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Eine fakultative Beziehung zwischen Cypria opthalmica (Jurine) (Ostracoda) und Gyraulus crista (L.) (Gastropoda) und ihre mögliche Bedeutung PDF

11 Pages·1992·5 MB·German
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Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde A Serie (Biologie) Herausgeber: Staatliches Museum für Naturkunde, Rosenstein 1, D-7000 Stuttgart 1 Stuttgarter Beitr. Naturk. Scr. A Nr. 476 11 S. Stuttgart, 15. 7. 1992 Eine fakultative Beziehung zwischen Cypria ophthalmica (Jurine) (Ostracoda) und Gyraulus crista (L.) (Gastropoda) und ihre mögliche biologische Bedeutung A facultative Relationship of Cypria ophthalmica (Jurine) (Ostracoda) with Gyraulus crista (L.) (Gastropoda) and the supposed biological Function Von Horst Janz, Tübin^n ^/^ ^^ Mit 2 Abbildungen und 2 Tabellen 5 I ^^ARIES Summarv An interspecific relationship of the ostracod species Cypria ophthalmica Qurine) with the gastropod species Gyrauluscrista (L.)was discovered duringfield studies atforestpoolsofthe nature reserve Schönbuch (near Tübingen, southern Germany). During its first reproduction period C. ophthalmica often glues its egg Clusters to the umbilicus of G. crista shells. Moreover, predation of C. ophthalmica on G. crista was observed in laboratory cultures. The documented life cycle of G. crista shows that the attachment of ostracod cggs occurs mainly within the spawning season of G. crista. Itis supposedthattheobservedbehaviorof C. ophthalmica serves as an optimization ofegg production and as asortofparental care. This Interpretation is supported by thefacts that the snails die after spawning and that no ostracod eggs on G. crista shells were found during the second reproduction period of C. ophthalmica. Furthermore, it is known from cultures that several ostracod species prcfer snail faeces and crushed snail bodies for food. Zusammenfassung Im Rahmen einer ökologischen Untersuchung an Fallaubtümpcln des Naturparks Schön- buch (bei Tübingen) wurde eine interspezifische Beziehung zwischen der Ostrakoden-Art Cypria ophthalmica (Jurine) und der Gastropodcn-Art Gyraulus crista (L.) entdeckt. Cypria ophthalmica legtwährend ihrerersten Reproduktionsphase häufig Eier in die Nabelregion der Gehäuse von Gyraulus crista. Außerdem wurde ein räuberisches Verhalten von C. ophthal- mica gegenüber G. crista im Labor beobachtet. Aus dem Lebenszyklus von G. crista, der anhand eines Größenklassendiagramms dargestellt wird, geht hervor, daß die Anheftung von 2 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Ser. A, Nr. 476 Ostrakoden-Eiern im gleichen Zeitraum stattfindet, in dem sich auch die Schnecken reprodu- zieren. Es wird vermutet, daß das Verhalten von C. ophthalmica sowohl in einer Optimierung der Eiproduktion als auch in einer Art Brutfürsorge begründet ist. Das Absterben der Schnecken nach ihrerEiablage, das Fehlen von Ostrakoden-Gelegen aufG. C775f<^-Gehäusenwährend der zweiten Reproduktionsphasevon C. ophthalmica sowie dieVorliebezahlreicherOstrakoden- Arten für Schneckenkot und Schneckenfleisch stützen diese