JJ_Ti.B•Groß14777-2 24.10.2007 10:06 Uhr Seite 1 Martin Groß Klassen, Schichten, Mobilität JJ_Ti.B•Groß14777-2 24.10.2007 10:06 Uhr Seite 2 Studienskripten zur Soziologie Herausgeber: Prof.Dr.Heinz Sahner, Dr.Michael Bayer und Prof.Dr.Reinhold Sackmann begründet von Prof.Dr.Erwin K.Scheuch† Die Bände „Studienskripten zur Soziologie“ sind als in sich abgeschlossene Bausteine für das Grund- und Hauptstudium konzipiert.Sie umfassen sowohl Bände zu den Methoden der empirischen Sozialforschung,Darstellung der Grundlagen der Soziologie als auch Arbei- ten zu so genannten Bindestrich-Soziologien,in denen verschiedene theoretische Ansätze, die Entwicklung eines Themas und wichtige empirische Studien und Ergebnisse dargestellt und diskutiert werden.Diese Studienskripten sind in erster Linie für Anfangssemester gedacht, sollen aber auch dem Examenskandidaten und dem Praktiker eine rasch zugängliche Infor- mationsquelle sein. JJ_Ti.B•Groß14777-2 24.10.2007 10:06 Uhr Seite 3 Martin Groß Klassen, Schichten, Mobilität Eine Einführung JJ_Ti.B•Groß14777-2 24.10.2007 10:06 Uhr Seite 4 Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Die 1.–8.Auflage erschien im Teubner Verlag 9.,überarbeitete Auflage März 2002 10.,durchgesehene Auflage Juni 2005 1.Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten ©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008 Lektorat:Frank Engelhardt Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-14777-2 Inhalt Einleitung 9 Die Klassiker der Ungleichheitsforschung 13 1.1 Karl Marx ........................................................................................ 31 1.1.1 Grundz%e des Marxschen Klassenkonzepts ....................... 14 1.1.2 Soziales Handeln und Klassenbildung ................................. 16 1.1.3 Die Dynamik des Kapitalismus ........................................... 17 1.1.4 Zusammenfassung: Wichtige Punkte und Probleme ............ 19 1.2 Max Weber ...................................................................................... 22 1.2.1 Der KlassenbegriffMax Webers ......................................... 22 1.2.2 Der Standesbegriff ............................................................... 24 1.2.3 Klasse und Stand .................................................................. 24 1.2.4 Klasse, Stand und soziales Handeln ..................................... 25 1.2.5 Die Dynamik des Kapitalismus ........................................... 26 1.2.6 Max Webers ambige Ungleichheitskonzeption ................... 29 1.3 Theodor Geiger ................................................................................ 31 1.3.1 Soziale Lage, Mentalitgt und Schicht .................................. 31 1.3.2 Zusammenfassung: Schicht als deskriptives Ungleichheitskonzept ........................................................... 33 1.4 Die funktionalistische Schichtungstheorie ....................................... 35 1.4.1 Grundz%e der funktionalistischen Schichtungstheorie ....... 35 1.4.2 Implikationen der funktionalistischen Schichtungstheorie .. 36 1.5 Konzeptionen sozialer Ungleichheit: Zur Koh~renz von Erkennmisinteressen und Begriffsbildung ....................................... 38 Neuere Ans~itze der Schicht- und Klassentheorie 41 2.1 Die Analyse sozialer Schichtung ..................................................... 41 2.1.1 Status und Prestige ............................................................... 41 2.1.2 Aktualisierungen des Schichtmodells von Geiger ............... 47 2.1.3 Zusammenfassung ............................................................... 51 2.2 Die Entwicklung der Klassenanalyse ............................................... 52 2.2.1 Schliegungsbasierte Klassenkonzepte .................................. 