PLATON Politikos Übersetzung und Kommentar von Friedo Ricken Vandenhoeck Ruprecht & Gedruckt mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. ISBN 978-3-525-30407-5 © 2008 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu§ 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr-und Unterrichtszwecke. - Printed in Germany. Gesamtherstellung: @l Hubert & Co., Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 ÜBERSETZUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 9 Gliederung des Dialogs und der Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 KOMMENTAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . 79 Appendizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Die Entstehungszeit des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Methoden und Aufbau des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Die Stellung des Dialogs in Platons politischer Philosophie . . . . 239 IV. Der Politikos und die Politik des Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Textausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Monographien und Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3. Sachen .................................................... 286 4. Griechische Wörter . . . .. . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Vorwort Der Politikos zählt zu den weniger bekannten und oft wenig geschätzten Dialogen Platons. Seit den Tagen der Neuplatoniker, so urteilt ein Ken ner wie A.E. Taylor1, scheine er wenig gelesen worden zu sein und er sei vergleichsweise wenig ediert worden; vielleicht sei kein anderes Werk Platons von gleicher Bedeutung in demselben Ausmaß vernachlässigt worden. Der Politikos, so ist in der Literatur zu lesen, sei langweilig, scho lastisch, kompliziert und konfus; seine Einheit wird in Frage gestellt. Das meiste Interesse hat seit den Neuplatonikern der Mythos von den beiden entgegengesetzten Kreisläufen des Weltalls gefunden. Zweifellos zeigt der Politikos nicht den literarischen Glanz der großen Dialoge der mittleren Periode; die langen Begriffsunterteilungen sind er müdend; der Wechsel zwischen den verschiedenen Methoden, mit denen der Dialog arbeitet, verwirrt. Aber gerade diese vermeintlichen Schwä chen sind eine Herausforderung an den Interpreten. Ein wichtiger Anstoß für das Studium des Politikos war das Dritte Symposium Platonicum, das unter der Leitung von Christopher J. Rowe im August 1992 in Bristol stattfand. Der Übersetzung liegt die Edition von E. A. Duke u. a. in der Scripto rum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis (1995) zugrunde; Abweichungen von diesem Text sind in den Fußnoten der Übersetzung angegeben. Die Übersetzung will den Text nicht glätten und seine Härten nicht beseiti gen; sie will eine Übersetzung und keine Paraphrase sein. Sie will nicht vereinfachen und nicht vereinheitlichen; sie muss sich mit den sprach lichen Mitteln des Originals begnügen; was der griechische Text offen lässt, soll auch der deutsche offen lassen. Wer den deutschen Text liest, soll es nicht leichter haben als die Leser des griechischen Originals zu Pla tons Zeiten; er soll in derselben Weise durch den Text gefordert werden. Der Kommentar folgt dem Gedankengang des Textes; er arbeitet die einzelnen Schritte heraus und erläutert die politischen und kultur geschichtlichen Anspielungen und Hintergründe. Dadurch besteht bei den verschlungenen Wegen des Dialogs die Gefahr, dass trotz der Glie- 1 Taylor 1961, 250. 8 Vorwort derung das Ganze aus dem Blick gerät. Dem wollen die beiden Appendi zes über Methoden und Aufbau des Dialogs und über die Stellung des Po litikos in Platons politischer Philosophie abhelfen; sie arbeiten den roten Faden heraus und können als Einleitung in den Dialog gelesen werden. Ein Kommentar hat die Aufgabe, eine geschlossene und dadurch über zeugende Deutung eines Werkes vorzulegen. Auf andere Interpretationen muss er so hinweisen, dass der Leser, wenn er der Frage nachgehen will, sich anhand der einschlägigen Literatur ein eigenes Urteil bilden kann. Wo es darum geht, das Anliegen der eigenen These klar herauszuarbei ten, kann es notwendig sein, die Position, gegen die sie sich richtet, zu skizzieren. Dennoch ist ein Kommentar kein Forschungsbericht, der alle einmal vertretenen Interpretationen referieren und kritisch beurteilen müsste. Der Preis dafür wäre die Unübersichtlichkeit und dass der Kom mentar nicht zuletzt für die Studierenden unbrauchbar würde. Die