Interpretation. Inhalt 1. Einleitung 2 2. Methoden 3 3. Untersuchungsgewässer 3 4. Gyraulusarista 4 4.1. Allgemeines 4 4.2. Lebenszyklus 4 4.3. GehäusemitOstrakoden-Gelegen 7 5. Cypriaophthalmica 7 5.1. Allgemeines 7 5.2. BeobachtungenanLaborhaltungen 8 6. Diskussion 8 6.1. BeobachtungenandererAutoren 8 6.2. Interpretation 9 6.3. Schlußbemerkung 9 7. Literatur 10 1. Einleitung Interspezifische Beziehungen zwischen Gastropoden und Ostrakoden wurden verschiedentlich beobachtet. Kühnelt & Dölling (1952) stellten fest, daß die Gastropoden-Arten Planorbarius corneus (L.) und Viviparus viviparus (L.) mittels einer in ihren Hautdrüsen produzierten Substanz eine hemmende bis schädigende Wirkung auf die Ostrakoden-Arten Cypria ophthalmica (Jurine) und Ilyocypris gibba (Ramdohr) ausüben können, und Reyment (1966) fand Ostrakoden-Schalen einiger mariner Arten, die Löcher verschiedener Größe aufwiesen, welche er auf räuberische Schnecken der Familien Naticidae und Muricidae zurückführt. Häufiger scheinen aber nach bisherigen Beobachtungen Beziehungen mit der umgekehrten Rollenverteilung zu sein. Über ein räuberisches Verhalten der Ostra- koden-Art Cypridopsis hartwigi G. W. Müller gegenüber den Gastropoden-Arten Bulinus contortus Michaud und Biomphalaria glabrata (Say) berichteten Deschiens et aUi (1953) und Deschiens (1954). Da diese Gastropoden-Arten als Zwischenwirte von Trematoden der Gattung Schistosoma, den Erregern der Schistosomatosen, bekannt sind, schlugen die Autoren sogar den Einsatz von Cypridopsis hartwigi zur Bekämpfung derÜberträgerschnecken vor. Eine schädigende Wirkung der Ostrako- den-Arten Cypridopsis vidua (O. F. Müller) und Cypricercus reticulatus (Zaddach) auf Schneckenkulturen beobachtete Lo (1967). Wieder waren Arten der Gattung Bulinus am stärksten betroffen. Neben der Beobachtung eines räuberischen Ver- haltens fanden sich hier auch häufig Ostrakoden-Gelege in den Gehäusemündungen der Schnecken. Schließlich erwiesen sich bei Experimenten von Sohn & Rornicker (1972, 1975) die Ostrakoden-Arten Cypretta kawatai Sohn & Kornicker, Hctcro- cypris incongrucns (Ramdohr) sowie zwei nicht näher bestimmte Arten der Gattung Cypridopsis als gleichermaßen effektive Räuber gegenüber jungen Individuen der Gastropoden-Art Biomphalaria glabrata. JANZ, BEZIEHUNG ZWISCHEN CYPRIA OPHTHALMICA UND GYRAULUS CRISTA 3 Während die oben genannten Beobachtungen sich räuberisch verhaltender Ostra- koden im Rahmen von Laboruntersuchungen gemacht wurden, ist die hier geschil- derte Beziehung zwischen Cypria ophthalmica (Jurine) und Gyraulus crista (L.) bei Freilanduntersuchungen entdeckt worden: Bei der Auswertung von Proben aus Fallaubtümpeln des Naturparks Schönbuch bei Tübingen fanden sich im Unter- suchungsgewässerTümpel D (siehe Kapitel 3.) immer wieder Gehäuse von Gyraulus crista mit Eigelegen in der Nabelregion. Diese erwiesen sich beim Überprüfen im Labor und durch Aufzucht zum Adultstadium als Gelege von Cypria ophthalmica. Beim gemeinsamen Halten der beiden Arten in Zuchtschalen wurde schließlich neben der Eiablage auch ein räuberisches Verhalten von Cypria ophthalmica gegen- über Gyraulus crista beobachtet (siehe Kapitel 5.2.). Die über einen Zeitraum von 23 Monaten entnommenen Proben erlauben die Betrachtung des zeitlichen Zusam- menhangs der Eiablage von Cypria ophthalmica und dem Lebenszyklus von Gyraulus crista. Sie ermöglichen damit Überlegungen hinsichtlich der biologischen Bedeutung dieser interspezifischen Beziehung. 