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Suggestion und Hypnose: Vorlesungen für mediziner Psychologen und Juristen PDF

136 Pages·1920·9.159 MB·German
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ISBN 978-3-662-40554-3 ISBN 978-3-662-41033-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-41033-2 Alle Reohte, insbesondere das der "Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Copyright 1920 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg Ursprünglich erschienen bei Julius Springer in Berlin 1920. Vorwort. Das vorliegende Buch ist hervorgegangen aus akademischen Vor lesungen, die ich an der hiesigen Universität über Suggestion und Hypnose gehalten habe. Das Hauptgewicht wurde auf die Vorführung von Ver suchen gelegt. Ein Gebiet, das für den Neuling so viel Rätselhaftes bietet, muß vor allem durch Anschauung und praktischen Unterricht erläutert werden. So tragen denn die nachfolgenden Zeilen im wesent lichen den Stempel persönlichen Gedankenaustausches mit · meinen Zuhörern. Viele theoretische Bemerkungen wurden erst durch Frage und Antwort angeregt. Wenn es auch heute noch nicht möglich ist, alle Symptome der Hypnose in befriedigender Weise aufzuklären, so muß doch versucht werden, manche an und für sich rätselhafte Vorgänge durch Verwertung von normal-psychologischen Erfahrungen verständlicher zu machen bzw. weitere Untersuchp.ngen in dieser Richtung anzuregen. Halle a. d. S., im März 1920: Max Kanft'mann. Inhaltsübersicht. Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ITI I. Vorlesung: Beispiel einer Hypnose. Vorläufige Definition von Sug- gestion und Hypnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I li. Vorlesung: Waohsuggestionen. Wachhypnose. Wirkungen der Hyp nose. Veränderung der Persönlichkeit. Der Rapport. Tätigkeit der Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Vorlesung: Grade der Hypnose. Die Sinnestrübung. Die Muskel starre. Die Amnesie. Übergänge . . . . . . . . . . . . . . 20 IV. Vorlesung: Die posthypnotischen Suggestionen: I. Posthypnotische Suggestionen ohne Termin. 2. Posthypnotische Suggestionen mit . Termin ........................... 29 V. Vorlesung: Theorie der Suggestion und Hypnose. Psychologische Vor bemerkungen. Die Suggestion. Die Entstehung der Hypnose aus dem Unterbewußtsein. Die Bedeutung der Einbildungskraft. Theorie der posthypnotischen Suggestionen . . . . . . . . . . 39 VI. Vorlesung: Der Eintritt der Suggestion in die Psyche. Schlaf und Schlafhypnose, Autohypnose. Analogien mit der Hysterie. Die Urteilskraft in der Hypnose. Die Tierhypnose . . . . . . . . 51 VII. Vorlesung: Die Technik der Hypnose: I. Psychische Vorbereitung. 2. Die Einleitung der Hypnose. 3. Suggerierte Muskelzustände. 4. Die Schlafsuggestion. 5. Die posthypnotischen und Heil suggestionen. 6. Das AUfwecken. 7. Der Bericht des Hypnotisierten. Wiederholung der Hypnose. Die Dressur. Andere Methoden . . 62 VIII. Vorlesung: Die Theorie der Technik. Die Monotonie. Die Sug gestion. Die Wirkung der Katalepsie. Die Bewußtseinsspaltung. Der Kontakt des Hypnotiseurs mit dem Hypnotisierten. Die eigene Tätigkeit des Hypnotisierten. Verhältnis von Wach-Hypnose zu suggeriertem Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IX. Vorlesung: Die therapeutische Anwendung der Suggestion und Hyp nose. Die Suggestion. Die diagnostische Anwendung der Hyp nose. Der hypnotische Schlaf. Der Traumschlaf. Theorie der therapeutischen Wirkung. · Die Hypnose mit Schlafmitteln. Die Heilsuggestion als veränderte Assoziationstätigkeit . . . . . . . 84 X. Vorlesung: Die Bedeutungvon.