11–13 /15–17: T . 1–4 /5–7/8–9/10–11; Bl . 1v System 1–3 /5–7/  9 –11/13–15: T . 12–14 /15–17/18–19/20–21; Bl . 2r System 1–3 /5–7/9 –11: T . 22–23 /  24–27/28–30 . Der vertonte Text ist in Kurrentschrift und mit wechselnder Groß- und Kleinschreibung  sowie ohne alle Interpunktionszeichen notiert . Der Notentext des Autographs und die meisten darin erkennbaren Korrekturen  sind in den beiden bereits erwähnten postumen Editionen dokumentiert . Die  Editionen sind die allgemein zugänglichsten Spuren des (selbst die ursprüng- lichste Spur der Komposition darstellenden) Autographs, das in ihnen edito- risch vermittelt erscheint und dabei bestimmte Veränderungen erfährt . Von  diesen Modifikationen (denen in unterschiedlichem Maße aber grundsätzlich  jede noch so getreue Edition unterliegt) seien im Folgenden vor allem die edito- rische Behandlung der Tonartvorzeichnung und die damit zusammenhängende  Akzidenziensetzung diskutiert . In der Edition durch Westergaard wurde die Vorzeichnung der Tonart weg- gelassen, alle Noten wurden – analog zur Praxis der 1919 und 1923 erfolgten  Publikationen von opp . 3 und 4 – mit Akzidenzien versehen .9 Die Edition des  Liedes in der Sammlung von Shaftel belässt die Tonartvorzeichnung (in der Ak- kolade von T . 18–19 wurde sie wohl versehentlich nicht gesetzt), ergänzt aber  ebenfalls Akzidenzien zu jeder Note: Although Webern’s key signature ceases to serve any true tonal function after the first  measures, I have maintained Webern’s own notation almost entirely in the hopes of  9 Siehe dazu die »Text-critical Notes« in Webern: Four Stefan George Songs (wie Anm. 2), S. 13–16, hier S. 13: »Only Erwachen aus dem tiefsten Traumesschosse [sic] has a key signature, and that can be hardly said to be operative.«, und S. 15: »The key signature ceases to function after the first few measures.« 56 Thomas Ahrend reflecting his own harmonic thought . Any accidentals not supplied by Webern are in  parentheses .10  Leider ist die Kennzeichnung der vom Herausgeber ergänzten Akzidenzien  durch Klammern fehlerhaft, so dass die Intention, Weberns harmonisches Den- ken in der Edition widerzuspiegeln (oder wenigstens: durch die Edition die  Mittel für eine Rekonstruktion dieses Denkens zur Verfügung zu stellen), nur  bedingt eingelöst wird .11 Dass die Vorzeichnung der Tonart nicht nur eine äußerliche Konvention, son- dern durchaus eine Bedeutung für das Verständnis von Weberns harmonischen  Vorstellungen und – damit zusammenhängend – Konsequenzen auch schon für  die Edition des Liedes selbst hat, zeigt sich an einzelnen Entscheidungen, die der  durch das einzelne Autograph überlieferte Notentext erfordert . So tritt z . B . in  T . 17 ein Zusammenklang in der 3 . Note der rechten Hand auf, der – ausgehend  von einem übermäßigen F-Dur-Dreiklang in T . 14 /15 – das Ende einer Folge von  Oktaven markiert, die mit Ausnahme des dritten Viertels von T . 15 (es2/c3/es3)  entweder mit der (klingend) großen Terz unter dem oberen oder der (klingend)  großen Terz über dem unteren Oktavton ausgefüllt werden . Versteht man die  Vorzeichnung als funktional verbindlich, so lautet der im Autograph keine Ak- zidenzien aufweisende und mit den ab dem Auftakt zu T . 