2. Methoden Entsprechend derFragestellungderGesamtuntersuchung(Janz, 1988),welchedemZusam- menhangvon Faunenzusammensetzungund demZersetzungsgradvon Rotbucheniaub {Fagus sylvatica L.) in Fallaubtümpeln galt, war zur Probenentnahme eine Substratexpositions- methode, die Netzbeutelmethode (siehe Bocock et al., 1957, Kaushik et al., 1968) gewählt worden. 120 Gazebeutel der Größe 15x15 cm, mitjeweils 3 gfrisch abgeworfenem, lufttrockenem Buchenlaub gefüllt, wurden im Dezember 1981 im Untersuchungsgewässer ausgelegt und bis zu 2Jahre (maximal) exponiert. 60 Beutelwaren aus feinmaschiger (Maschenweite 1 mm) und 60 aus grobmaschiger (Maschenweite 10 mm) Perlongaze. Jeweils die eme Hälfte der Beutel jederBeutelartwurdein einemTümpelareal ausgelegt, in dem eineBedeckungmit einerneuen Streuschichtim Herbst des nächstenJahres künstlichverhindertwurde. Dieandere Hälfte der Beutel lag im zweiten Untersuchungsjahr unter der im Herbst 1982 neu entstandenen Streu- schicht. In den beiden Untersuchungsjahren wurden in monatlichen Abständen jeweils 1 fein- maschiger und 1 grobmaschiger Beutel aus den beiden unterschiedlichen Untersuchungs- arealen entnommen und deren Fauna möglichst quantitativ ausgelesen. Die m Tab. 2 und Abb. 1 dargestellten Ergebnisse basieren auf den Summenwerten der 4 unterschiedenen Beuteltypen desselben Probentermins. Daneben wurden für in vitro Beobachtungen im Labor Glasschalen mit einem oberen Durchmesser von 9,5 cm, einer Bodenfläche von 3,5 cm Durchmesser und einer Höhe von 6 cm verwendet. Die Schalen wurden zur Hälfte mit ca. 125 ml Leitungswasser (8°dH) gefüllt. Jeder Schale wurden je 2 als Parallelprobcn aus dem Tümpel gesondert entnommene, bereits schwarz verfärbte Laubblätter (1 Buchenblatt, 1 Erlenblatt) beigegeben. Sie wurden im Kühlschrank bei 12—15°C aufbewahrt. Eine ausführliche Beschreibung der Methode, der Weiterbehandlung der Proben sowie Angaben zu den physikalischen und chemischen Methoden, die zur Charakterisierung des Habitats angewendet wurden, sind beiJanz (1988) beschrieben. 3. Untersuchungsgewässer Tümpel D liegt im Kirnbachtal des Naturparks Schönbuch, ca. 7 km nordöstlich von Tübingen [Topographische Karte 7420 Tübingen; Rechtswert (horizontale Koordinate): 3507060, Hochwert (vertikale Koordinate): 5382620, 380 m NN]. Er stellt vermutlich einen Altarm des Kirnbachs dar, mit dem er noch über seinen Abflußgraben in Verbindung steht. Am selben Tümpelende, an welchem der Abflußgraben entspringt, mündet ein Quellsumpf- bereich (300 m- Fläche) insTümpelbccken (90 m- Mäche), überden eineständigeSpeisungmit Quellwasser erfolgt. Der Tümpel ist dadurch perennierend, obwohl der Pegel des otfenen 4 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Ser. A, Nr. 476 Wassers stets nur wenige Zentimeter beträgt. Das Tümpelbecken weist eine bis zu 50 cm mächtige Schicht organischen Materials auf, die durch den starken Streueintrag und den lang- samen Abbau des Materials bedingt ist. InTab. 