-Suggestion und Hypnose für die Völker psychologie und Religion. Das neue Testament. Der Islam. Indien 96 XI. Vorlesung: Suggestion und Hypnose in Psychologie und Okkultismus 106 XII. Vorlesung: Suggestion und Hypnose in Recht, Geschichte und Politik 116 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Vorlesung. Beispiel einer Hypnose. Vorläufige Definition von Suggestion und Hypnose. Meine Damen und Herren! Bevor ich mit Ihnen eingehender über Suggestion und Hypnose spreche, möchte ich Ihnen gleich ein Beispiel einer Hypnose vorführen. Ich habe eine Dame hierhergebeten, die ich schon öfters hypnotisiert habe, bei der ich also voraussetzen kann, daß die Hypnose gelingen wird. Ich setze die zu hypnotisierende Person in einen bequemen Lehnstuhl aufrecht hin; ich selbst nehme ihr gegen über Platz. Ich fordere die Dame auf, intensiv an Schlaf zu denken. "Denken Sie mal daran, Sie wollen jetzt fest schlafen und denken Sie an gar nichts anderes sonst. Sehen Sie mich an." I eh streiche mit den Fingern beider Hände an der Seite beider Arme herunter. ",hre Glieder werden schwer und schwerer." Dann streiche ich von der Mitte der Stirne nach den Schläfen zu. "Nun werden Sie müder und müder. Sie werden immer schläfriger." Ich mache mit den Fingern Winkbewegungen vor den Augen von oben nach unten. "Die Augenlider werden schwer und schwerer ur~;d fallen Ihnen zu." (Tatsächlich fallen jetzt die Augen zu.) Ich lege nun meine eine Hand auf die Stirn und übe mit zwei Fingern derselben auf die geschlossenen Augen einen leichten Druck aus. "Nun können Sie die Augen nicht mehr aufmachen." (Sie kann tatsächlich trotz Versuchs die Augen nicht mehr öffnen.) Ich umfasse die Handgelenke. ;,Ihre Arme werden schwer, Sie können sie nicht mehr bewegen." Ich lege die rechte Hand auf die rechte Kopfseite, übe mit einem Finger einen leichten Druck auf die Hand aus und sage: "Die Hand können Sie vom Kopf nicht mehr herunter nehmen. Der Kopf übt sozusagen eine Anziehungskraft auf die Hand aus. Wenn Sie es versuchen, wird die Hand immer wieder auf den Kopf zur'ückfalll!n. Versuchen Sie die Hand herunter zu nehmen, es wird nicht gelingen." (Die Hand hebt sich nur wenig vom Kopf und fällt wieder zurück.) Ich nehme fernerhin die andere Hand, mache eine Faust, bestreiche diese etwas und sage, indem ich einen ganz leichten Gegendruck au.sübe: "Nun können Sie die Hand nicht mehr aufmachen." (Wie Sie sehen, genügt der geringe Widerstand, den ich ihren Bewegungen entgegensetzte, vollkommen, um diese Bewegung unmöglich zu machen.) "Nun werden Sie immer müder und fallen in Schlaf." Ich drücke nun die Dame sanft gegen die Lehne des Stuhles und nehme die Hand vom Kopf herunter. "Sie schlafen ein." "Halten Sie den rechten Arm hoch Xauffmann, Suggestion und Hypnose. 1 2 Beispiel einer Hypnose. in die Luft und behalten Sie ihn in dieser Stellung. Sie werden keine Empfindung von Müdigkeit oder Schmerzen haben." Ich steche die Person tief in die Haut des Gesichts, in die Lippen. "Nehmen Sie dieses Kästchen in die Hand." (Die Dame befolgt die Aufforderung, obwohl ich ihr tat sächlich nichts in die Hand gebe.) "Hier habe ich ein Glas schönen Weines, trinken Sie." (Sie sehen, sie trinkt - sozusagen aus dem Nichts.) "Nehmen Sie dieses schöne Veilchen, riechen Sie, wie es duftet." (Sie riecht an der vermeintlichen Blume, die ich ihr in die Hand gegeben habe.) Nun lasse ich die Dame etwa eine Viertelstunde mit erhobenem Arm sitzen und benutze die Zeit, die bisher vor Ihnen gezeigten Vorgänge des Näheren zu besprechen. Sie haben- um es mit einem Wort zu sagen- die Einschläferung einer Person mit angesehen. Der nächste Gedanke, der vielen, die zum ersten Male eine Hypnose ansehen, kommt, ist: Das ist alles nur Mache, die Person schauspielert nur und simuliert Schlaf. Um diesem Vorwand gleich zu begegnen, habe ich die Schmerzempfindlichkeit der Haut