17 vorausgehenden  Großterzklängen h1/g2/h2, g2/es3/g3 und fis2/b2/fis3 unter einem gemeinsamen  Bogen stehende Klang: a1/fis2/a2 – (wie die erwähnte Ausnahme der Großterz- klangfolge in T . 15) ein Klang mit der kleinen Terz unter dem obersten Oktav- ton . Interessanterweise vermutet Westergaard in seiner die Tonartvorzeichnung  gänzlich weglassenden Edition hier ein vergessenes Akzidens und korrigiert den  Klang zu a1/f2/a2 . (Siehe Notenbeispiel 1 . Das Beispiel ab strahiert von weiteren  Aspekten des Tonsatzes wie insbesondere der Dynamik, da hier andere editori- sche Probleme zum Tragen kommen würden .) Die Edition von Shaftel ergänzt  hier dagegen im Sinne der Vorzeichnung ein lediglich verdeutlichendes Kreuz  zu fis2 (und gleichermaßen Auflösungszeichen zu a1/a2) . 10 »Text-critical Notes« in: The Anton Webern Collection (wie Anm. 3), S. xxi–xxxvi, hier S. xxxiv. 11 Folgende in der Edition von Shaftel eingeklammerte Akzidenzien sind in Weberns Autograph bereits vorhanden: T. 2 Klav. 7/8: # zu fis1; T. 5 Ges. 6/8: # zu fis1; T. 6 Klav. 1/4: n zu g2; T. 9 Klav. 7/8: n zu d1; T. 14 Ges. 4 /8: # zu gis1 (vom Hrsg. korrigiert zu g1, siehe die »Text-critical Notes« [ebd.]); T. 17 Klav. u. 3. Note: # zu dis; T. 17 Klav. letzte Note: # zu dis2; T. 18 Klav. 2/4: # zu fis1/fis2; T. 19 Ges. 1/8: b zu b1. Folgende in derselben Edition gesetzte und nicht eingeklammerte Akzidenzien fehlen in Weberns Autograph: T. 2 Klav. 7/8: n zu e; T. 3 Klav. o. 2. Note: n zu e; T. 5 Klav. o. 2. Note: # zu ais1/ dis2; T. 18 Ges. 7. Note: n zu e1; T. 21 Klav. 7/8: n zu c2; T. 23 Klav. o. 1. Note: n zu e1. Ein entgegen dem in der Edition vorherrschenden Prinzip ohne Akzidens belassener Ton (T. 14 Ges. 1. Note) weist in Weberns Autograph gleichwohl ein n auf. Darüber hinaus wurden einige redundante Akzidenzien in Ligaturen stillschweigend weggelassen. Zu Weberns George-Vertonung »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« 57 bnœœ #œ 3 Westergaard & nnnœœœ nœ b#œœ nnnœœœ Œ ##nœœœ bnœœ œ 3 Autograph &#### nnnœœœ nœ #bœœ œœœ Œ ##nœœœ Notenbeispiel 1: Anton Webern, »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße«,   T . 17, Klavier oberes System Tatsächlich finden sich im Autograph auch sonst fehlende Akzidenzien, und es  kann daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass Webern auch hier  ein Akzidens vergessen haben könnte – auch wenn die anderen Stellen keine  unmittelbaren Tonwiederholungen aufweisen und sich in der Regel durch chro- matische Beziehungen klären lassen: z . B . ein fehlendes Auflösungszeichen zu f  nach ges usw . (Immerhin erscheint die Ergänzung des Auflösungszeichen zu f2  in T . 17 3 /4 in verschiedenen Hinsichten – z . B . mit Blick auf die dadurch entste- hende Terzparallele fis2/b2–f2/a2 – plausibler als die Ergänzung zweier Kreuze  zu ais1/ais2, die ja auch einen Großterzklang ergeben würde: ais1/fis2/ais2 .) Für  eine textgetreue Edition wäre aber sicherlich nicht nur die Beibehaltung der  Tonartvorzeichnung, sondern auch die mit Rücksicht auf diese Vorzeichnung  eindeutige Interpretation des Klangs als a1/fis2/a2 die überzeugendere Alterna- tive . Das Beispiel sollte jedenfalls deutlich gemacht haben, dass ein Urteil über  die Relevanz der Tonartvorzeichnung im Autograph (und