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Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 10: Nachträge A-Z PDF

783 Pages·2012·10.432 MB·German
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Historisches Wörterbuch der Rhetorik Historisches Wörterbuch der Rhetorik Herausgegeben von Gert Ueding Mitbegründet von Walter Jens In Verbindung mit Wilfried Barner, Albrecht Beutel, Dietrich Briesemeister, Joachim Dyck, Ekkehard Eggs, Michael Erler, Ludwig Finscher, Manfred Fuhrmann †, Fritjof Haft, Konrad Hoffmann †, Josef Kopperschmidt, Friedrich Wilhelm Korff, Egidius Schmalzriedt †, Konrad Vollmann Unter Mitwirkung von mehr als 300 Fachgelehrten De Gruyter Historisches Wörterbuch der Rhetorik Herausgegeben von Gert Ueding Redaktion: Gregor Kalivoda Franz-Hubert Robling Thomas Zinsmaier Sandra Fröhlich Band 10: Nachträge A–Z De Gruyter Die Redaktion wird mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Universität Tübingen gefördert. Trotz intensiver Bemühungen ist es nicht gelungen, die Rechteinhaber aller Abbildungen ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche können beim Verlag geltend gemacht werden. Wissenschaftliche Mitarbeiter des Herausgebers: Bernd Steinbrink (bis 1987) Peter Weit (seit 1985) Mitarbeiter der Redaktion: Carmen Lipphardt, Johannes Müller, Annika Strauß, Sandra Teixeira, Tilo Werner Anschrift der Redaktion: Historisches Wörterbuch der Rhetorik Wilhelmstraße 50 D-72074 Tübingen http://www.rhetorik-woerterbuch.de Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-68100-2 (Gesamtwerk) ISBN 978-3-11-023424-4 (Bd. 10 Nachträge A–Z) © Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston, 2012 Satz: Pagina GmbH, Tübingen Gesamtherstellung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier. Printed in Germany. www.degruyter.com Vorwort WeilerSprachehat,soAristoteles,istderMenschein mitderArbeitamLemma-Verzeichnis.AuchkamZu- gemeinschaftsfähiges, politisches Wesen, denn zo¯´on spruchvonvielenSeiten:vonWalterJens,vonManfred lo´gon e´chon und zo¯´on politiko´n beziehen sich auf ein Fuhrmann, von Joachim Dyck, vom Präsidenten der unddasselbe,nämlichmenschlicheWesen.Folgedieser UniversitätTübingenAdolfTheis,undvonzahlreichen ÜberzeugungisteinweitererGemeinplatzantikenDen- Kollegen aus beinah allen geistes- und kulturwissen- kens, der vor allem in den rhetorischen Lehrwerken schaftlichenFächernimIn-undAusland,vondenenwir überliefert wurde: daß die Beredsamkeit der Rhetorik viele als Fachberater gewinnen konnten und die sich vorhergehe,diePraxisalsoderTheorievoraussei.Die 1989 zu einer ersten großen Tagung (unter dem be- elementare Verankerung der Rede in allem, was der zeichnenden Titel Rhetorik zwischen den Wissenschaf- Menschtut,machtsieselberihrerNaturnachzurHand- ten) zusammenfanden. Doch zum wirklich glücklichen lung und Entscheidung, und es verwundert nicht, daß Anfang kam es erst durch die Risikobereitschaft und besonders die Naturformen des menschlichen Lebens dasVertrauenderDeutschenForschungsgemeinschaft. verwandelt in rhetorischen Sachverhalten wiederkeh- Den Projekt-Vorlauf hatte noch das Land Baden- ren:dasAtmenimRede-Rhythmus, dasHöreninden Württemberg finanziert; dankbar denken wir an den Figuren (besonders des Klangs), das Sehen in der Be- damaligen Wissenschaftsminister und Freiburger Kol- weiskraftderEvidenz.DasgiltinbesonderemMaßefür legenHelmutEnglerundanseinenfürdieUniversität