1 sinddiegemessenenphysikalischenundche- mischen Parameter summarisch zusammengestellt. Tab. 1. E.Ktrem- und Durchschnittswerte der erfaßten physikalischen und chemischen Para- meter des Tümpels D 1982-1983. Pegel [cm] 3,7 8,6 5,3 Temperatur [°C] -3,8 22,9 7,0 0-.-Sättigung (%) 1,5 47,8 20,7 pH-Wert 7,4 8,0 IJ Säurekapazität [ml 0,ln HCl/100 ml] 3,8 10,8 7,0 Leitfähigkeit [jjS/cm, 25°C] 431 802 580 Oxidierbarkeit [mg KMn04/l] 22 96 32 4. Gyraulus crista Allgemeines 4.1. Gyraulus cnsta (Familie Planorbidae) istholarktischverbreitet. Sie kommt sowohl in fließenden als auch stehenden Gewässern vor, wo sie zwischen Wasserpflanzen oder auf allochthonem Pflanzenmaterial lebt. Macan (1977) klassifiziert sie als eine in kleinen Tümpeln gemein vorkommende Art. In den Tümpeln des Schönbuchs ist sie jedoch im Unterschied zu Cypria ophthalmica relativ selten zu finden. Ungeklärt ist noch immer, welche Faktoren die große Variabilität der Gehäuse- form bedingen. Die von Frömming (1956) unterschiedenen Formen, G. crista cri- statHS (mit deutlichen Hautrippen) und G. crista nautileus (ohne Hautrippen), treten beide im Untersuchungsgewässer auf. 4.2. Lebenszyklus Aus der Verteilung der Größenklassen (Abb. la) läßt sich bei dieser Schneckenart ein einjähriger Lebenszyklus ablesen, wobei die Überwinterungsgeneration nach der Eiablage allmählich stirbt. Nach der Typologie von Calow (1978) entspricht dies dem Typ A, dem bei Süßwasserpulmonaten am häufigsten festgestellten Lebens- zyklus-Typ. Die ersten Jungtiere treten Anfang Juni auf. Da nach Yacine-Kassab (1979) die ersten Jungtiere ca. 2 Wochen nach der Eiablage schlüpfen, muß diese in der zweiten Hälfte des Monats Mai stattgefunden haben. Frisch geschlüpfte Tiere (Gehäusebreite <0,6 mm) waren im ersten Untersuchungsjahr noch bis Mitte Sep- tember vorhanden, so daß sich die Schlüpfphase über den gesamten Sommer hinweg erstreckte. Richardot-Goulkt & Alfaro-Tkjera (1985) konnten aufgrund der Erfassung der Eiablagezeiten sowie der Beobachtung, daß bei den Haupteiablagcn die Eikap- scln nicht nur ein Ei, sondern zwei Eier enthalten, zeigen, daß insgesamt zwei oder sogar drei Reproduktionsphasen stattfinden können. Dies entspricht nach Calow (1978) den Lebenszyklus-Typen C und E. Die von ihnen festgestellte erste Genera- tion im April/Mai trat in Tümpel D nicht auf. Nicht ausgeschlossen werden kann aber, daß sich hinter tlcn im Sommer heranwachsenden Individuen, die im Größen- — — , JANZ, BEZIEHUNG ZWISCHEN CYPRIA OPHTHALMICA UND GYRAULUS CRISTA 0[mn\] 3,0 2,0- 1,0 —————— —————————— ~JnFMAMJJAS—On ND'JFMAMJ JASON a. I I I I I I I I I I I \ \ I \ I I I 1 \ 1982 1983 — Ind. 50% 400 kleiner 2% ; keine %-Darstellung 300- weniger als 10 Ind. « Tiere kleiner 0,6 mm vorhanden 200 • Mittelwert 100- La ^ ^ f —T^ FMAMJ JASOND'J FMAMJi^ JA SON b. J 100 n 50- ^ \n Jl jfmamjjasond'jfmamjjason c. Abb. 1. Generationenabfolge und Individuendichte von Gyraulns crista sowie Anzahl und