der damit angedeu- teten Bewertung des Liedes als eher tonal oder atonal) bereits editorische Kon- sequenzen in sich birgt, die es dem Benutzer der Edition erschweren können,  sich über den Zusammenhang ein eigenes Urteil zu bilden . Neben  diesem  (und  anderen)  im  engeren  Sinne  textkonstituierenden  Problem(en) weisen die beiden Editionen gegenüber dem Autograph auch an- dere (äußerlich erscheinende?) Lücken auf: Keine der beiden Editionen erwähnt  die autographe Angabe der Textvorlage: »Aus ›Nachtwachen‹ von Stefan Geor- ge«, und auch nicht die (mit Bleistift, also vermutlich nachträglich ergänzte)  Opusbezeichnung, »op 5 No 2« . Diese Lücken werfen ihrerseits Fragen auf (Was  sind die »Nachtwachen« Georges? Welches sind die anderen Nummern des  »op . 5«?), die auf weitere Spuren verweisen . Ahrend_Ex. 01.eps 23.09.2011 58 Thomas Ahrend II. Die Bezeichnung »Aus ›Nachtwachen‹ von Stefan George« im Autograph führt  zur Textvorlage des Liedes . Das Gedicht ist Teil von Georges Gedichtband Das Jahr der Seele, der zuerst 1897 erschien . Weberns Exemplar, das sich heute zu- sammen mit anderen Büchern aus Weberns Bibliothek in der Paul Sacher Stif- tung in Basel befindet, ist eines der beim Verlag J . Bondi in Berlin erschienenen  dritten Auflage von 1904 . Erwachen aus dem tiefsten traumes-schoosse (so die  Schreibung der ersten Zeile des Gedichtes bei George) findet sich in dieser Auf- lage auf S . 70 als mit »IV« nummerierte Nachtwache innerhalb des Binnenzyk- lus Erinnerungen an einige Abende innerer Geselligkeit . Auf S . [1] von Weberns  Exemplar steht der handschriftliche Vermerk »z . 2 . J . 1907« . (Vermutlich ist der  2 . Juli, der Geburtstag von Weberns Ehefrau Wilhelmine gemeint .) Darüber hin- aus enthält es nur wenige Eintragungen: eine ×-Markierung neben der Titelzeile  von Entflieht auf leichten kähnen (S . 109) sowie Markierungen im Inhaltsver- zeichnis (S . 124–127) bei den Gedichten Noch zwingt mich treue, Entflieht auf leichten kähnen und Ihr tratet zu dem herde – alles Gedichte, die Webern auch  vertont hat . (Das ebenfalls aus Das Jahr der Seele stammende und von Webern  vertonte Gedicht Ja heil und dank dir ist wie Erwachen aus dem tiefsten traumes- schoosse nicht markiert .) Allerdings findet sich zwischen den Seiten 70 (auf der, wie erwähnt, das  Gedicht Erwachen aus dem tiefsten traumes-schoosse abgedruckt ist) und 71  ein eingelegtes Blatt, auf dem in einer fremden, Kurrentschrift verwendenden  Handschrift zwei Dehmel-Gedichte geschrieben stehen, nämlich Am Ufer und  Himmelfahrt – auch dies zwei Gedichte, die Webern (laut eigenhändiger, aber  vermutlich nachträglich erfolgter Datierung: 1908) vertont hat .12 Nimmt man  an, dass Webern diese Abschrift der beiden Gedichte als Vorlage bei der Kom- position seiner Lieder gedient hat, so deutet ihre Aufbewahrung innerhalb des  Exemplars von Das Jahr der Seele auf eine zeitliche Nähe zur Komposition von  »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« hin . (Ein in der Paul Sacher Stif- tung aufbewahrter Dehmel-Gedichtband aus Weberns Bibliothek weist – im Un- terschied zum genannten Exemplar von Das Jahr der Seele – keine Eintragun- gen Weberns auf, die auf eine Benutzung als Kompositionsvorlage hindeuten  würden, und enthält nur Am Ufer, nicht aber Himmelfahrt – und auch keinen  der anderen drei Texte der später als Fünf Dehmel-Lieder zusammengestellten  Vertonungen .)13 12 Zur den nachgetragenen Datierungen in den Autographen der Dehmel-Lieder siehe Gerlach: »Die Handschriften der Dehmel-Lieder von Anton Webern« (wie Anm. 5), S. 95–104. 