AnfangundEndederRede,darüberhinausfürdasAl- Tübingen zuständigen Referenten Ministerialrat Burk- pha und Omega jeder rhetorischen Handlung, und die hardKern,dersichvoneinemanfangsskeptischenBe- TheoriehatdiesebeideneinanderentsprechendenPer- obachter zum zuverlässigen Befürworter unseres Un- spektiven auch besonders ausgezeichnet. Das mensch- ternehmenswandelte. licheLebenistvonihnendurchdrungen,vonGeburtbis Ungefähr kann man die Einschätzung skizzieren, die Tod, von der ersten Klasse bis zum Abitur, vom Be- unser Projekt in der wissenschaftlichen Diskussion rufseinstieg bis zur Pension. Die Überzeugung, daß je- fand,wennmansichderübervieleJahrehinwegnicht der Anfang zukunftsprägende Kraft besitzt, im Guten nachlassenden höchst hartnäckigen Versuche erinnert, wieimSchlechten, istebenso einfesterTopos unserer andasvollständige Lemma-Verzeichnis desHWRhzu gesellschaftlichen Einbildungskraft wie die Idee, daß kommen.Eswar(dawirnichtwiediePhilosophenauf sicherstvomEndeherzureichendüberdenLebenslauf einen«Eisler» zurückgreifen konnten) ausdemgründ- urteilen lasse. Goethe ging noch einen Schritt weiter, lichen Studium der Theorie- und Lehrbücher seit der wenn er denjenigen als den «glücklichsten Menschen» Antike und der entsprechenden Forschungsliteratur bezeichnete,«derdasEndeseinesLebensmitdemAn- seit dem Mittelalter hervorgegangen, wobei wir auch fanginVerbindungsetzenkann.»Womitnichtbloßeine die rhetorische Fachliteratur aus anderen Disziplinen Rundunggemeintist,sonderndemEndeauchetwasvon berücksichtigthatten.DasErgebniskonntemanschon derOffenheit desAnfangs gegeben wirdundeinNeu- als eigene wissenschaftliche Leistung von beträchtli- beginnen, einsichNeuerfinden alsglückliche Möglich- chem Umfang betrachten, es wurde zu unserem best- keiterscheint:derAutorvonFaustIIundderWander- gehüteten Geheimnis und selbst die Gutachter der jahreWilhelmMeistershatdasvorgemacht. DFGerhieltenimmernurdiejeweilsaktuellenAuszü- GedankendieserArtverwundernnicht,wennmanam ge. Ohne Anmaßung dürfen wir wohl sagen, daß das Ende einer so raum- und zeitgreifenden rhetorischen HWRh im Konzert geisteswissenschaftlicher Lexika Handlungangelangtist,wiesiedasHistorischeWörter- nicht nur seinen Platz, sondern sogar eine unüberhör- buchderRhetorikdokumentiert.DerAnfangwarnicht bare Stimme erlangt hat. Wesentlich dazu beigetragen leicht,warnichtsoselbstverständlichwievergleichbare hat jene in den Anfängen nicht unumstrittene Devise, UnternehmungeninanderenFächern,schienvielenso- andieursprünglicheundüberfast2000Jahreselbstver- gar als allzu gewagt. Die Rhetorik begann sich in Eu- ständliche Breite und das Niveau der Rhetorik anzu- ropageradeerstwiederalsWissenschaftzuetablieren, schließen, also weder die praktizistische Verkürzung auchlittsienochunterdemzweifelhaftenRuf,dendie noch die schulrhetorische Reduktion auf Stil- und Fi- vorschnellen Verdikte Platons und Kants in die Welt gurenlehre mitzumachen. SokonntedasLexikon auch gesetzt hatten und der durch den rhetorischen Trai- zum probaten Nachschlagewerk von ehemals aus der ningsbetriebnurallzuberedtbestätigtschien.Sokames Rhetorik hervorgegangenen oder ihr verbundenen zumBeispiel,daßkeinederwissenschaftlichenAkade- Nachbardisziplinen wie Pädagogik, Literaturwissen- mien,diespäterumFinanzierung angegangen wurden, schaften, Geschichte, Jurisprudenz oder Philosophie dieses in der Wissenschaftslandschaft so merkwürdig werden, in welch letzterer man, entgegen aller so tief