Prozentanteil der mit Ostrakoden-Eiern bestückten Gehäuse im Untersuchungs- zeitraum. — a. Prozentuale Größenklassenverteilung (Gehäusebreite), der in den Proben lebend vorhandenen Gyraulus cr/s^-Individuen und die daraus hervor- gehende Generationenfolge; — b. Anzahl der in den Proben lebend vorhandenen Gyraulus crisf^-Individuen mit einer Gehäusebreite > 1,4 mm (weiße Säulen) und Anzahl dermit Ostrakoden-Eiern bestückten Gehäuse(schwarzeSäulen); — c. Pro- zentualerAnteil dermitOstrakoden-Eiern bestückten GyrauluscTi5M-Gehäuse,der in den Proben lebend vorhandenen Individuen. STUTTGARTER BEITRAGE ZUR NATURKUNDE Ser. A, Nr. 476 klassendiagramm als eine Generation erscheinen, zwei unmittelbar ineinander über- gehende Kohorten verbergen. Allerdings konnten keine morphologischen Unter- schiede festgestellt werden, die eine Auftrennungin zwei Generationen rechtfertigte. Dagegen ließ sich die Überwinterungsgeneration anhand ihrer Frühjahrszuwachs- streifen, die sich vom verwitterten Gehäuseteil deutlich abheben (siehe Abb. 2), zweifelsfrei identifzieren. Von der im Frühjahr geschlüpften Generation lassen sie sich daher auch nach deren Heranwachsen noch gut unterscheiden. Einzelne Indivi- duen der Überwinterungsgeneration des ersten Untersuchungsjahres fanden sich noch bis in den November 1982. Der Verlauf der ermittelten Durchschnittsgrößen läßt die Zeiten des Gehäusezu- wachses erkennen. Eine erste deutliche Wachstumsphase weisen die im Frühsom- mer/Sommer geschlüpften Tiere von Mitte August bis Mitte Oktober auf. Die Größenzunahme betrug hier 10,7—13,6 }im Breitenzuwachs/Tag. Bis Anfang Dezember erfolgte nur noch eine geringe Größenzunahme; danach stagnierte das Wachstum bis Mitte April 1983. Als durchschnittliche Überwinterungsgröße ergab sich eine Gehäusebreite von 1,8 mm. Erneutes Wachstum findet im Frühjahr (April—Juni) statt. Die ermitteltenWachstumsratenbetrugenhier5,2—11,4 ynnBrei- tenzuwachs/Tag. Abb. 2. Gyraulus crzsM-Gehäusc (in Alkohol konserviert) der Probe vom 10. Mai 1982 mit Cypria ophthalniica-VÄcrn in der Nabelrei;ion. Der im Frühjahr neu gebildete heilere Gehäuseteil ist durch eine dunkle Grenzmarkevom Überwinterungsgehäuse deutheh untersclicidha Toto: H. Lumpe. JANZ, BEZIEHUNG ZWISCHEN CYPRIA OPHTHALMICA UND GYRAULUS CRISTA 7 4.3. Gehäuse mit Ostrakoden-Gelegen mm Nur auf Gehäusen mit einer Breite >1,4 wurden C. ophthalmica-Ge\ege gefunden. In beidenJahren erstreckten sich die Funde aufden ZeitraumJanuar—JuH, wobei der höchste Anteil 1982 im Mai und 1983 im April lag (Abb. Ic). Die meisten Ostrakoden-Gelege auf G. crista-Geh'iusen kommen somit kurz vor und während der Zeit vor, in der die Schnecken selbst ihre Eier ablegen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen waren die Ostrakoden-Eier im Nabelbereich des Schneckengehäuses angeheftet (Abb. 2). Auch leere Gehäuse mit Gelegen wurden gefunden, und zwar 1982 im Zeitraum Mai—August und 1983 von Januar—November. Ihr Anteil an den insgesamt in den Proben vorhandenen leeren Gehäusen war jedoch in beiden Jahren geringer als bei den lebenden Schnecken (Tab. 2). Beim Vergleich der Ergebnisse der beiden