13 Siehe aber auch Reinhard Gerlach: »Die Dehmel-Lieder von Anton Webern. Musik und Spra- che im Übergang zur Atonalität«, in: Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußi- scher Kulturbesitz 1970, S. 45–101, hier S. 50: »Hingegen steht außer Zweifel, daß Webern den Band: Richard DEHMEL, Ausgewählte Gedichte, Berlin 1901, der sich mit der Widmung seines Vetters Zu Weberns George-Vertonung »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« 59 Vergleicht man Weberns Autographe von Am Ufer und Himmelfahrt mit  dem von »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße«, so fällt zudem ein sehr  ähnlicher Schriftduktus auf . Darüber hinaus sind »Erwachen aus dem tiefsten  Traumesschoße« und die beiden Autographe von Am Ufer (wie auch das eben- falls nachträglich mit 1908 datierte Dehmel-Lied Helle Nacht) auf Notenpapier  derselben Fabrikation geschrieben (siehe oben die Beschreibung des Autographs  von »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße«) .14 (Innerhalb der in der Paul  Sacher Stiftung aufbewahrten Quellen ist dagegen von den George-Liedern nur  noch ein anderes auf Notenpapier mit dem gleichen Firmenzeichen überliefert,  das im Format allerdings leicht abweicht .15 Die in der Morgan Library, New  York, befindlichen Autographe von George-Liedern Weberns sind alle auf No- tenpapier mit 12 Systemen geschrieben .16 Die verwendeten Papiersorten der  vier George-Lieder-Handschriften innerhalb der Musiksammlung der Library  of Congress, Washington D . C . [opp . 3 /1, 3 /3, 3 /4, 3 /5], konnte ich bislang noch  nicht vergleichen .) Die beschriebenen Spuren der verwendeten Textvorlage und Papiersorte  bei »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« lassen zusammen mit der  Vorzeichnung einer Tonart (die auch bei allen Dehmel-Liedern vorhanden ist)  eine chronologische Nähe zu den Dehmel-Liedern Am Ufer und Himmelfahrt  sehr wahrscheinlich erscheinen . Eine stilistische (und möglicherweise auch  zyklische?)17 Trennung zwischen den Vertonungen der beiden Dichter hat für  Webern zum Zeitpunkt der Komposition vermutlich zunächst keine Rolle ge- spielt . Ernst Diez: ›S[einem] / l.[ieben] Toni für Compositionsversuche zum 4 /XII 1901. Ernst.‹ im Webern- schen Nachlaß befand […], zur Textwahl herangezogen hat. Ihm entnahm er wahrscheinlich […] die Gedichte Nachtgebet der Braut (S. 20) und Aufblick (S. 47), beide komponiert 1903. […] Jedenfalls kannte Webern die Poesien Dehmels vor seiner Begegnung mit Schönberg […] mindestens doch aus diesem Band bereits, dem er dann auch wohl das Gedicht Am Ufer (S. 148) entnommen hat, um es spä- ter als Nr. II der fünf Dehmel-Lieder zu komponieren. Die übrigen vier Gedichte […] hat aber Webern augenscheinlich nicht aus dieser Quelle (wo sie nicht enthalten sind), sondern aus […] verschiedenen Quellen […] zusammengetragen […].« Siehe ebd. für eine Auflistung zeitgenössischer Druckausgaben der in Frage stehenden Gedichte. 