querstehendeProjektunterstützenwollte.Entmutigen verwurzeltenFeindschaft,sogarvoneinerrhetorischen ließenwirunsdurchEinredendieserArtnicht,unddie Wendezusprechenbegonnenhat. anfangs so kleine Mannschaft, mit Bernd Steinbrink, Auch den Stellenwert der Rhetorik als wissenschaftli- PeterWeit,WilhelmHilgendorff,begannunverdrossen cherDisziplinhatdasHWRhbedeutendverändert.Mit V Vorwort heute schon fast vergnüglicher Distanz erinnere ich gruppe hat sich wohl selten zusammengefunden. Eine mich an eine kleine Konferenz Ende der 1980er Jahre tragende Rolle spielte dabei gewiß das gemeinsame im Suhrkamp-Verlag, in der es um die Edition politi- Ethos, das sich am besten mit dem frühen Schlagwort scher Reden im Klassik-Verlag ging. Siegfried Unseld einer «Rhetorik-Renaissance» beleuchten läßt, weil es hättesiegerneinWalterJens’undmeineHändegege- etwas von dem Enthusiasmus, dem Engagement und ben, doch der im übrigen hochgeschätzte Kollege derEnergievermittelt,dieunsgleichsamwiejeneEpo- ReinhartKosellekdrohtemitseinemRücktritt,schließ- chebewegte,aufdieesanspielt. lich sei die Geschichtswissenschaft die einzig legitime Mit diesem zehnten erscheint nun der letzte Band. Adresse für ein solches Unternehmen. Damals war Zwarsteht,alsAnnex,nochdasRegisteraus,aberdas GoloManndereinsameRufergegeneinesolchvereng- Werk selber hat sein Ziel erreicht und das Ende tritt te Perspektive, inzwischen haben H. White, J. Rüsen tatsächlich (im Sinne des anfänglich zitierten Goethe- oderS.Nelsonu.v.a.dieVerhältnissezurechtgerückt. Satzes)mitdemAnfanginengeVerbindung.Esnimmt Das sind Kämpfe von gestern und vielfach Stellvertre- den Kurs von A bis Z noch einmal auf, dokumentiert terkämpfe, bei denen es eigentlich um die Reputation dieOffenheit,dieunserLexikonmitseineraufErgän- des eigenen Faches und vor allem um den Zugriff auf zung angelegten Lemma-Struktur kennzeichnet. Der finanzielleMittelging.MitdemHWRhsindsolchePo- Bandgestattet esuns,nochStichwörter zuberücksich- sitionenwohlziemlichobsoletgeworden,weilesdieau- tigen,obwohlderfürsienachdemAlphabetzuständige ßerdeutsche, vor allem amerikanische und romanische Bandschonerschienenist,undderenBedeutungerstin Forschung und die ihr entsprechende aktuelle Diskus- der Arbeit an großen Forschungs- oder Sachartikeln sionüberhaupterstaufnahmundverbreitete,ohneda- oder während der Fachberater-Konferenzen sichtbar beidieDeviseadfonteszuvernachlässigen.Somagbei wurde.Underhalfunsdarüberhinaus,denfüreinsol- der Lektüre der Forschungs- und Sachartikel oft jener ches Lexikon so überaus kurztaktigen Publikations- Effekt entstanden sein, den Cha¨ım Perelmann einmal rhythmus von zwei Jahren einzuhalten, da wir ausge- so offenherzig geschildert hat. Bei der Arbeit aneiner fallene, zu spät gelieferte oder unzureichende Artikel LogikderWerturteilestießeraufdieRhetorikvonAri- auf den Ergänzungsband verschieben konnten. Die 10 stoteles undvondort«aufdieganzegriechisch-lateini- Bändeerschieneninnerhalbvon20Jahren(diedreijäh- scheTraditionderRhetorikundTopik.»