englische Übersetzung von Christopher J. Rowe (1999) hat mich bei keiner meiner Fragen im Stich gelassen. Herrn Dr. Bernhard Koch danke ich für seine sachkundige, engagierte und immer entgegenkom mende Hilfe. München, 19. November 2007 ÜBERSETZUNG Sokrates. Theodoros. Der Fremde. Sokrates der Jüngere 257aJ SOKRATESW: irklich vielen Dank schulde ich dir, Theodoros, für die Be kanntschaft mit Theaitet und auch mit diesem Fremden. THEODOROSB:a ld wirst du dreifachen Dank schulden, Sokrates, wenn sie den Staatsmann und den Philosoph werden ausgearbeitet haben. SOKRATESD:a s mag sein. Sollen wir sagen, lieber Theodoros, wir hätten das so von dem besten Kenner der Rechenkunst und der Geometrie ge hört? 257b THEODOORS : Wie meinst du das, Sokrates? SOKRATESD: ass er jedem dieser Männer den gleichen Wert zuerteilt, die doch in ihrem Rang einen größeren Abstand voneinander haben als es sich in eurer Kunst durch die Analogie ausdrücken lässt. THEODOROSB: ei unserem Gott Ammon: Treffend, mit Recht und mit gutem Gedächtnis hast du mir den Fehler in meinen Berechnungen vor geworfen, und ich setze mich damit ein andermal auseinander. Du aber, Fremder, werde nicht müde, uns einen Gefallen zu tun, sondern triff eine 257c Entscheidung, ob du zuerst den Staatsmann oder den Philosophen nimmst, und gehe sie dann nacheinander durch. DER FREMDED: as müssen wir wohl tun, Theodoros; weil wir einmal da mit begonnen haben, dürfen wird nicht aufhören, bevor wir mit ihnen zu Ende gekommen sind. Aber was soll ich denn mit diesem Theaitet machen? THE0DOROSI:n welcher Hinsicht? DER FREMDES: ollen wir ihm eine Pause gönnen und ihn durch seinen Mitschüler hier, den Sokrates, ersetzen? Oder was rätst du? THE0DOR0S:W ie du sagtest: ersetze ihn. Denn beide sind noch jung, und sie werden jede Anstrengung leichter ertragen, wenn sie sich aus ruhen. 257d SOKRATESU:n d beide scheinen doch, Fremder, irgendwoher mit mir ei- ne gewisse Verwandtschaft zu haben. Der eine, so behauptet ihr jeden falls, scheine in seinen Gesichtszügen mir ähnlich; bei dem anderen 258a schafft der gleichlautende Name und die Anrede eine Zugehörigkeit zu uns. Wir müssen doch immer darauf am, sein, die Verwandten durch das Gespräch wiederzuerkennen. Mit Theaitet habe ich gestern selbst ein Ge- 12 Übersetzung spräch geführt, und jetzt habe ich ihn antworten gehört, bei Sokrates aber keines von beiden. Aber auch er muss in Augenschein genommen wer den. Mir soll er ein andermal, dir aber jetzt antworten. DER FREMDE:S o sei es. Sokrates, du hörst doch Sokrates? SOKRATEDS ERJ ÜNGERE:J a. DER FREMDE:B ist du einverstanden mit dem, was er sagt? SOKRATEDS ERJ üNGERE: Durchaus. 258b DER FREMDEV: on dir aus scheint nichts im Wege zu stehen, und so darf wohl von mir aus erst recht nichts entgegenstehen. Nach dem Sophisten müssen wir doch nun, wie mir scheint, den Staatsmann suchen. So sage mir, ob wir auch ihn als einen der Wissenden setzen sollen, oder wie? SOKRATEDS ERJ ÜNGEREJ: a. DER FREMDE:W ir müssen also die Wissenschaften einteilen, wie da mals, als wir den ersten der beiden betrachteten. SOKRATEDS ERJ ÜNGERE:V ielleicht. DER FREMDE:A ber nicht, wie mir scheint, Sokrates, nach demselben Schnitt. SOKRATEDS ERJ ÜNGERE:W as sonst? 258c DER FREMDE:N ach einem anderen. SOKRATEDS ERJ üNGERE:A nscheinend. DER FREMDE:W ie findet nun einer den Pfad der Staatskunst? Denn wir müssen ihn finden, und wenn wir ihn von den anderen abgesondert ha ben, ihm eine Gestalt aufprägen. Und den übrigen Wegen müssen wir dann eine andere Art als Kennzeichen geben und so unsere Seele dazu bringen, alle Wissenschaften als zwei Arten zu denken. SOKRATEDS ERJ üNGERE: Das ist, glaube ich, sicherlich deine Aufgabe, Fremder, und nicht meine. 258d DER FREMDE:S ie muss aber auch deine sein, Sokrates, wenn sie uns klar geworden ist. SOKRATEDS ERJ ÜNGERE:D as hast du schön gesagt. DER FREMDE:S ind nun nicht die Arithmetik und einige andere ihr ver wandte Künste aller Handlungen bar und liefern nur Erkenntnis? SOKRATEDS ERJ ÜNGERE:S o ist es. DER FREMDE:D ie Künste um die des Zimmermanns dagegen und alle 258e anderen Handwerke haben die Wissenschaft gleichsam in den Handlun gen drinnen, ihnen eingeboren, d. h. als eine, die mit ihnen zusammen die durch sie entstehenden körperlichen Dinge, die vorher nicht waren, vollendet. SOKRATEDS ERJ ÜNGERE:W as sonst? DER FREMDE:A uf diese Weise teile nun sämtliche Wissenschaften, und nenne die eine tätig, die andere aber bloß erkennend.