14 Grundlage dieses Vergleiches sind die heute in der Paul Sacher Stiftung, Basel, aufbewahr- ten Quellen zu den genannten Dehmel-Liedern. Ein in der Library of Congress, Washington D. C., befindliches weiteres Autograph zu Himmelfahrt konnte ich bislang nicht einsehen. Laut der Be- schreibung der Quelle in Gerlach: »Die Handschriften der Dehmel-Lieder von Anton Webern« (wie Anm. 5), S. 100 (dort als »Manuskript II« bezeichnet), handelt es sich ebenfalls um (das vermutlich gleiche) Notenpapier der Firma Waldheim Eberle mit 18 Systemen. 15 Es handelt sich um das Autograph zu der bei Elmar Budde: Anton Weberns Lieder op. 3. Unter- suchungen zur frühen Atonalität bei Webern, Wiesbaden 1971 (= Beihefte zum Archiv für Musik- wissenschaft 9), S. 117, transkribierten frühesten »Fassung a« von »Dies ist ein Lied«. Format: hoch 344 × 265 mm. 16 Laut freundlicher Information von Monika Kröpfl, Wien. 17 Siehe auch Gerlach: »Die Handschriften der Dehmel-Lieder von Anton Webern« (wie Anm. 5), S. 95: »Dem Komponisten Webern ist die zyklische Bindung der Dehmel-Lieder erst nach Komposi- tionsabschluß bewußt geworden […].« 60 Thomas Ahrend III. Die Bezeichnung von »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« als »op 5  No 2« auf dem Autograph ist eine Spur, die auf die Einbindung des Liedes in  einen Zyklus hinweist . Auf zwei handschriftlichen Titelaufstellungen wird deut- lich, dass Webern zu einem bestimmten Zeitpunkt alle George-Lieder in zwei  Zyklen opp . 2 und 4 mit jeweils sieben Liedern angeordnet hatte .18 Die beiden  Listen lauten (siehe auch Abbildung 1 und 2): [Opus 2:]  Sieben Lieder nach Gedichten von Stefan George op . 2 [b] 1 . Eingang. („VII . Ring“) [b+r] 2 . „Dies ist ein lied…“ („VII . Ring“) 3 . „Erwachen aus dem tiefsten traumesschoße… .“ („Jahr der Seele“) [b+r] 4 . „Im windes-weben… . .“ („VII . Ring“) 5 . Kunfttag 1. – [b+r] 6 . „Kahl reckt der baum . .“ – [b] 7 . [„]Im morgentaun… .“ – Anton von Webern [Opus 4:] Sieben Lieder op . 4 nach Gedichten von Stefan George 1 . Trauer I („Maximin“) aus dem „VII . Ring“ 2 „Ja heil und dank dir… .“ („Nach der Lese“) aus „Jahr der Seele“ [b+r] 3 „Noch zwingt mich treue… .“ („Waller im Schnee“) aus „Jahr der Seele“ [b] 4 „An baches ranft… .“ („Lieder I–VI“) aus dem „VII . Ring“ 5 „Das lockere saatgefilde… .“ („Gezeiten“) aus dem „VII . Ring“ 6 „So ich traurig bin… . .“ („Sänge eines fahrenden Spielmanns“) aus „Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen u . Sänge u[ .] d . hängenden               Gärten“ [r] 7 [b] „Ihr tratet zu dem herde… .“ („Traurige Tänze“) aus „Jahr der Seele“ 18 Beide Blätter befinden sich in der Sammlung Anton Webern der Paul Sacher Stiftung in Basel. Die Reihenfolge der Lieder, ohne Rücksicht auf die originale Schreibung der Titel und die Markierun- gen (siehe unten), wurde bereits von Hans Moldenhauer innerhalb der »Prefatory Note« zu Webern: Four Stefan George Songs, hrsg. v. Peter Westergaard (wie Anm. 2), S. ii, sowie in Moldenhauer: Anton von Webern (wie Anm. 4), S. 104, mitgeteilt. Siehe auch die Einleitung zu The Anton Webern Collection (wie Anm. 3), S. xiii, wo auf die Streichungen innerhalb der Liste zu op. 4 hingewiesen wird, die Markierungen aber auch nicht erwähnt werden. Zu Weberns George-Vertonung »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« 61 Einige unterschiedliche Merkmale der beiden Listen (Papiersorten19; Schreib- stoff: rote Tinte bei op . 