«Wirentdeck- rige Vorlauf-Phase nicht mitgerechnet), wobei wir das ten, daß in jenen Bereichen, wo es um die Frage geht, Systemder«Parallel-Planung»entwickelnkonnten:ein wasvorzuziehen,wasannehmbarundvernünftigsei,die Band wurde für den Druck redigiert, während die Ar- Folgerungen weder formal schlüssige Deduktionen tikelplanung für den nächsten bereits lief. Ein mehr- noch vom Einzelfall her verallgemeinernde Induktio- stufiges Warn- und Mahnsystem, ständiger brieflicher nen sind, sondern daß es sich hier um alle möglichen und telephonischer Kontakt mit unseren Autoren, Arten von Argumentationen handelt» und somit die KonferenzenmitdenFachberaternundTagungen,die Rhetorik, «die alte Kunst des Überzeugens und Über- alle am Lexikon Beteiligten auch persönlich zusam- redens» die entsprechenden Verfahren längst entwik- menführten, haben ein geradezu ideales Arbeitsklima kelthatte. geschaffen. VonsolchenKairos-Momentenhabenunsvieleunserer Eine Chance erkennen und ergreifen ist eines, die Autorinnen und Autoren berichtet, die schließlich mit glücklichen Umstände schaffen, in denen sie verwirk- unsdasWagniseingegangenwaren,ihreZeitundeinen lichtwerdenkann,einanderes,dassichnurdurchHart- oftgewichtigenTeilihrerForschungskapazitätindieses näckigkeit, Erfindungsreichtum und Arbeit auch mei- Lexikon-Projekt zu investieren. Daß diese Aufgabe stern läßt. Auch davon mögen die Wissenschaftsbio- häufig mit anderen Verpflichtungen in Forschung und graphienberichten,indenendasHWRhwohlöftereine Lehre,mitPublikationsplänen undmanchanderenbe- lebensbestimmende Rolle gespielt hat. Unser Wunsch ruflichenundprivatenHindernissenkollidierte,hatihre ist, daß es diese Rolle in neuen, anderen Zusammen- Mitarbeit kaum einmal wirklich in Frage gestellt. Wir hängen weiter glücklich verkörpert. Denn richtig ver- habenihnenzudankenversucht,indemwirimmerzur standen ist auch ein Lexikon, das von A nach Z führt, Diskussion und Assistenz bereit waren, alle Fragen niemalsvollendetindemSinne,daßesdieSache,deres nach bestem Wissen beantworteten und ihre Manu- dient, etwa wirklich und ein für allemal abschließt. Im skripte sorgsam fürden Druck redigierten. Sie,unsere Gegenteilöffnetessiegeradederlebendigfortwirken- Autoren,habendieProjekt-IdeemitLebenerfüllt,ha- den Erbschaft und Nachreife. Denn es reizt dazu, die ben aus dem Grundriß ein veritables Haus entwickelt hier begonnenen und abgekürzten Wege weiterzuge- und oft durch Anbauten und Neuorientierung seine hen,esnotiertnebendemErreichtendasnochOffene, endgültigeGestaltwesentlichmitbestimmt. nicht Geleistete, das Wünschbare und zu Ergänzende. Aber dasistnicht alles, was ichaufdem Herzen habe. Das gilt in besonderem Maße für die Rhetorik mit ih- DennwiesollichdenFachberaterndanken,dieunsin rem so produktiv unsicheren Stand zwischen den Wis- Problem- und Konfliktfällen, bei der Auswahl unserer senschaften und für ihre merkwürdig ungleichzeitige Autorenundderfachwissenschaftlichen Prüfunginter- Geschichte,indieauchdieGeschichtedesimmernoch disziplinärer Artikel ohne Zögern, schnell und präzise einzigendeutschenUniversitäts-Institutsfür‹Allgemei- zurSeitestanden?WiesollicherstrechtmeinenMitar- ne Rhetorik› gehört. Denn daß überhaupt ein solches beiterndanken,denjenigen,dievonAbisZdabeiwa- Lexikonprojekt verwirklicht werden konnte, ist in be- ren, also allen voran Gregor Kalivoda, Franz-Hubert trächtlichem Maße diesem Institut, meinen Mitarbei- Robling,ThomasZinsmaier,unddenjenigen,dieinei- ternundStudentenzuverdanken.Natürlichgleichfalls nemlängerenoderkürzerenZeitabschnittimRedakti- der Universität, die mir über die Jahre hinweg den si- onsteammitgewirkthabenwieSandraFröhlich,Heike cheren Rahmen, die Gestaltungsfreiheit und nicht zu- Mayer, Lavinia Keinath und Andreas Hettiger. Eine letzt die persönliche Kontinuität der Mitarbeiter und derartmotivierte,verläßliche, fachlichversierteundin Kollegen