geprüft. Nun könnten Sie mir einwenden: vielleicht handelt es sich hier um eine Hysterika, welche überhaupt eine Herabsetzung bzw. Aufhebung der Schmerzempfindung der Haut hat. Nun, Sie werden nachher sehen, daß das nicht der Fall ist. Ein anderer Nachweis, daß hier keine Simulation vorliegen kann, wird geführt durch das andauernde Beibehalten des Armes in einer unbequemen Stellung. Es handelt sich hier um die sog. kataleptische Muskelstarre. Ein wacher Mensch kann erfahrungsgemäß nicht länger als etwa eine Viertelstunde den Arm dauernd hochhalten. Am Schluß dieser Zeit würden Sie bemerken, daß der Betreffende nur mit großer Selbstüberwindung und anscheinend mit starken Zeichen der Ermüdung den Arm krampfhaft hochhält, dabei schwankt der Arm schon sehr bedenklich, dad Gesicht wird gerötet, die Atmung beschleunigt und plötzlich läßt der Betreffende den Arm dann wie einen Bleiklumpen fallen. Ganz anders in der Hypnose, wie Sie noch sehen werden. Nun drängt sich Ihnen wohl vor allen Dingen der Gedanke auf, daß es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Schlaf handeln kann, denn im allgemeinen pflegen die Menschen nicht im Sitzen, in Gegenwart von fremden Personen zur Tageszeit einzuschlafen und dann vor allen Dingen nicht in dieser Weise zu reagieren. Wenn ich einen wirklich Schlafenden anrede, so wird er meist entweder gar keine Antwort geben oder ersqhreckt auffahren und erwachen. Es gibt wohl Leute, die aus dem Schlafzustand in Hypnose übergeführt werden können, doch ist dies selten. Darüber nqch später mehr. Nach Erwähnung der Simulation und des Schlafes möchte ich nun mehr die von Ihnen gesehenen Vorgänge sowohl in psychologischer wie in physiologischer Beziehung durchsprechen. Meine Damen und Herrn! Wenn Sie mit der Erwartung in meine Vorlesung gekommen 'sind, etwas über Suggestion und Hypnose zu hören, vielleicht auch zu sehen, so sind Sie sozusagen selbst schon etwas "beeinflußt". Nun weiß auch die Versuchsperson, die ich schon in früheren Vorlesungen beigezogen habe - eine bis auf geringe nervöse Symptome gesunde junge Dame von 21 Jahren -- daß ich eine Hyp- Monotonie und Suggestibilität. 3 nose bei ihr demonstrieren werde. Sie ist damit einverstanden, was sehr wichtig ist; denn würde die Dame sich nicht mit dem Hypnotisieren einverstanden erklärt haben, so hätte ich gewisse Schwierigkeiten. In einer früheren Vorlesung nämlich erklärte sie, nachdem sie sich wieder holt hatte hypnotisieren lassen, daß sie nun keine Lust mehr habe. Ich versuchte es trotzdem, stand aber bald von meinem Vorhaben ab, weil die Dame - wohl aus einer gewissen Verlegenheit oder einem Reizzustand heraus - mich fortwährend anlachte. Ein Herr aus Indien, von dem sie sich, wie sie mir sagte, gern einmal hypnotisieren lassen wollte. hat sie dann - angeblich gegen ihren Willen - mit der sog. Faszinationsmethode doch in Hypnose gebracht. Allerdings k01mte sie nachher eine Zeitlang die Augen nicht aufmachen. Solche krampf artigen Folgeerscheinungen einer Hypnose wider Willen soll man nicht. provozieren. Es muß also das Einverständnis des zu Hypnotisierenden vorhanden sein, ja noch mehr, die Erwartung_ des Schlafes, aber nicht der Wunsch, den Schlaf zu erzwin~en, weil ein allzu heftiger Wunsch häufig mit unbewußten oder unterbewußten Gegenvorstellungen kombiniert ist. Als ich die Dame ca. eine halbe Minute ansah, fiel Ihnen die unbeweg liche Starre unserer beiden Augen auf. Es gehört diese zu den hypno sigenen Maßregeln, der Monotonie. Es ist Ihnen bekannt, daß das Monotone schlaferzeugend wirkt, z. B. das Murmeln des Baches, ein tönige Gesänge (Wiegenlieder usw.). Die schlafbringende Wirkung der Monotonie habe ich auch bei meinen Worten vorhin angewandt. Ich wiederholte