Elektrizitat Eine gemeinverstandliche Einfiihrnng in die Elektrophysik nnd deren technische Anwendnngen Von Sir Lawrence Bragg M. A., Sc. D., M. Sc .• F. R. S. Nobelpreistrager, Cavendish Professor der Experimentalphysik an der Universitat Cambridge Mit 138 Abbildungen im Text und auf Tafeln Autorisierte deutsche Ausgabe Von Wilhelm Gauster-Filek Wien Springer-Verlag 1951 ISBN-13:978-3-211-80196-3 e-ISBN-13:978-3-7091-7776-1 DOl: 10.1007/978-3-7091-7776-1 Sir Lawrence Bragg M. A., Sc. D., M.Sc., F. R. S. Nobelpreistrager, Cavendish Professor der Experimentalphysik an der Universitiit Cambridge Vo rwort des Verfassers. Ich wurde von der Royal Institution eingeladen, ZII Weih nachten 1934 den "hundertneunten Lehrgang von sechs Vor trag en fiir jugendliche Zuhorer" ahzuhalten. Diese Vortrage habe ich nun in Buchform herausgehracht, und zwar so, daB die sechs Kapitel d'er Anlage der Vortrage entsprechen. Die ersten drei Kapitel befassen sich mit dem Wesen von elek trischen Ladungen, elektrischen Stromen und Magneten und mit ,den wichtigsten elektrischen Geraten, wie Batterien, Motoren und Dynamomaschinen. In den iibrigen Kapiteln sind diejenigen elektrischen Gerate etwas genauer beschriehen, die wir taglich sehen oder heniitzen. Das IV. Kapitel handelt von den Kraftwerken und der Vhertragung des elektrischen Stromes von einem Ort zum andern, da,s V. Kapitel vom Tele graphen und Fernsprecher, das VI. Kapitel vom "Rundfunk". Man macht immer wieder die Erfahrung, daB die Begriffe Elektrizitat und Magnetismus besonders schwierig zu erfassen sind. Die Natur hat UDS auf das Studium der Elektrizitat nicht vorhereitet. Gefiihl und gesunder Menschenverstand, die wir durch den Umgang mit Gegenstanden erwerhen, machen es nns verhaltnismaBig leicht, Warme, Licht und Schall zu ver stehen, ehenso die Art, in der Mechanismen funktionieren; einen entsprechenden natiirlichen Sinn fUr Elektrizitat schein en wir aber nicht zu hesitzen, ohwohl elektrische Vor rich tung en aller Art in unseremLehen eine so groB'e Rolle spiel en. Wir miissen uns dies en Sinn also erst erwerhen, indem wir jenes V,erhlilten ,der Dinge erforschen, welches man "Elek trizitat" nennt, und indem wir versuchen, unsere Vorstel lungen zu ordnen. 1st unser Bemiihen erfolgreich, so steht uns die Welt der Elektrizitat offen. Ein Transformator erscheint uns dann in seiner Wirkungsweise so natiirlich und klar wie VI V orwort des Verfassers eme Sehreibmasehine, und ein Radioapparat hat niehts Ge heimnisvolleres an sieh, als eine Windmiihle. Ieh habe mieh in diesem Bueh bemiiht, die grundlegenden Begriffe der Elek trizitat moglichst einfaeh darzustellen und meinen Berieht dureh Hinweise auf vertraute elektrisehe Vorriehtungen inter essant zu gestalten. Es war bedeutend sehwieriger, das Bueh zu sehreiben, als die Vortrage zu halten. Dem Vortragenden in der Royal In stitution kommen namlieh zwei giinstige Umstande zu Hilfe: Erstens erlauben die iiberaus reich en Hilfsmittel des Instituts die Ausfiihrung von Versuehen in groBziigigstem MaBstab; zweitens hat er es mit einer Zuhorersehaft zu tun, die be geistert. Sie besteht aus jungen Leuten (jeden Alters), die mit der Absieht kommen, sieh gut zu unterhalten und die in ihrem Wissensdurst dem Vortragenden bereitwillig auf halbem Wege entgegenkommen. Ieh hoffe, daB meine Leser ebenso nachsiehtig und wohlwollend sein werden, wie meine Zu horer in der Royal Institution. Aus den Fragen, die naeh den Vortragen an mieh geriehtet wurden, habe ieh mir ein Urteil zu bilden versueht, wie weit ieh auf die