Untersuchungsjahre muß allerdings berücksichtigt werden, daß den Werten des zweitenJahres, bedingt durch Einflüsse der Untersuchungsmethodik, eine geringere Aussagekraft beizumessen ist. Es seien hier nur einige damit verbundene Einflußgrößen wie die Lage der Hälfte der Netz- beutel unter der neu eingetragenen Streuschicht, die Akkumulation von Makroin- vertebraten in den feinmaschigen Beuteln, die aufgrund des Abbaus verminderte Laubmenge in den Beuteln sowie deren veränderte Qualität angeführt. Diese Fak- toren sind auch für die in Abb. Ib deutlich erkennbare Abundanzverminderung im zweiten Jahr verantwortlich. mm Tab. 2. Gesamtanteil der Gehäuse von G. crista (> 1,4 Breite) mit C. ophthalmica-Ge- legen der beiden Untersuchungsjahre differenziert in Gehäuse lebender Individuen und in leere Gehäuse. Gehäuse lebender Individuen leere Gehäuse Jahr Summe mit Gelegen % Summe mit Gelegen 1982 807 232 28,7 204 26 12,7 1983 363 144 39,7 1920 102 5,3 5. Cypria Ophthalmien Allgemeines 5.1. Cypria ophthalmica ist eine der am weitesten verbreiteten, limnischen Ostrako- den-Arten und gilt allgemein als euryök. Sie ist auch die häufigste Ostrakoden-Art der Kleingewässer des Schönbuchs, wo sie insbesondere in schattigen, fallaubreichen Habitaten, wie Tümpel D, massenhaft auftritt (Janz, 1983). Hier kann sie eine Dichte von bis zu 500 adulten Individuen in einem Gramm Laubstreu (Trockensub- stanz) erreichen. Die Schalen adulter Tiere sind 580-650 \im lang und 400-460 pm hoch. DieBreitebeträgtbei geschlossenerSchale350 pm. Ihre Eiersind 130-150 pm lang und 70-95 pm breit. Bislang wurden stets amphigone Populationen gefunden. Die Abundanzdynamik von C. ophthalmica im Untersuchungszeitraum läßt ihren Lebenszyklus nicht erkennen. Vielmehr nehmen die Abundanzen mit zunehmendem Substratalter zu, wodurch ihre Präferenz für den Aufenthalt in stärker verrottetem und damit durch Pilz- und Bakterienbewuchs mit Stickstoff angereichertem Laub deuthch wird Qanz, 1988). In der Regel weist C. ophthalmica einen bivoltincn 8 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Ser. A, Nr. 476 Lebenszyklus mit einer ersten Generation, dievon April—Augustund einerzweiten, die von September—Dezember heranwächst, auf (Alm, 1916, Hiller, 1971). 5.2. Beobachtungen an Laborhaltungen Wurden im Labor C. ophthalmica-'Popuhüonen isoliert von G. crisi^-Popula- tionen gehalten, legten sie ihre Eier aufden beigefügten Laubblättern ab. Eine Präfe- renz fürdie dem Licht zugewandte odervon ihm abgewandte Blattseite konnte dabei nichtfestgestelltwerden. FürdieAblage scheinen eherStrukturmerkmale des Blattes wesentlich zu sein, denn häufig wurden die Eier entlang der Blattadern angeheftet. Beim gemeinsamen Halten mit G. crista und einer weiteren Planorbiden, Hip- peutis complanatus (L.), legte G. ophthalmica ihre Gelege zunächst auch aufden bei- gegebenen Blättern ab. Im Zuchtgefäß befanden sich 100 Individuen C. ophthalmica, 10 Individuen G. crista und 10 Individuen H. complanatus. Alle eingesetzten Tiere waren im April aus Tümpel D entnommen worden. Auffallend war, daß sich alle G. crfst^-Individuen am Boden des Gefäßes