der Dame mit.eintöniller_Stimme: .. Sie werden immer müder und müder, Sie werden Immer schläfriger" usw. Allein noch ein anderes Moment kam hinzu, das ist die sog. Sug gestion, die ich kurz mit Eingebung übersetzen möchte. Ich habe der Versuchsperson die Eingebungen des Schlafes beigebracht. Sie bemerkt<'n dabei, daß ihre Augen einen starken Glanz bekamen, daß auch die Horn haut leicht bläulich injiziert war (sog. ziliare Injektion). Es ist dies eine - übrigens auch sonst bekmmte - Eigentümlichkeit dieser Versuchsperson, daß sie bei der Hypliose starke vasomotorische Erscheinungen bekommt, daß sie leicht zyanotisch aussieht. Die Lippen· sind etwas bläulich verfärbt, ebenso die Fingerspitzen, dabei ist das Gesicht blässer als in der Norm. Blässe des Gesichts wird von: einigen Autoren als Zeichen der beginnenden Hypnose an-, gesehen. ( Indem ich der Dame sagte: "Ihre Arme werden schwer, Ihre Augen werden schwer", nachher: "Sie können die Augen nicht mehr auf machen", habe ich eine sehr wirksame Suggestion bei ihr erzeugt, näpl lich den Glauben an meine Macht. Ich habe ihre Arme nur ganz leicht angefaßt, ihre Augenlider nur mit einem ganz leichten Druck nieder gehalten, der aber vollständig genügte, um ihre Gegenanstrengungen, die Arme zu bewegen, die Augen zu öffnen, zu vereiteln. Durch diesen Vorgang erweckte ich in der Person die Überzeugung von meiner suggestiven Macht über sie, die dann weitere Suggestionen ermöglichte, wie den Befehl, immer müder zu werden, und schließlich das Eintreten des Schlafzustandes, der allerdings dadurch noch erleichtert wurde, daß 1"' 4 Beispiel einer Hypnose. ich die Dame aus ihrer aufrechten Stellung mit sanftem Druck gegen die Lehne zurückfallen ließ, "halb drückte ich sie, halb sank sie hin". Sie sehen aus diesen Maßnahmen, daß man. eine Mischung von sprachlichen Eingebungen mit monotonen Maßnahmen und mechanischen Handgriffen kombiniert. Der zu Hypnotisierende kann dabei nicht beurteilen, was Suggestion und was mechanische Handgriffe sind, "bzw. er täuscht sich über deren gegenseitige Abgrenzung. Nachdem nun die Versuchsperson meine suggestive Macht kennen gelernt hatte, trat dann rasch große Müdigkeit und der eigentümliche Schlafzustand auf. Ich habe dann noch einige Zeit gewartet, weil zwischen Müdigkeit und festem Schlaf immerhin ein gradueller Unterschied besteht und man nie wissen kann, wann ein tiefer Schlaf eingetreten ist. Die Halluzinationen des Weines, des Veilchens, erscheinen Ihnen wohl etwas fremdartig und unerklärlich. Ich kann sie heute noch nicht des Näheren besprechen. Inzwischen sind 20 Minuten seit dem Hochheben des Armes ver strichen. Sie sehen, daß der Arm wohl leicht hin und her schwankt, jedoch immerhin oben stehen bleibt. Er fühlt sich kälter an als der linke Arm und ist ganz steif. Ich kann nun die Person die Augen öffnen lassen, trotzdem schläft sie weiter. Ich fordere sie dabei auf, einen Gegenstand in der Nähe anzusehen, weil sonst häufig beim Aufschlagen der Augen Erwach.,en . eintritt. Da nämlich das Öffnen der Augen sozusagen automatisch das Erwachen auslöst, so darf man nicht ohne weiteres das Öffnen der Augen suggerieren. Ich will ihr nun eingeben, sie stände vor einer Menagerie und will einige von Ihnen als Tiere: Löwe, Pferd, Elefant, Kamel bezeichnen. Sie werden sehen, daß die Versuchsperson alles so sieht, wie ich es ihr befehle. "Schlafen Sie bei offenen Augen. Machen Sie die Augen auf und sehen Sie diesen Finger an, schlafen Sie aber weiter. Stehen Sie auf, gehen Sie mit mir im Zimmer herum. Sie sehen hier eine große Menagerie vor sich mit allerlei Tieren. Das hier ist ein Löwe, nicht wahr?" (Die Dame nickt.) "Ja, das ist ein Löwe." "Hier ist ein Kamel; streicheln Sie ihm den Hals." (Die