garantierte. Dieses Lexikon möchte ich auch der Kooperation eingespielte Arbeits- und Forscher- als Dank für die glücklichen Verhältnisse verstanden VI Vorwort wissen,unterdenenwirforschen,lehrenundschreiben Arbeit immer tatkräftig unterstützt. Den Dank dafür konntenunddieheuteverlorenzugehendrohen.Doch verbinde ich mit der Freude, daß wir nach der Über- lehrt die Rhetorik auch Überzeugungskraft im Wider- nahme des Niemeyer Verlages durch de Gruyter neue stand,undzutungibtesnochgenug:dieweißenFlek- großzügige und nicht weniger intensive Förderung er- ken auf der rhetorischen Weltkarte sind längst nicht fahrenhaben. vermessen,sodaßAnfangundoffenesEndewiederzu- sammenrücken. Ein dafür gleichfalls exemplarisches, verlagsgeschichtlich nicht unwichtiges Detail sei am Schluß noch notiert: Der Niemeyer Verlag hat unsere Tübingen,imHerbst2011 GertUeding VII Adoxon Adoxon A oderdenFachleuten[etc.]fürfalschgehaltenwerden.» Aristoteles nutzt diesen Begriff in der ‹Topik› weitge- hend als Synonym von para´doxon (was nicht mit der modernen‹Paradoxie›zuverwechselnist).[8] Adoxon (gr. aÍdojon, a´doxon; lat. improbabile; dt. un- Das Begriffspaar ‹E´ndoxon› und ‹A.› ist für zahl- glaubwürdig,inakzeptabel) reiche Bereiche der dialektischen Theorie des Aristo- A.Def.–B.Gesch.:I.Antike.–II.ModerneundGegenwart. telesvonzentralerBedeutung.SonutztereszurErläu- A.DasA.istinersterLinieeinBegriff ausderaristo- terung von Vertretbarkeitsgraden von dialektischen telischen Argumentationstheorie. Er bezeichnet Mei- ThesenundArgumenten[9],alsBasisfürdieAuswahl nungenoderBehauptungen,diederherrschendenMei- von disputationsfähigen Thesen[10] und zur Kontrolle nungwidersprechen.SeinGegenstückistdasEndoxon. desDisputationsergebnisses.[11]Aristoteleswarntaus- A. sind von zentraler Bedeutung für verschiedene As- drücklich davor, eindeutig adoxe Thesen für ein dia- pektederArgumentation.AlspositiverAusgangspunkt lektisches Streitgespräch zu wählen: «Man muß sich ermöglichen siedenSchlußvonInakzeptablem aufIn- aber davor in Acht nehmen, eine inakzeptable Hypo- akzeptables. Als negatives Ergebnis stellt das A. die these zu vertreten. [...] Sie werden einen nämlich has- GrundlagefürdenRückschlußaufinakzeptablePositio- sen,undzwarnichtalsjemanden,der(dieverwerfliche nen(reductioadabsurdum).IndieserFormtauchtdas These) um des Argumentes willen vertritt, sondern A. auch vor allem in der dialektischen Übung (Dispu- als ob man sagen würde, was man denkt.»[12] Doch tation) des Aristoteles auf. Schließlich ist das A. für nicht nur die Zweifel an der Verständnisfähigkeit dissoziative Schlußformen von Bedeutung, in denen einerZuhörerschaftfürdasWeseneinesgymnastischen eineursprünglichadoxerschieneneBehauptunginmeh- Streitgesprächs setzen eine Grenze für ein sinnvolles rere Teile gespalten wird, von denen mindestens eine Höchstmaß an Adoxität, auch das Wesen der Dispu- dann glaubwürdiger erscheinen kann.[1] A. und En- tation selbst begrenzt sie. Die Aufgabe des Disputati- doxon bezeichnen die beiden Extreme der Glaubwür- onsgegners, zu zeigen, daß sich aus der These des De- digkeit oder Zustimmungswürdigkeit. Als solche sind fendenten Adoxeres ergibt bzw. sich aus endoxeren siezunächstunabhängigvonFragenderWahrheit.Ent- Prämissen das Gegenteil der These ableiten läßt, setzt sprechend setzt das A. immer auch einen Adressaten voraus,daßdiezuprüfendeThesekeinvollständigesA. odereineZuhörerschaftvoraus,fürdieeinebestimmte