aufhielten, ihre Körper in die Gehäuse zurückgezogen hatten und vermehrt Schleim absonderten. Zahlreiche Individuen von C. ophthalmica hielten sich bei und aufdiesenSchnecken auf. Die in einem Kon- trollgefäß allein gehaltenen Individuen von G. crista der gleichen Probe krochen dagegen größtenteils auf den beigegebenen Laubblättern umher und ließen keine erhöhte Schleimabsonderung erkennen. Weitere Eigelege auf den Blättern und nun auch auf einigen Gehäusen von G. crista fanden sich in den folgenden Tagen. Es wurden immer wieder Ostrakoden in den Gehäusemündungen von G. crista beobachtet, wobei jeweils der Körper der Schnecke weit ins Gehäuse zurückgezogen war. Nach 8 Tagen lebten von den eingesetzten 10 Individuen von G. crista nur noch 5 und in drei der bereits leeren Gehäuse hielten sich jeweils 1—2 Ostrakoden auf. Um einen aus seinem Gehäuse entfernten Schneckenkörper scharte sich eine Traube von Ostrakoden. H. complanatus blieb dagegen unbehelUgt. Die Individuen dieser Art hielten sich ähnlich den G. mst<2-Individuen des Kontrollgefäßes an der Gefäßwand und auf den Laubblättern auf. 6. Diskussion 6.1. Beobachtungen anderer Autoren WoHLGEMUTH (1919) berichtete, daß Schneckenfleisch als Nahrung gute Zucht- erfolge bei Ostrakoden-Zuchten bewirkt. Auch Schreiber (1922) stellte einen för- dernden Einfluß von Schnecken auf Ostrakoden-Zuchten fest. Sie erwähnt, daß von Ostrakoden gern pflanzliche Nahrung aufgenommen wird, diebereits den Darmvon Schnecken passiert hat. Dies trifft nach Dölling (1962), der auch Beobachtungen zur Nahrungwahl von C. ophthalmica machte, sowohl für Kot von Lymnaeen als auch für den anderen Primärzersetzer, wie der Wasserassel Asellus aquaticus (L.) oder Trichopterenlarven, zu. Angesichts dieser schon länger bekannten Nekro- und Koprophagie von Ostra- koden, wobei Gastropoden eine wichtige Rolle zukommt, können die bisher bekannt gewordenen Prädationserscheinungen (Deschiens et alii 1953, Deschiens 1954, Lo 1967, Sohn & Kornicker 1972, 1975) sowie das hier geschilderte räube- rische Verhalten von C. ophthalmica gegenüber G. crista auch als graduelle Erweite- rung des Nahrungserwerbsspektrums einzelner Ostrakoden-Arten interpretiert JANZ, BEZIEHUNG Z^'ISCHEN CYPRIA OPHTHALMICA UND GYRAULUS CRISTA 9 werden. Alle genannten Beziehungen sind als fakultativeRäuber-Beute-Beziehungen ZU bewerten. Die Untersuchungvon Barthelmes (1963), in der ein fakultativer Prä- dationseffekt von Heterocypris incongruens (Ramdohr) gegenüber Chironomiden- larven der Paratanytarsus-GvvippQ beschrieben wird, zeigt, daß dabei nicht aus- schließlich Gastropoden die Beute der Ostrakoden sein müssen. Sohn & Kornicker (1975) stellten bei ihren Experimenten eine Abhängigkeit des Prädationseffektes von der Dichte der Ostrakoden fest. Dabei betrug die Zeit, nach der 50% der eingesetzten 5 Individuen von Biomphalarm glabrata von Cypretta kawataigetötet worden waren (LD 50) bei 25 Ostrakoden 9 Tage und bei 500 Ostra- koden weniger als 1 Tag. DerZusatz von Schneckenkotverminderte den Prädations- effekt. Diese Beobachtung unterstreicht den fakultativen CharakterderPrädation. In welchem Maße Ostrakoden unter natürlichen Bedingungen als Prädatoren wirken, kann anhand des ausschließlich in Zuchtgefäßen beobachteten Verhaltens daher nicht beurteilt werden. 