Dame tut dies.) "Das ist ein Pferd, was hat es fur eine Farbe?" (Die Dame antwortet: gelb.) "Ntm gehen wir weiter, wir machen eine Reise und steigen eine Treppe hoch zu einem Dampfet· in Hamburg." (Sie sehen, die Dame macht Bewegungen des Steigens.) "Wir fahren nun fort und kommen in eine immer heißere Gegend, jetzt wird es warm und wärmer, Sie fangen an zu schwitzen." (Nun rötet sich die Haut der Dame an Gesicht und Händen, die Haut fühlt sich heiß an. Schweißtropfen sehe ich bisher noch nicht.) · Was Ihnen bei der Dame auffällt, das ist der sog. somnambule Blick, ein in die Ferne schauendes, starres, etwas aus den Höhlen hervor tretendes Auge, mit weiten Pupillen, was der Person etwas Unheim liches, Geisterhaftes, verleiht. Anscheinend bemerkt sie Gegenstände in der Nähe gar nicht oder nur unvollständig, aber was ich ihr zeige, erweckt sofort ihre Aufmerksamkeit. Die Suggestion "wir kommen in Katalepsie und Befehlsautomat-ie. 5 ein warmes Klima", hat tatsächlich Rötung der Haut erzeugt, jedoch keine Schweißsekretion. Nun will ich den immer noch hochstehenden rechten Arm nach unten bringen, nachdem er eine halbe Stunde hochgehalten wurde. Ich glaube kaum, daß einer von Ihnen länger als 15 Minuten den Arm so hochhalten kann, ja nicht einmal 'so lange. Die Dame hat heute wohl gar keine Schmerzempfindung in dem Arm, morgen oder über morgen bekommt sie etwas Muskelschmerzen, sog. Exerzierfieber, was auf stiirkere ungewohnte Anstrengung einzelner Muskeln zu beziehen i::;t. Ich kann ihr also die Empfindung für unbequeme Haltung und die damit verbundene Muskelanstrengung nehmen, nicht aber die auf Hyperämie und Exsudation beruhende Muskelschwellung, es sei denn, daß ich das auch suggestiv beeinflusse, was aber nicht immer gelingt. Nachdem die Muskelstarre aufgehoben ist, kann ich bei der Person uun noch die motorische Leistung prüfen. Ein gut HYPnotisierter zeigt die sog. Befehlsautomatie, das heißt, er tut, was man ihm aufträgt, es sei denn, daß bei peinlichen Aufträgen gewisse Hemmungen entgegen stehen. Ich kann die Person gehen und arbeiten lassen, kann ihr Auf träge erteilen- sie wird alles tadellosFusführen. Ich kann ihr.aber auch eine fortgesetzte Handlung bzw. Bewegung suggerieren. "Legen Sie beide Arme gegeneinander und rollen Sie dieselben fort während umeinander. Sie hören erst auf, wenn ich es sage." (Wie Sie se'hen, rollt die Person die Arme andauernd umeinander.) Man nennt diese Erscheinung fortgesetzte Bewegung oder Dreh-Automatismus. Er ist meistens schon im zweiten Stadium der Hypnose vorhanden. Die Person hat jetzt gar kein Gefühl von ihrer Bewegung, sz:e wird ebensowenig müde, wie von dem Hochhalten des Armes vorhin. Ich könnte sie eine halbe Stunde so weiter machen lassen. Nun rufe ich Halt! (Sie hört auf.) "Gehen Sie zu den Herren in der ersten Bank und geben Sie einem jeden die Hand." (Es geschieht.) "Gehen Sie dreimal um den Stuhl herum." ( .A, uch das geschieht anstandslos.) "Küssen Sie diesem Herrn die Hand." Die Dame geht wohl zu dem Herrn hin, stockt aber dann.) I eh frage nun: "Nun, warum tun Sie nicht, was ich Ihnen auftrage?" "Ich küsse einem Herrn die Hand überhmtpt nicht." (Wie Sie sehen, ist die Dame kein willenloser Automat, der alles tut.) Ich will weiterhin der Dame suggerieren, daß ich ihr Schnupftabak anbiete. "Hier nehmen Sie mal eine große Prise Sehneeberger Schnupf tabak. Nun nießen Siel". (Wie Sie sehen, nießt die Dame wiederholt.) "Essen Sie diesen Apfel." - In Wirklichkeit ist es eine Kartoffel. - (Die Dame ißt anscheinend mit großem Wohlgefallen die Kartoffel.) Sie sehen also, daß es sehr gut bei der Dame gelingt, ihr alle mög lichen Halluzinationen zu suggerieren. Sie ist in einer Menagerie, sie macht Reisen, aber