darstellt. Meinungadoxist. In der nacharistotelischen Zeit finden sich kaum B. Geschichte. I. Antike.AlsvortheoretischesKonzept mehr ausdrückliche Diskussionen des A. als rhetori- istdasA.bereitsinderSophistikvonzentralerBedeu- sches Konzept. Das Problem des Umgangs mit ableh- tung.DieVerteidigungerkennbaradoxerThesendient nenswürdigenoderabgelehntenPrämissenoderThesen denkommerziellenRedelehrerndes5.und4.Jh.v.Chr. tauchtjedochanmehrerenStellenderRhetoriktheorie als Vehikel der Werbung für die eigenen rhetorischen wiederauf.DerprominentesteOrtinderspäterenRhe- Fähigkeiten.[2] Zu den berühmtesten erhaltenen Ex- toriktheorie,dersichindirektmitdemA.auseinander- ponatendieserArtgehörender‹LobpreisderHelena› setzt,istdasgenusturpebzw.genusadmirabileunddas unddie‹VerteidigungdesPalamedes›desGorgias,so- genus humile in der Diskussion der rhetorischen Ver- wiedieder‹Helena›und‹Busiris›desIsokrates.Umder tretbarkeitsgrade (genera causarum).[13] Quintilian eigenenImagegefahrinderVerteidigungeineradoxen verweistinseinerkurzenDiskussionzumniedrigenVer- These(wiederUnschuldderalsuntugendhaftverrufe- tretbarkeitsgrad(genushumile)ausdrücklichaufdasA. nenHelena)zuentgehen,sinddieseÜbungsredeninder als terminologischen Vorgänger hin.[14] Während in RegelmiteinerDistanzierungversehen,wieetwaGor- der aristotelischen Dialektik die Begriffe A.und Para- gias’Hinweis darauf, dieVerteidigung derHelena nur doxon noch weitgehend gleichbedeutend genutzt sind, alsspielerischesÜbungsstückkomponiertzuhaben[3], findetinderrhetorischenLehrevondenVertretbarkeit- oderIsokrates’Einbettungdes‹Busiris›ineinenfiktiven graden eine terminologische Differenzierung statt. So AntwortbriefandenzubelehrendenPolykrates.[4] bezeichnet der adoxe Vertretbarkeitsgrad (genus hu- Als allgemeinsprachlicher Begriff erscheint das A. mile)Fälle,indenendieZuhörerschaftdemGegenstand bereits vor Aristoteles[5]; rhetorik- oder dialektik- ehergleichgültiggegenübersteht,währendderparadoxe theoretischeBedeutungerhälterjedocherstinderari- Vertretbarkeitsgrad (genus admirabile) Fälle umfaßt, stotelischen ‹Topik›. Dort definiert Aristoteles das A. die ausdrücklich gegen herrschende Meinungen oder nichtdirekt,sondernnuralsNegationdesEndoxons.So Moralverstoßen.[15]EineandereUnterscheidungzwi- heißt es zu Beginn des ersten Buches vom Endoxon: schen A. und Paradoxon findet sich später im Bereich «AnerkannteMeinungen[Endoxa]dagegensinddieje- derLobrede,dortbezeichnetdasadoxeGenusdasLob nigen,dieentwedervonallenoderdenmeistenoderden moralischer Übel während der paradoxe Vertretbar- Fachleutenundvondiesenentwedervonallenoderden keitsgrad das spielerische oder halbernste Lob von meistenoderdenbekanntestenundanerkanntestenfür ‘Übeln’, die aber aus philosophischer (stoisch-kyni- richtig gehalten werden.»[6] Im achten Buch[7] stellt scher)Sichtnichtwirklichschlimmsind(z.B.Tod,Ar- AristotelesdemEndoxondanndasA.alsGegenteilge- mut)betrifft.[16] genüber.DiesinnvolleNegationerfolgtdabeinichtim Ebenfalls inhaltlich wie auch terminologisch ist das BereichderTrägerdesA.,sondernimBereichdesAus- A.fürdieTheoriedersogenanten‹Asystata›inderrhe- sageinhaltes. Eine Definition des A. bestünde entspre- torischenStatuslehrevonBedeutung.Sostellenzumei- chendnichtinderFormulierung«A.sinddiejenigen,die nendie‹Asystata›(oderstatusunfähigen Streitfälle)in entwedervonkeinemodervondenwenigstenodervon ihrerGesamtheiteineArtAusdifferenzierungdesgenus den Unwissenden [etc.] für richtig gehalten werden.» turpe dar[17], und zum anderen findet sich in späten (was teilweise im deutschen Begriff der ‘Mindermei- Asystata-Listen, etwa bei Hermogenes, ein Asystaton nung’abgebildetist),sonderninderForm«A.sinddie- mit der Bezeichnung ‹A.