52 2.2.2 Machtbasierte Klassenkonzepte ........................................... 73 6 Inhalt 2.3 Schichten und Klassen: Erkenntnisansprtiche und konzeptionelle Grundz0ge ....................................................................................... 85 Die Entstrukturierungsdebatte 89 3.1 Struktureller Wandel in modemen Gesellschaften .......................... 89 3.1.1 Die Wohlstandsgesellschaft ................................................. 89 3.1.2 Klassen, Schichten und institutionelle Rahmenbedingungen ........................................................... 90 3.1.3 Die Zunahme sozialer Mobilit~it .......................................... 92 3.2 Die Folgen des strukturellen Wandels ............................................. 92 3.2.1 Die subjektive Bewertung objektiver Gegebenheiten und ,,neue" soziale Ungleichheiten ............................................. 93 3.2.2 Pluralisierung von Lebenslagen und die Entstrukturierung sozialen Handelns ................................................................ 95 3.2.3 Die Individualisierungsthese ................................................ 96 3.3 Lagen, Milieus und Lebensstile ....................................................... 98 3.3.1 Lagen: Objektive Charakteristika sozialer Ungleichheit ..... 98 3.3.2 Lebensstile: Die Oberfl~iche sozialer Ungleichheit ............ 100 3.3.3 Milieus: subjektive Charakteristika sozialer Ungleichheit. 104 3.4 Alte und neue Konzepte im Vergleich ........................................... 107 3.4.1 Die Beschreibung und Erkl~imng der Struktt~en sozialer Ungleichheit ....................................................................... 108 3.4.2 Die Erkl~imng sozialen Handelns ....................................... 111 3.5 Zusammenfassung ......................................................................... 114 Theorien und Methoden der intergenerationalen Mobilitiitsforschung 117 4.1 Industrialisierung und soziale Mobilit~it ........................................ 118 4.1.1 Technische Anmerkungen: Inflow, outflow und der Assoziationsindex .............................................................. 121 4.1.2 Zusammenfassung ............................................................. 125 4.2 Der Statusattainment-Ansatz ......................................................... 127 4.2.1 Das Pfadmodell .................................................................. 127 4.2.2 Zusammenfassung ............................................................. 131 4.3 Klassenbasierte Mobilit~itssmdien ................................................. 132 4.3.1 Methodischer Exkurs: Bildungsskalen und log-lineare Modelle .............................................................................. 134 4.3.2 Herkunft und Bildungserwerb ............................................ 139 4.3.3 Herkunft und berufliche Position ....................................... 147 4.3.4 Zusammenfassung ............................................................. 153 Inhalt 7 4.4 Industrialisierungsthese versus Klassenbildung ............................. 153 Arbeitsmarktstrukturen und Muster der intragenerationalen Mobilit~it 159 5.1 Neoklassische Arbeitsmarkttheorie: Ungehinderte Mobilit~it und Aquivalententausch ........................................................................ 160 5.2 Segrnentationsans~itze in der Arbeitsmarkttheorie" Mobilit~itsbarrieren und Ausbeutungsprozesse .............................. 163 5.3 Die Theorie geschlossener Positionen ........................................... 168 5.3.1 Muster intragenerationaler Mobilit~it in Systemen geschlossener Positionen ................................................... 169 5.3.2 Entlohnungsmechanismen in Systemen geschlossener Positionen .......................................................................... 