sie wirkt nicht mit bei einem Befehl, der ihren Anschauungen von Anst&nd widerspricht. Etwas anderes ist es, wenn ich ihr durch Suggestion die Situation verschleiere. "Mein Fräulein, hier in der ersten Bank sitzt Ihre Mutter an erster Stelle. Gehen Sie auf sie zu, begrüßen Sie sie." (Es geschieht.) "Küssen Sie ihr die Hand". (Wie Sie sehen, geschieht es auch, obgleich die be treffende Person in Wirklichkeit ein Herr ist.) 6 Beispiel einer HypnoSE'. \Venn ich also eine suggestive Täuschung erzeuge, dann kann ich Handlungen befehlen, welche den Gepflogenheiten der Person wider- 8prechen, ja ich köm1te die betreffende Person zu allerlei leichtsinnigen Manövern verleiten. "Ich habe hier ein Glas schweren Weines. Wenn Sie davon trinken, werden Sie stark betrunken werden. Trinken Sie." (Wie Sie sehen, weigert sich die Person.) "Nun trinken Sie diesen leichten Wein, ·der schadet Ihnen nichts." (Die Person trinkt aus ihrer kohlen Hand.) "Der Wein war doch sehr schwer. Jetzt fangen Sie an zu taumeln und werden betrunken, Sie können nickt mehr sprechen. Gehen Sie einmal." (Wie Sie sehen, taumelt die Person.) "Wie heißen St:e ?" "An-An-na Frök-ök-l-lick." (Die Dame kann ta.tsäcklick nickt mehr frei sprechen.) "Nun werden Sie wieder ganz normal. Sprechen Sie. Zählen Sie." (Wie Sie kören, spricht die Dame wieder ganz fehlerfrei.) Es wird häufig behauptet, daß der Hypnotisierte ein schärferes Gedächtnis habe und schärfere Simlestätigkeit als im wachen Zu8tand. Dies ist dadurch zu erklären, daß durch Einengung des Bewußtseins für manche Tätigkeiten eine stärkere Konzentration suggeriert werden kann. Ich will Ihnen dies hier an einem Beispiel zeigen. Ich habe hier 15 Karten. Eine Karte is.t.&_t(nau _gekennzeichnet. Diese will ich der Person als nicht vorhand'en-"1l1lggerieren. "Sehen Sie diese Karte?'' "Ja." "Diese Karte ist nun für Sie nickt sichtbar. Wenn ich die Karten mische, so werden Sie diese Karte nickt sehen." Meine Damen und Herren! Ste haben d-ie Karte vorher gesehen und werden sie wieder erkennen. Nun mische ich die Karten. "Geben Sie mir alle Karten, die Sie sehen." (Die Dame gibt mir 14 Karten.) Die Karte - das Trelfaß - es ist dieselbe, die wir vorhin gesehen haben, ist nickt sichtbar. I eh will ihr nun eine andere Karte als unsichtbar bezeichnen. "Sie werden diese Karte nun nickt mehr sehen." (Es ist die Karte: Karoaß.) Ich mische nun die Karten. "Jetzt zeigen Sie mir alle Karten, die Sie sehen." (Die Dame gibt mir 15 Karten.) Sie ersehen aus diesem Versuch, daß der Hypnotisierte bei den sog. negativen Halluzinationen, d. h. Sinnestäuschungen von ·der Art, daß man wirklich vorhandene Gegenstände als nicht vorhanden annimmt, doch die Gegenstände wahrnimmt, wenn auch nicht sich dieBer Wahr· nehmung bewußt wird. Die Dame hat die drei Nadelstiche, die Sie wahrscheinlich nicht gesehen hätten, an der ersten Karte wohl bemerkt und diese Marke genügte ihr, um die Karte von andern zu unterscheiden. In dem anderen Falle, als ich der Dame eine nicht gezeichnete Karte gab, da konnte sie die Karte nachher nicht mehr erkennen und also unterbewußt von den anderen überhaupt nicht unterscheiden. Das Bei· spiel beweist Ihnen aber weiterhin, wie scharf H:ypnotisierte beobachten können - schärfer a,W_,eiu Waeher. Wenn Sie dre hypnotisierte Person sich noch einmal näher betrachten, so finden Sie, daß die Atmung beschleunigt ist, ca. 24 Atemzüge in der Minute, der Puls ebenfalls, 90--100 Schläge; die Augen treten etwas aus den Höhlen, deshalb sind die Augenlider leicht geöffnet; beim Öffnen der Augen gewahren Sie weite Pupillen. Das sind Erscheinungen, welche von denen des Schlafes abweichen, bei welchem bekanntlich die

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