›.Hermogenes faßt unter die- jenigen, die entweder von allen oder von den meisten semAsystatonFällezusammen,dieaufGrundihrerof- 1 2 AfrikanischeRhetorik AfrikanischeRhetorik fenkundigen Sittenwidrigkeit nicht verhandlungsfähig rische Tradition hervorgebracht hat. Vielmehr hängen sind.SeinBeispielhierfüristeinMann,derseineEhe- rhetorische Traditionen in starkem Maße von der je- frau zur Prostitution anhält und den Freier auf ausste- weiligen gesellschaftlichen Formation und kulturellen hendeZahlungverklagt.[18] Konvention derjenigen Gruppe ab, in der sie gepflegt II. Moderne u. Gegenwart. Im Mittelalter und in der werden. Aus diesem Grund läßt sich A. nicht als ho- frühen Neuzeit lebt das Konzept des A. an den in der mogenesPhänomencharakterisieren,sondernallenfalls Antike vorgezeichneten Stellen des rhetorischen Sy- RhetorikinklarumrissenenRegionenundGesellschaf- stemsweiter.InderModernetretennebendiebereitsin tenAfrikasbeschreiben,überdiediesbezüglicheInfor- der klassischen Rhetorik bekannten systematischen mationen vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Orte zwei weitere Konzepte aus der Argumentations- eineintensivereErforschungafrikanischerRhetorikim theorie,fürdiedasA.voneinergewissenBedeutungist. RahmendervergleichendenRhetorikbislangnochein Dies ist zum einen die Behandlung der Dissoziation Desideratumdarstellt.[1]Darüberhinausistesumstrit- oder Zergliederung bei Perelman und Olbrechts- ten, ob der Terminus ‹Rhetorik› universell anwendbar Tyteca und zum anderen das Problem der tiefen Mei- istunddamitauchfürnicht-abendländischeTraditionen nungsverschiedenheit bei Fogelin. Perelman und Ol- fruchtbar gemacht werden kann, oder ob ihm nicht brechts-Tyteca stellen in der ‹Neuen Rhetorik› zwei vielmehr ethnozentrische Vorannahmen zugrunde lie- grundlegende Argumentationstypen vor: Die Assozia- gen.[2] tion, in der die Zustimmung einer Zuhörerschaft von AusdiesenGründen kanndiefolgende Darstellung (endoxen) Prämissen auf das Beweisziel übertragen nichtumfassendundgeneralisierendsein,vielmehrmuß wird, sowie dieDissoziation[19],inderdasBeweisziel exemplarisch vorgegangen werden. Da Nordafrika be- von(adoxen)Prämissengetrenntwird.Sieschließenda- reits in den Artikeln ‹Islamische Rhetorik› und ‹Rhe- mitverschiedentlichandieinderaristotelischen‹Topik› torik, außereuropäische: arabische Kultur› behandelt vorliegendePrämissendifferenzierungan.R.Fogeliner- wurde, werden im vorliegenden Artikel vor allem die örtert das A. in seinem Artikel über das Problem der rhetorischenKulturenimsubsaharischenAfrikadarge- tiefenMeinungsverschiedenheiten.Darinerscheintder stellt,obwohldieUnterscheidungzwischennordafrika- gesamte Prämissensatz des Gesprächspartners seinem nischen und subsaharischen Kulturen auch, aber nicht Antagonisten derart adox, daß die vernünftige Argu- nurimBereichderRhetorikumstrittenistundsichbei- mentation insgesamt unmöglich wird.[20] Beide Kon- de Großregionen durch Handelskontakte und Migrati- zepte haben in der darauffolgenden Zeit zu einer onsströmewechselseitigstarkbeeinflußthaben.