173 5.4 Systeme geschlossener Positionen, Klassenbildung und das Ausmal3 sozialer Ungleichheit ....................................................... 177 5.5 Zusammenfassung ......................................................................... 180 Arbeitsmarktflexibilisierung und Klassenbildungsprozesse 183 6.1 Arbeitsmarktstrukturen und Klassenbildung ................................. 183 6.1.1 Der Grad der Schliegung und die Fragmentierung yon Arbeitsm~irkten .................................................................. 184 6.1.2 Die Form der Schliel3ung: Individualistische versus kollektivistische Schliegungsmechanismen ....................... 186 6.2 Institutionen, Arbeitsm~irkte und Klassenbildung .......................... 189 6.2.1 Besch~iftigungssicherheit und der Schliel3ungsgrad beruflicher Positionen ........................................................ 189 6.2.2 Wohlfahrtsstaat und Klassenbildung ................................. 190 6.2.3 Bildungssysteme und Arbeitsmarktstruktur ....................... 192 6.3 Institutionen und Klassenbildung heute ......................................... 195 6.3.1 Was bedeutet ,,Klassenhandeln"? ...................................... 196 6.3.2 Historische Bedingungen der Klassenbildung ................... 197 6.4 Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ........................................ 199 6.4.1 Formen der Flexibilisierung ............................................... 199 6.4.2 Folgen der extemen Flexibilisierung ................................. 200 6.4.3 Szenario I: Universelle Flexibilisierung und Klassenbildung .................................................................. 203 6.4.4 Szenario II: partikulare Flexibilisierung ............................ 207 6.5 Zusammenfassung ......................................................................... 208 8 Inhalt 7 Zusammenfassung und Ausblick 112 Literatur 122 Personenregister 243 Sachregister 247 gnutielniE Die Untersuchung sozialer Ungleichheit ist ein wichtiges Thema der soziologi- schen Forschung. Ihre zentralen Fragestellungen lauten" Wie sind ungleich be- wertete Gtiter und Positionen in einer Gesellschaft verteilt? Wie gestalten sich die Gelegenheiten, Zugang zu diesen Gtitem und Positionen zu erhalten? Welche Konsequenzen hat die ungleiche Verteilung der Gtiter und Positionen sowie der Zugangsgelegenheiten ~r soziales Handeln? Inwieweit kann diese Verteilungs- und Gelegenheitsstruktur als legitim betrachtet werden? Klassen- und Schichtungstheorien geben sehr spezifische Antworten auf diese Fragen. S ie setzen voraus, dass sich die Verteilung der ungleich bewerteten Gfiter durch Einordnung der Menschen in ,,GroBgruppen" (Hartmann 1995) tauqi~da beschreiben .tssi~l S ie nehmen an, dass der Zugang zu begehrten Gtitem begrenzt ist - nicht jeder kann aus eigener Kraft erreichen, was er will, sondern die Zugeh6rigkeit zu bestimmten Klassen und Schichten schafft Barrieren, die nur schwer tiberschritten werden k6nnen. Klassen- und Schichttheorien gehen auch davon aus, dass die Klassen- und Schichtzugeh6rigkeit soziales Handeln .tgi~rp Zudem werfen sie einen kritischen B lick auf die Struktur sozialer Un- gleichheit, da Zugangsbarrieren in der Regel nicht als legitim betrachtet werden. Das vorliegende Buch will eine Ein~hrung in die Klassen- und Schicht- theorie und der Untersuchung sozialer ti~tiliboM zwischen Klassen und Schichten geben. ~ Konnte noch Thomas A. Herz ni der Einleitung der Vorg~ingerversion dieses Buches frank und frei konstatieren, dass ,,Schichtung und Mobilit~it ... zu den klassischen Gebieten der soziologischen Forschung geh~ren" (Herz 1983: 10), so wird manchem Leser ein solches Unterfangen heute fragwiardig erschei- nen. ,,Klassen" und ,,Schichten" sind als Analysekonzepte