versehiedenen Gegen stande eingehen kann. Wenn einzelne Teile dieses Buehes iibermaBig sehwierig seheinen, so kommt es daher, wei! ieh mir auf Grund der gestellten Fragen eine hohe Meinung von der geistigen Aufgesehloss,enheit der jungen Generation ge bildet habe. Ieh moehte diese Gelegenheit ergreifen, den Leitern der Royal Institution sowie dem Direktor dieses Instituts, Sir William Bra g g, fiir die ehr,envolle Einladung zur Abhaltung meiner Vortragsreihe den allerwarmsten Dank auszuspreehen. Meiner Frau verdanke ieh die Anregung, das Thema "Elek trizitat" zum Gegenstand meiner Vortrage zu wahlen und elek trisehe Vorriehtungen des Alltags zu erlautern. An anderer Stelle habe ieh die zahlreiehen Freunde angefiihrt, die mir bei der Vorbereitung der Vortrage und beim Zusammentragen des Materials fiir das Bueh behilflieh waren. Dr. E. C. Scott Die k son hat ,das Manuskript und ,die Korrekturen gelesen, V orwort zur deutschen Ausgabe VII zahlreiche sprachliche Fehler verhessert und das Sachverzeich nis angelegt; ich hin ihm fiir seine Hilfe zu tiefstem Dank ver pflichtet. Vorwort zur deutschen Ausgabe. Ais den osterreichischen Hochschulinstituten nach Ende des letzt·en Krieges die ersten wissenschaftlichen Biicher in englischer Sprache wieder zuganglich wurden, gelangte ich auch in den Besitz eines Exemplares des neuesten Abdruckes der "Electricity" von Sir Lawrence Bragg. Ich war damals gerade damit heschaftigt, die Vorlesungen iiher Grundlagen der Elektrotechnik, wie sie fiir Horer cler mittleren Semester der t·echnischen Hochschulen ahgehalten werden, neu einzu rich ten. Ohwohl ich hei meinen Studenten mit Vorkennt nissen in der Elektrophysik rechnen konnte, hemiihte ich mich, die Grundgesetze der Elektrizitatslehre in moglichst elementarer und anschaulicher Weise darzustellen. Ich war mir hewuBt, wie wichtig es ist, "elektrisch denken" zu lernen und sich in die GesetzmaBigkeiten der Elektrophysik "ein zufiihlen" . Als ich Sir Lawrence Braggs Buch in die Hande bekam, fiel mir zunachst auf, mit welcher Klarheit in dessen V or wort die Forderung nach der Erwerhung eines "elektrischen Sinnes" gestellt wird, und als ich dann das Werk mit groBtem Interesse im einzelnen durchging, fand ich, daB es in geradezu meisterhafter Weise dieses Ziel erreicht. Dabei sind hier die zu iiherwindenden Schwierigkeiten noch groBer als etwa bei einer Hochschulvorlesung, da Braggs "Electricity" sich an einen sehr weiten Leserkreis wendet und als "gemeinverstand liche" Darstellung im besten Sinne des Wortes bezeichnet werden kann. Ich bin iiberzeugt, daB das vorliegende Buch eine Lucke III der popularwissenschaftlichen Literatur ausfiillt. Es fand III den englisch sprechenden Landern, wie die Jahreszahlen VIII Vorwort zur deutschen Ausgabe der rasch aufeinanderfolgenden Neuabdrucke beweisen, sehr rasche Verbreitung, und es schien mir wiinschenswert, auch dem deutschsprachigen Leser dieses ausgezeichnete Werk he· quem zuganglich zu machen. Ais ich daranging, die deutsche Ausgabe genauer vorzu· bereiten, erkannte ich hald, ,daB sich dieser Aufgahe Schwierigkeiten hesonderer Art entgegenstellten. Sir Lawrence Braggs Schreihweise ist auBerordentlich originell und lehen· dig, es ist fiir sie hesonders charakteristisch, daB das "elektri. sche Denken" durch eine Fiille der oft verhliiffendsten Assoziationen mit dem Denken des tag lichen Lehens in Ver· bindung gehracht wird. Immer wieder ergehen sich neue, ein. pragsame Analogien, die den Sachverhalt geradezu handgreif. lich vor Augen fiihren, und kurze, treffende, vielfach