[3]Rhe- lebhaften Diskussion geführt, die ein Beispiel für die torische Traditionen der afrikanischen Diaspora, ins- Bedeutung des A. in der modernen Rhetorik und Ar- besondereinNord-undSüdamerika,wohinversklavte gumentationstheoriegibt. Afrikanerdeportiertwurden,lassensichzumTeildezi- diertaufafrikanischeWurzelnzurückführen.Siegehö- ren zu den am besten erforschten Gebieten afrikani- Anmerkungen: scherRhetorik,könnenaberindenvorliegendenÜber- 1vgl.Ch.Perelman,L.Olbrechts-Tyteca:DieNeueRhet.hg. blickebenfallsnichteinbezogenwerden.[4] vonJ.Kopperschmidt(2004)§89.–2vgl.LausbergHb.§241.– II. TheorieundPraxisinderGegenwart.1. Traditionelle 3vgl.IsocratesIII,hg.undübers.vonL.vanHook(London, KonzeptevonRedeundBeredsamkeit. Begriffe in afri- Cambridge/Mass.1986)57.–4Isocrates[3]103ff.–5Imatech- nischenSinnauchbeiAristoteles,z.B.Rhet.1384b31.–6Arist. kanischen Sprachen, die das Konzept ‹Rhetorik› aus- Top.100b21–23.Übers.T.Wagneru.Chr.Rapp(2004).–7ebd. drücken würden, sind weitgehend unbekannt. Neex VIII, 3ff. (158a ff.). – 8T. Wagner: Paradoxos, in: O. Höffe lammin˜n˜ z.B., das im westafrikanischen Wolof als die (Hg.): Aristoteles-Lex. (2005) 423. – 9Arist. Top. 159a/b. – Übersetzung von ‹Eloquenz› erscheint[5], ist vermut- 10ebd. 160b. – 11ebd. 161b. – 12ebd. 160b18ff. Übers. v. T. lich eine spätere, metaphorische Rückübersetzung; Wagneru.Chr.Rapp.–13vgl.Lausberg[2]§64;Auct.adHer.I, wörtlich bedeutet es ‹gefällige Zunge›. ‹Mund haben› 5.–14Quint.IV,1,40.–15Ibid.–16vgl.Lausberg[2]§241.– ist die Metapher, mit der die Igbo Nigerias Eloquenz 17vgl.LausbergHb.§91.–18Hermog.Stat.33,12.–19Perel- bezeichnen.DerAusdruckwirdmitErfolgundIntelli- man, Olbrechts-Tyteca[1] §89. – 20R. Fogelin: The Logic of DeepDisagreements,in:InformalLogic7,1(1985)1–8. genzassoziiert.[6]DieweitgehendeAbwesenheiteines Begriffes, der ‹Rhetorik› übersetzen würde, bedeutet Literaturhinweis: jedochnicht,daßvorderKolonialzeitkeinmetasprach- T.Wagner:Adoxos,in:O.Höffe(Hg.):Aristoteles-Lex.(2005) lichesBewußtseinvorhandengewesensei.Einberühm- 1–2. tersenegalesischer Schriftsteller beschreibt denUnter- M.Hoppmann schiedderRedezureinfachenBotschaftetwawiefolgt: «Die Rede entstammt dem Menschen und strebt zum ^Argumentation^Dialektik^Disputation^Endoxa^ NewRhetoric^Statuslehre^Topik^Vertretbarkeitsgrade Menschen. Geist und Herz formen und gestalten die Redegemeinsam, unddarinunterscheidet siesichvon dereinfachenBotschaft.JeglicheRede,wennsienicht dasHerzanrührt,gibtdemGeistArbeit.Dennwoim- AfrikanischeRhetorik mer sie aufkommt, da mußt Du sie ausspähen und A.I.DefinitorischeAspekte.–II.TheorieundPraxisinder durchsuchen, um zu erkennen, was sie enthält und be- Gegenwart: 1. Traditionelle Konzepte von Rede und Bered- samkeit.–2.RezeptionwestlicherRhetoriktheorien.–3.Insti- absichtigt.»[7] tutionenundFormenrhetorischerAusbildung.–4.Anlässeund Der Eloquenz wird in fast jeder afrikanischen Ge- OrtederRede.–5.RhetorischeGattungen.–B.Historische sellschafteinegroßeBedeutungzugesprochen.Beiden Entwicklung:I.AlteSchriftkulturen.–II.OraleTraditionen.– Limba Sierra Leones wird ein weiser Mann vor allem III.KolonialeZeit.–IV.PostkolonialeZeit. alsjemandangesehen,derdieFähigkeitbesitzt,gutzu A.I. DefinitorischeAspekte.VonallgemeinenAspek- sprechen.[8] Die Barundi des östlichen Zentralafrika ten afrikanischer Rhetorik zu sprechen, ist unmöglich, sehen ubgenge (erfolgreiche Schläue) als wichtige in- daderafrikanischeKontinentkeineeinheitlicherheto- dividuelle Qualität an, die sich in der Regel im effek- 3 4

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