sozialer Ungleichheit etwas aus der Mode gekommen. Hat sich soziale Ungleichheit nicht ,,individuali- siert" (Beck 1995), sind nicht ,,neue Ungleichheiten" (Hradil 1987a) wie Frauen- diskriminierung, Benachteiligung ethnischer oder anderer Minorit~iten ni den Vordergrund getreten, die mit Klassen und Schichten gar nicht erfasst werden k6nnen? Ist die Klassen- und Schichtanalyse also nicht obsolet geworden? Zwar werden auch andere Konzeptionen sozialer Ungleichheit und Mobilit~it angesprochen, aber nur insoweit sie zum Verst~indnis beziehungsweise zur Bewertung der Klassen- und Schichtanalyse n6tig sind. Ftir eine breiter angelegte Einftihrung in Theorien sozialer Ungleichheit vgl. Burzan .)5002( 01 Einleitung Ich halte diese Anfang der achtziger Jahre aufgekommene Debatte um die Brauchbarkeit der ,,traditionellen" Analysekonzepte sozialer Ungleichheit ~r noch nicht entschieden. Denn zum einen gibt es viele Hinweise darauf, dass Klassen- und Schichtkonzepte auch in der sp~itkapitalistischen Wohlstandsgesell- schaft noch sinnvoll eingesetzt werden k6nnen re13lieG( 1996). Zudem tssi~l die im Zuge der Globalisierung sich eher versch~irfende soziale Ungleichheit gerade in den entwickelten Industriel~indem die Vermutung aufkommen, dass ,,Klassen" und ,,Schichten" als Analysekonzepte sozialer Ungleichheit bald wieder an Att- raktivit~it gewinnen k6nnen (Dangschat 1998). Zum anderen ist die Brauchbar- keit solcher Konzepte nicht nur eine Frage der Empirie. Sie tgni~h sehr stark auch von dem Erkenntnisinteresse ab, das sich mit diesen Konzepten verbindet. Theo- rien und Konzepte k6nnen nicht die Realit~it darstellen, ,,wie sie ist", sondem sollen wesentliche Aspekte der Realit~it hervorheben; was aber als wesentlich betrachtet wird, h~ingt in hohem MaBe eben auch von den Forschungsinteressen der Anwender ab. Die Diskussion dieser beiden Aspekte- welche Erkenntnisinteressen sind mit ,,Klassen" und ,,Schichten" verbunden? Welche empirischen Evidenzen sprechen for die Klassen- und Schichtanalyse? - wird in den Aus~hrungen die- ses Buches eine wichtige Rolle spielen. Damit wird auch versucht, auszuloten, in welcher Weise Klassen- und Schichtkonzepte in einer modemen Gesellschaft noch zur Ungleichheitsanalyse beitragen k6nnen. 2 Dabei nimmt die Diskussion von ,,Klassen" einen deutlich breiteren Raum ein als die von ,,Schichten", was darauf zurOckzufiihren, dass mit dem Klassenkonzept weiter reichende Erkennt- nisansprtiche - und damit auch htihere empirische Validierungspflichten - ein- hergehen als mit dem Schichtkonzept. Das Buch gliedert sich in sechs Abschnitte. Im ersten werden die ,,Klassi- ker" der Erforschung sozialer Klassen und Schichten dargestellt- Karl Marx, Max Weber und Theodor Geiger. Die Fragestellungen und die Grundideen ihrer Klassen- und Schichtanalysen finden sich ni den modemeren Ans~itzen wieder, daher ist ein tieferes Verst~indnis auch ftir aktuelle Ungleichheitsanalysen von groBer Bedeutung. Das Kapitel schlieBt mit einer Darstellung der funktionalisti- schen Schichtungstheorie, die ein graduelles Schichtungskonzept vertritt und damit eigentlich aus dem Fokus dieses Buches .tlli~'f Insofern sie aber die ,,Nega- tivfolie" der Klassen- und Schichtanalyse darstellt, hilft die funktionalistische Schichtungstheorie, deren Kernanliegen zu verdeutlichen. 2 Ich verwende im Folgenden die Begriffe ,,moderne Gesellschafl", ,,fortgeschrittene Industriegesell- schafl" oder ,,sp~itkapitalistische Geselischafl" synonym. Damit soil lediglich Bezug auf derzeit aktuelle Gesellschaflsformen Bezug genommen werden. Damit ist kein Beitrag zu der Diskussion um die derzeit dominante Gesellschaftsform intendiert; insbesondere ist die Frage, ob wir in einer ,,post- modemen" oder ,,nach-industriellen" Gesellschafl leben fiir die vorgetragenen Argumente belanglos.