sogar humoristische Bemerkungen stellen den Kern der Sache oft viel klarer dar, als es mit langschweifiger Trockenheit moglich ware. Es ist leider unvermeidbar, daB durch eine Vhersetzung in eine andere Sprache viel yom Reiz einer sol chen Dar· stellung verlorengeht. Ganz verfehlt ware es, im vorliegen. den FaIle zu versuchen, das typisch Englische gewaltsam so zu verandern, daB der Anschein eines deutschen Originals erweckt wird. Gegendiese Schwierigkeiten tritt die hekannte Unhequemlichkeit der Verwendung verschiedener MaB· systeme in den Hintergrund. Hier geniigen ein paar Berner· kungen an passender Stelle. Ehenso erschien es richtig, dar auf aufmerksam zu machen, daB in mehrfacher Hinsicht die englische Praxis d'er technischen Ausfiihrung elektrischer Einrichtungen von der kontinentalen etwas ahweicht. Nach den vorliegenden Bemerkungen wird auch jener Leser, der sich hisher wenig mit den physikalischen Wissen schaften hefaBt hat unddaher den Namen Sir Lawrence Bragg noch nicht kennt, vermnten, daB der Verfasser der "Elektricity" eine Personlichkeit hesonderer Pragung und Eigenart ist. Tatsachlich zahlt Sir Lawrence Bragg zu den fiihrenden lehenden Physik ern und es sei mir gestattet, fol· gende knrz'e hiographische Daten mitznteilen: Er wurde am Vorwort zur deutschen Ausgabe IX 31. Marz 1890 in Adelaide (Australien) als Sohn des Sir Henry William Bragg geboren. Er besuchte zunachst in seiner Heimatstadt das St. Peter's College und die Universitat und genoG dann seine weitere Ausbildung am beriihmten Trinity College in Cambridge, wo er auch in jungen J ahren seinen ersten Lehrauftrag erhielt. 1m Alter von 25 Jahren wurde ihm, gemeinsam mit seinem Vater, die hochste wissenschaft liche Auszeichnung, der Nobelpreis, zuerkannt. In Arbeiten, die heute als klassisch bezeichnet werden miissen, gelang es den beiden Forschern, Grundlagen fiir die Aufklarung der Kristallstruktur mit Hilfe der Rontgen-Kristallstrukturanalyse zu schaHen. Sir Lawrence Bragg setzte dann die Untersuchungen in auGerst fruchtbarer Form fort und er zahlt zu den Schopfern der modernen Untersuchungsmethoden, die unter Verwen dung von Rontgenstrahlen zur Aufklarung der Feinstruktur der kompliziertesten StoHe gefiihrt haben. Ihm und seinen Mitarbeitern gelang es u. a. den auGerst verwickelten Molekiil aufbau der Silikate klarzustellen und es wurden diese Ver fahrcn auch mit besonderem Erfolge zur Erforschung der Struktur von Metallen und Legierungen verwendet. Viel beachtet wurde auch das von Sir Lawrence Bragg entwickelte originelle "Blasenmodell" des Molekiilaufbaus. In letzter Zeit gilt sein Interesse besonders der Anwendung der Rontgen Strukturanalyse auf hochkomplexe Molekiile, wie die der Proteine. AuGer dem Nobelpreis wurden Sir Lawrence Bragg eine Fiille anderer wissenschaftlicher Auszeichnungen zuteil und auch seine akademische Laufbahn fiihrte ihn auf besonders ehrenvolle und verantwortungsreiche Stell en. Von seiner ersten Lehrtatigkeit in Trinity College in Cambridge wurde bereits herichtet. Von 1915 bis 1918 leistete er in Frankreich Kriegsdienst als Berater fiir militarische Schallmessung, 1919 bis 1937 war er Longworthy-Professor der Physik an der Victoria University in Manchester, 1937 bis 1938 bekleidete er die Stelle eines Direktors des National Physical Laboratory x Vorwort zur deutschen Ausgabe und schlieBlich ist er seit 1938 Cavendish-Professor der Experimentalphysik an der Universitat Cambridge, womit er an die Spitze eines Instituts getreten ist, das als eines der ersten seiner Art iiberhaupt