2, schwarze Tinte bei op . 4; überwiegend Kurrentschrift  bei op . 2, abwechselnd Kurrent und lateinische Buchstaben bei op . 4; Nennung  der Binnenzyklen der George-Vorlage nur bei op . 4) lassen vermuten, dass ihre  Niederschrift nicht gleichzeitig erfolgte . Im Sinne der Opuszahlen-Reihenfolge  ist die Zusammenstellung der Sieben Lieder op . 2 also vermutlich früher als die  der in der zweiten Liste mit op . 4 bezeichneten Lieder vorgenommen worden . Trotz der Unterschiede und der zu vermutenden zeitlichen Differenz der  beiden Listen weisen sie Spuren einer gemeinsamen Bearbeitung auf, näm- lich Winkel-Markierungen mit Bleistift (in der Transkription: »[b]«) und rotem  Buntstift (»[r]«) links neben einigen Zeilen (in der letzten Zeile zu op . 4 auch  zwischen Liednummer und Anfangszeile) . Zusätzlich sind in der Liste von op . 4  einige Nummerierungen (»1«, »5« und »6«) mit Bleistift gestrichen . Diese Mar- kierungen deuten auf andere Zusammenstellungen der Lieder hin, die dann  möglicherweise a) eine Kürzung von op . 4 auf vier statt sieben Lieder (Streichungen), b) eine Zusammenstellung von sieben oder acht (mit Bleistift markierten)   Liedern, c) eine Zusammenstellung von fünf (mit rotem Buntstift markierten) Liedern  oder d) Kombinationen dieser Zusammenstellungen zur Konsequenz hätten . (Die Markierungen mit Buntstift erfolgten vermutlich  nach den Bleistiftmarkierungen, da sie weiter links vom jeweiligen Zeilenan- fang stehen .) In welcher Reihenfolge der einzelnen Lieder, ob und mit welcher  Opuszahl diese potenziellen Zusammenstellungen zu denken sind, ist allerdings  unklar . Die Streichungen und Markierungen zeigen jedoch, dass die Auswahl zu- nächst nicht einfach in einem Ausschluss der später dann in die veröffentlich- ten Zyklen nicht aufgenommenen Lieder bestand: Das später in den gedruckten  Fünf Liedern op . 4 enthaltene »So ich traurig bin« ist auf der Liste zu den Sieben Liedern op . 4 gestrichen . Die Zusammenstellungen sind daher auch nicht ein- fach als umfangreichere Formen der später als opp . 3 und 4 publizierten Zyk- len anzusehen (auch wenn in der Liste zu den Sieben Liedern op . 2 mit einer  Ausnahme [»An Bachesranft«] fast alle Lieder der später veröffentlichten Fünf 19 Das Firmenzeichen des für die Aufstellung der Sieben Lieder op. 4 verwendeten Notenpapiers entspricht dem des Autographs von »Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße« (siehe oben), ist am linken Rand etwas beschädigt und weist (allerdings nicht nur auf Grund der Beschädigung) ein unterschiedliches Format auf: hoch 341 × 240–264 mm. 62 Thomas Ahrend Abbildung 1: Anton Webern, Titelaufstellung zu Sieben Lieder op . 2 (Basel, Paul Sacher   Stiftung, Sammlung Anton Webern), Abdruck mit freundlicher Genehmigung

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nung einer Tonart) dieser vermutlich frühesten George-Vertonung Weberns zu- Der vertonte Text ist in Kurrentschrift und mit wechselnder Groß- und
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