6.2. Interpretation Auch das geschilderte räuberische Verhalten von C. ophthalmica ist fakultativ und wurde im Labor beobachtet. Gegenüber den bislang bekannten Ostrakoden-Gastro- poden-Beziehungen, bietet sich hier aber aufgrund der festgestellten Anheftung von Eigelegen von C. ophthalmica an G. crista-Ge\\iuse. noch eine weitere Betrachtungs- ebene, die auf Freilanddaten basiert. Wenn damit das räuberische Verhalten von C. ophthalmica unter natürlichen Bedingungen auch nicht belegt werden kann, so wird doch der enge Kontakt der beiden Arten dokumentiert. Das ausschließliche Auftreten von C. ophthalmica-Gelegen auf Schnecken- gehäusen mit einer Breite >1,4 mm sowie das vermehrte Vorkommen von Gelegen unmittelbar vor und während der Eiablage der Schnecken selbst, weisen darauf hin, daß die Anheftung der Ostrakoden-Eier an die Gehäuse von G. crista in einem Zusammenhang mit der Eiablage der Schnecken und deren darauffolgendem Absterben steht. Diese Annahme bietet auch eine Erklärung dafür, warum im zweiten Reproduktionszeitraum von C. ophthalmica (Sept.—Dez.) in keinem der beiden Untersuchungsjahre lebende G. cm^^^-Individuen mit Ostrakoden-Gelegen gefunden wurden. Aufgrund dieses zeitlichen Zusammenhangs sowie der Unter- schiede in der Häufigkeit von Ostrakoden-Gelegen auf Gehäusen lebender Schnecken und auf leeren Gehäusen, halte ich es für wenig wahrscheinlich, daß die Eianheftung allein auf Struktureigenschaften der Gehäuse oder eine mögliche Ver- breitungsfunktion zurückzuführen ist. Vielmehr läßt sich aus den angeführten Daten schließen, daß das Verhalten von C. ophthalmica eine Bedeutung für ihre Ernährung haben kann. Dabei können Schneckenschleim und tote Schneckenkörperin zweierlei Hinsicht bedeutend sein: 1. als Nahrung der adulten Ostrakoden zur Optimierung der Eiproduktion sowie 2. als Nahrung für die Nauplien und juvenilen Ostrakoden, um ein rasches Heranwachsen zu ermöglichen. Letzteres entspräche einer Art von Brutfürsorge. Schlußbemerkung 6.3. Unklar bleibt, welche Faktoren die Attraktion von C. ophthalmica bewirkt. Sohn bemerkt 1975 in der Diskussion nach der Vorführung seines Films über das räuberi- 10 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Ser. A, Nr. 476 sehe Verhalten von Ostrakoden gegenüber Schistosoma-Überträgerschnecken: ". . . we have just barely scratched the surface of ostracode-snail predation . . .". Dem kann hinzugefügt werden, daß generell bislang noch sehr wenig über die Syn- ökologie von Ostrakoden- und Gastropoden-Arten bekannt ist. Da beide Tier- gruppen wesentliche Faunenelemente der Zönosen der meisten aquatischen Biotope darstellen, sind synökologische Daten aber zum besseren Verständnis dieser Öko- systeme von großer Bedeutung. 7. Literatur Alm, G. (1916):MonographiederSchwedischenSüßwasser-Ostracodennebstsystematischen Besprechung der Tribus Podocopa. — Zool. Bidr. Uppsala, 4: 1—248; Uppsala. Barthelmes, D. 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