bezeichnet werden muB. Es mag vielleicht manchem verwunderlich erscheinen, daB ein so allseitig anerkannter Gelehrter auch die Zeit gefunden hat, mit liebevoller Sorgfalt in Vortragen und Veroffent lichungen weiten Kreisen wissenschaftliche Erkenntnis zu ganglich zu machen. Erfreulicherweise ist dies aber durchaus keine vereinzelte Er.scheinung und jeder Fachmann winl in diesem Zusammenhang etwa an die wundervoll klaren popularen Vortrage des beriihmten Physikers Helmholtz denken. Ganz allgemein darf die Schwierigkeit der gemein verstandlichen Darstellung wissenschaftlicher Fachgebiete nicht unterschatzt wer,den. Nicht an der Oberflache bleiben, sondern zum wesentlichen Kern vordringen, doch so, daB auch der Laie folgen kann und nichtentmutigt wird, ist eine Aufgabe, die hochstes Wissen und groBte didaktische Gabe voraussetzt. Wir miissen den wenigen wahrhaft Berufenen dankbar sein, ,die dieses Ziel erreicht haben. Zum SchluB ist es mir eine angenehme Pflicht, meinen Mitarbeitern bei der Veranstaltung der vorliegenden deut schen Ausgabe zu danken. Herr Dr. Michael Anner hat in ausgezeichneter Weise die gesamte Rohiibersetzung durch gefiihrt, welche dann von Frau Dr. Liselotte Skudrzyk und Herrn Professor Dr. Eugen Skudrzyk einer genauen Durch sicht und teilweiser Dberarbeitung unterzogen wurde. Ich mochte meinen Mitarbeitern auch an dieser Stelle herzlichst danken. Mein besonderer Dank gebiihrt auch dem Springer Verlag, Wien, der meiner Anregung, eine deutsche Ausgabe der "Electricity" herauszubringen, sofort vollstes Verstandnis ent ... e ... enbrachte und die Durchfiihrung dieses Planes in jeder to ,... v Weise unterstiitzte. 1m Herbst 1950. W. Gauster-Filek- Fachausdriicke. In diesem Buch habe ich von Fachausdriicken freien Ge brauch gemacht. Sie sind an der Stelle erklart, wo sie zum erstenmal auftreten. Bei Ausfiihrungen iiber das Thema Elek· trizitat, einen Gegenstand, in dem es von neuen Begriffen wimmelt, lassen sie sich nicht venneiden. Man erhebt gegen WissenschaftIer haufig den Vorwurf, daB sie einen Gegen stand durch den Gebrauch von Fachausdriicken schwierig und geheimnisvoll machen. Diese Kritik ist dann berechtigt, wenn alltagliche Ausdriicke den gleichen Dienst tun. Oftmals je· doch besitzt kein herkommliches Wort die richtige oder voll standige Bedeutung, die uns vorschwebt. In solchen Fallen ist es viel einfacher, ein Fachwort zu erklaren, sobald seine Ver· wendung sich als zweckmaBig erweist, und es weiterhin frei zu gebrauchen. Nehmen wir an, ein Fachmann wiirde aufgefor dert, einen Bericht iiber ein FuBballmatch zu sehreiben, es sei ihm jedoch verboten, rein fachliche Ausdriicke, wie "Tor", "Stiirmer", "Ve rteidiger" und dergleichen zu verwenden, da oer Bericht fiir das breite Publikum bestimmt ist und einige seiner Leser diese Ausdriicke moglicherweise nicht verstehen konnten. Sein Bericht wiirde unertraglich lang und gewunden ausfallen. Jeder, der ein verstandnisvolle.s Interesse fiir das FuBballspiel zeigt, sollte genug davon wissen, um die Bedeu· tung solcher W orte zu verstehen. Ebenso sollte jeder, der einer wissenschaftlichen Erklarung zu folgen wiinscht, bereit sein, die Bedeutung der haufigsten Fachworte kennenzulernen. Mathematische Formeln wurden nieht aufgenommen. Hin gegen werden dem Alltag entnommene Zahlenbeispiele an· gefiihrt, um ,dem Leser von der GroBenordnung der Einheiten, in denen die elektrischen GroBen gemessen wer,den (Ampere, Volt, Ohm, Watt, Henry usw.), einen Begriff zu geben; denn <liese stell en niitzliches praktisches Wissen dar.